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Stellungnahme

Stellungnahme zum Festlegungsverfahren zum bilanziellen Ausgleich von Redispatch-Maßnahme

13. August 2020

Einleitung

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt die Möglichkeit zur Stellungnahme zur „Festlegung zum bilanziellen Ausgleich von Redispatch-Maßnahmen (BK6-20-059)“ der BNetzA vom 30. Juni 2020.

Der BEE nimmt wie folgt zu den von der BNetzA zur Verfügung gestellten Dokumenten Stellung.

 

Anmerkungen zu Anlage 1 "Bilanzierungsmodelle und Bestimmung der Ausfallarbeit“

1. Generelle Anmerkungen

Im Folgenden werden die Punkte erläutert, die den Bereich „Bilanzierungsmodelle und Bestimmung der Ausfallarbeit“ im Allgemeinen betreffen.

1.1 Schaffung einer außergerichtlichen Instanz für Streitfälle

Vorgeschlagene Änderung:

Der BEE hält es für sinnvoll, eine außergerichtliche Instanz für Streitfälle aufzubauen. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird eine neue Instanz geschaffen, die der BNetzA angegliedert ist, oder die Kompetenzen der schon bestehenden EEG- Clearingstelle werden auf Fragen zur Einbindung von Erneuerbaren Energien in den Redispatch erweitert.

Begründung:

Im Fall von Streitfällen (z.B. bei der Ermittlung der theoretisch möglichen Einspeisung) bleibt bisher nur eine gerichtliche Klärung, denn die EEG-Clearingstelle ist nur für EEG- Fragen zuständig, während die Redispatch-Regelung im EnWG verankert ist.

1.2 Kommunikationserweiterung des Anlagenbetreibers auf einen Dritten

Vorgeschlagene Änderung:

Dem Anlagenbetreiber sollte generell die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Dritten mit der Wahrung seiner Aufgaben zu betrauen und die Rechte und Pflichten gegenüber den Netzbetreibern an diesen abzutreten. Das Wort "Anlagenbetreiber" sollte durch "Anlagenbetreiber oder ein von ihm bevollmächtigter Dritter" ersetzt werden.

Begründung:

In der Praxis findet der Datenaustausch nicht zwischen Netzbetreiber und Anlagenbetreiber statt, sondern zwischen Netzbetreiber und Stromhändler. Der Anlagenbetreiber bekommt die entgangenen Einnahmen durch Abregelung erstattet und hat deshalb wenig Anreiz, die geforderten Daten mit entsprechender Güte und Geschwindigkeit zu liefern. Die finanziellen und bilanziellen Kosten werden im Fall unzureichender Datenlieferungen allein vom Stromhändler übernommen, obwohl dieser nicht zwingend für das Versäumnis verantwortlich ist.

1.3 Informationspflichten des Netzbetreibers klar definieren und mit Pönalen besetzen

Vorgeschlagene Änderung:

Der Netzbetreiber muss den Stromhändler ex ante darüber informieren, dass eine Redispatch-Maßnahme durchgeführt wird. Es muss klar geregelt sein, dass wenn der Netzbetreiber seine Vorab-Informationspflicht nicht erfüllt, er die zusätzlichen Kosten trägt und diese nicht auf seine Netzentgelte umlegen darf. Dies stellt für den Netzbetreiber einen erheblichen Anreiz dar, sich an die Vorab-Informationspflicht zu halten.

Begründung:

Voraussetzung für das Gelingen des Redispatch 2.0. ist, dass der Anlagenbetreiber bzw. Stromhändler im Falle einer Leistungsänderung seiner Anlage zwischen einem Redispatch-Fall und einer normalen Betriebsänderung (z.B. wenig Wind, temporärer Ausfall der Onlineanbindung, Störung der Anlage, usw.) unterscheiden kann. Die Information über einen Redispatch-Fall kann dabei ausschließlich der Netzbetreiber erbringen. In der Vergangenheit sind Netzbetreiber dieser Informationspflicht allerdings kaum nachgekommen. Daher ist ein Anreiz zur Einhaltung der Meldezeitfristen von entscheidender Bedeutung.

Hintergrund des Problems ist die Differenz zwischen den Bilanzkreisverträgen und dem nun anstehenden Redispatch: Der Bilanzkreisvertrag zwischen Stromhändler und Übertragungsnetzbetreiber besagt, dass der Stromhändler im Falle einer bekannten Fahrplanabweichung verpflichtet ist, zeitnah Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um diesen Fehler zu beheben. Im Redispatch-Planwertmodell soll der Stromhändler hingegen keine Gegenmaßnahmen ergreifen, da er den Bilanzausgleich durch korrespondierende Fahrpläne erhält.

 

2. Zu Kap. 2: Bilanzierungsmodelle

Vorgeschlagene Änderung:

Um sicherzustellen, dass es bei der Lieferung der anlagengenauen Prognosedaten im Falle eines Redispatches kein Optimierungspotenzial von Seiten des Stromhändlers gibt, muss eindeutig festgelegt werden, bis wann genau der Anlagenbetreiber / Stromhändler diese Daten an den Netzbetreiber zu senden hat.

Begründung:

Der Stromhändler hat im Planwertmodell unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, die im Redispatch-Fall an den Netzbetreiber zu liefernden Werte zu seinem eigenen Vorteil zu optimieren und sich so wirtschaftlich besser zu stellen. Dies kann die volkswirtschaftlichen Kosten des Redispatches erhöhen.

Der Umstand ist mit folgendem Zusammenhang zu begründen: Der Stromhändler hat ex ante Redispatch die Option, dem Netzbetreiber eine gemeinsame Prognose für mehrere Anlagen (saldierte Werte) abzugeben. Im Falle des Eintritts einer Redispatch- Maßnahme an seinen Anlagen muss der Stromhändler dem Netzbetreiber dann die genauen Prognosedaten (Fahrplan) für jede einzelne der im Redispatch befindlichen Anlagen liefern. Falls diese anlagengenauen Prognosewerte erst ex post abgegeben werden müssen, hat der Stromhändler ggf. die Möglichkeit, sie in seinem Sinne zu manipulieren.

Konkrete Angaben zum Zeitraum der Datenübermittlung werden allerdings in Anlage 1 nicht gemacht.

 

3. Zu Kap. 3.2.1. Abrechnungsvarianten bei Anlagen mit fluktuierender Einspeisung:

„Bei Spitzabrechnung oder vereinfachter Spitzabrechnung hat der Anlagenbetreiber die Wetterdaten unverzüglich – spätestens bis zum 3. Werktag des Folgemonats – zu liefern.“

Vorgeschlagene Änderung:

Bei Spitzabrechnung oder vereinfachter Spitzabrechnung hat der Anlagenbetreiber oder ein von ihm benannter Dritter die Wetterdaten unverzüglich – spätestens bis zum 5. Werktag des Folgemonats – zu liefern.

Begründung:

Drei Werktage stellen die Anlagenbetreiber vor zu große Herausforderungen, besonders auch bei Feiertagen oder dem Jahreswechsel. Bisher ist es den Netzbetreibern nach Einspeisemanagementmaßnahmen oftmals nicht möglich gewesen, innerhalb einer so kurzen Frist die für die Abrechnung notwendigen Daten bereitzustellen.

 

4. Zu Kap. 3.2.2.1. Spitzabrechnung Wind

„Pvor,theo: ermittelter theoretischer Leistungsmittelwert in den letzten vier vollständig gemessenen Viertelstunden vor der Redispatch-Maßnahme, in denen uneingeschränkt eingespeist werden konnte, in kW.

[…]

Die Messung der Windgeschwindigkeit erfolgt durch ein geeignetes Messgerät an der Gondel oder der Rotornabe der jeweiligen Windkraftanlage.“

Vorgeschlagene Änderung:

Alternativ und zur Plausibilitätsprüfung ermitteln die Übertreibungsnetzbetreiber anhand der Windgeschwindigkeitsmessungen der Wetterdienste postleitzahlen-scharf (auf drei bzw. vier Stellen der Postleitzahl) und für unterschiedliche Nabenhöhen die Windgeschwindigkeiten am Standort und veröffentlichen diese (bspw. auf netztransparenz.de).

Vorteile dieses Verfahrens:

  1. Klare transparente Struktur
  2. Keine nachträglichen Klärungspunkte zwischen Anlagen- und Netzbetreiber wie bei den SCADA-Werten
  3. Einfachere Nachvollziehbarkeit als bei den Scada-Werten
  4. Höhere Genauigkeit als bei den Scada-Werten
  5. Volkswirtschaftlich günstigster, da kein Mehraufwand bei der Berechnung und Kontrolle der Scada-Werte

Begründung:

Die Spitzabrechnung Wind basiert auf den Scada-Werten des Gondelanemometers. Hierbei kann es zu gleich mehreren Ungenauigkeiten kommen:

  1. Die Scada-Werte sind häufig lückenhaft und haben teilweise falsche Werte gespeichert.
  2. Die Daten des Gondelanemometers sind nicht geeicht und damit ungenau.
  3. Das Gondelanemometer befindet sind hinter dem Rotor, liefert also nicht die reale Windgeschwindigkeit.
  4. Die Daten des Gondelanemometers werden nachträglich von vielen Herstellern mit einem nicht veröffentlichten Skalierungswert multipliziert, um die Windgeschwindigkeit vor dem Rotor zu erhalten. Somit sind die gespeicherten Daten in den Scada-Werten nicht die gemessenen Daten.
  5. Die Daten des Gondelanemometers können nach Punkt d) also angepasst werden. Somit würde die Möglichkeit einer Beeinflussung bestehen, da der Anlagenbetreiber natürlich hohe Windgeschwindigkeiten erhalten möchte, um dann mittels der Leistungskennlinie eine erhöhte Entschädigung zu bekommen.
  6. Die Scada Werte liegen nur in 10-Minuten-Intervallen vor. Hierzu muss auf eine Viertelstunde gemittelt werden.

 

5. Zu Kap. 3.2.3.3. Pauschalabrechnung Solar

Vorgeschlagene Änderung:

Bei der Pauschalabrechnung Solar sollte das jetzige Modell einer jahreszeitenabhängigen Berechnung mit nur vier Stützstellen durch eine Mittelwertberechnung der 30 sonnenreichsten Tage des Jahres mit viertelstündlicher

Auflösung ersetzt werden. Dies ist weder für den Übertragungsnetzbetreiber noch für den Anlagenbetreiber mehr Aufwand, da bei einer Abregelung sowieso beide Parteien ihre Daten auf die Viertelstunde genau aufbereiten müssen. Die Mittelwertbildung der 30 sonnenreichsten Tage in Deutschland sollte auf den Onlinehochrechnungen der Übertragungsnetzbetreiber basieren.

Die Annahme der 30 sonnenreichsten Einspeisungstage ist konservativ, da die Daten über Deutschland gemittelt sind und somit die Spitzen geglättet werden. Des Weiteren finden Redispatch-Maßnahmen von PV-Anlagen logischerweise eher zu sonnenstarken Zeiträumen statt, als an Tagen mit mittlerer oder geringer PV-Einspeisung.

Begründung:

An sonnenreichen Sommertagen kann es durch das Pauschalverfahren zu Fehlern von bis zu 50 Prozent bezogen auf die Nennleistung kommen. Der Anlagenbetreiber verliert dabei einen entsprechend hohen Prozentsatz seiner Erzeugungsentschädigung.

 

6. Zu Anhang: Kriterienkatalog Planwertmodell

Vorgeschlagene Änderung:

Der Anlagenbetreiber / Stromhändler muss transparent und nachvollziehbar darlegen, wie er den MAEAB berechnet.

Genauso muss der Netzbetreiber transparent und nachvollziehbar darlegen, wie er den MAENB berechnet.

Es muss klar definiert werden, auf welchen Zeithorizont sich der MAE von Anlagenbetreiber / Stromhändler und Netzbetreiber bezieht. Hierzu könnte der Day Ahead-Fahrplan als auch der Intraday-Fahrplan (t-1h oder t-1/4 Stunde) herangezogen werden.

Begründung:

Für den Anlagenbetreiber ist es gleichgültig, ob seine Anlage über das Prognose- oder Planwertmodell bilanziert wird, da er in beiden Fällen den Marktwert vom Stromhändler entschädigt bekommt.

Für den vom Anlagenbetreiber beauftragten Stromhändler hingegen ist das Planwertmodell anzustreben: Aufgrund der Option, eine gemeinsame Prognose für mehrere Anlagen (saldierte Werte) abzugeben, bietet sich dem Stromhändler unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, das Modell zu seinem eigenen Vorteil zu manipulieren.

Auch der Netzbetreiber hat die Möglichkeit, den von ihm gelieferten MAE-Wert zu seinen Gunsten zu manipulieren.

In  der  jetzigen  Fassung  der  Anlage  1  wird  nur  erläutert,  dass

  1. der Netzbetreiber dem Anlagenbetreiber monatlich mitteilt, wie hoch der MAENB für dessen Anlagen ist.
  2. der Anlagenbetreiber / Stromhändler dem Netzbetreiber den von ihm berechneten MAEAB vorlegt.

Die Berechnung der Werte ist für die jeweilige Gegenseite nicht transparent, nicht nachvollziehbar und somit auch nicht überprüfbar.

Es gibt zudem keine Erläuterung, auf was der MAE bezogen wird: den Day Ahead- Fahrplan, den Intraday-Fahrplan t-1h oder der Intraday-Fahrplan t- 1/4 -Stunde. Je nachdem, von welcher Annahme hier ausgegangen wird, ergeben sich sehr unterschiedliche Anforderungen an die Anzahl der abzugebenden Fahrpläne. So gibt aktuell ein Stromhändler für einen Bilanzkreis in einer Regelzone einen Day Ahead- Fahrplan und potentiell 10 bis 20 Intraday-Fahrpläne ab. Diese Fahrpläne sind jedoch saldiert und somit unbrauchbar für die Einstellung der korrespondierenden Fahrpläne der Netzbetreiber bei Abregelung eines Windparks im Redispatch. Für den Fall, dass dem Netzbetreiber vorab die Fahrpläne für jeden einzelnen Zählpunkt zuzusenden sind, müsste der Stromhändler nun (bei angenommenen 1.000 Wind- bzw. Solarparks im Bilanzkreis) somit 1.000 Day Ahead-Fahrpläne bzw. bis zu 96.000 Intraday-Fahrpläne pro Tag liefern.

Ebenfalls wird nicht geklärt, was im Falle einer "Nichtversendung" der Fahrpläne durch ein Datenbankproblem passiert. Ein kurzer Zeitraum könnte hier bereits ausreichen, um für den entsprechenden Monat die maximale Größe von 1,5 gegenüber dem MAENB zu reißen und somit in das Prognosemodell zurückzufallen.

 

Anmerkungen zu Anlage 2 „Kommunikationsprozesse Redispatch“

7.  Zu III 2.1.2. Ermittlung und Abstimmung der abrechnungsrelevanten Ausfallarbeit – Prognosemodell - Tabellenzeile 5

Vorgeschlagene Änderung:

Neben dem Netzbetreiber müssen auch dem Anlagenbetreiber der Berechnungsweg und die zugrundeliegenden Datenreihen übermittelt werden.

Begründung:

Die einseitige Zurverfügungstellung der Datenreihen stellt eine unbegründete Bevorteilung des Netzbetreibers dar. Beide Parteien sollten hier gleichgestellt werden.

 

8. Zu II 2.5.1. Übermittlung von Planungsdaten

Vorgeschlagene Änderung:

Die Kosten einer im Redispatch zentralen Stakeholdergruppe - der Stromhandelsunternehmen – sollten wie bei den Netzbetreibern regulatorisch abgefedert werden können.

Zudem sollte eine einheitliche Kommunikationsplattform eingerichtet werden, mithilfe derer alle Netzbetreiber und Stromhändler / Anlagenbetreiber ihre Daten austauschen und so die volkswirtschaftlichen Kosten des Redispatches gesenkt werden können.

Begründung:

Ein Grundgedanke des neuen Redispatch-Regimes ist es, die beteiligten Akteure weder besser noch schlechter zu stellen als vor Einführung der entsprechenden Regelungen. Eine zentrale Rolle kommt im Bereich der Erneuerbaren Energien den Stromhändlern zu, welche als Bilanzkreisverantwortliche in die kostenneutrale Behandlung von Netzeingriffen einbezogen werden sollten.

An dieser Stelle werden die am Umsetzungsprozess beteiligten Stakeholder jedoch offensichtlich nicht neutral behandelt, stattdessen gibt es eine einseitige Bevorzugung von Netzbetreiberinteressen: Nach §34 Abs. 15 AregV können Netzbetreiber Kosten, die vor dem 1. Oktober 2021 durch die Umsetzung der neuen Regelungen zum Redispatch entstehen, als zusätzliche, zulässige Erlöse in das Regulierungskonto einbeziehen. Netzbetreiber haben also nicht nur bezüglich des Redispatches einen Wälzungsmechanismus, sondern auch bezüglich der Implementierungskosten für dessen Neuregelung.

Ein solcher Mechanismus steht den Bilanzkreisverantwortlichen nicht zur Verfügung. Stattdessen müssen überregionale Stromhandelsunternehmen möglicherweise flächendeckende Kommunikationswege mit Dutzenden von Netzbetreibern aufbauen, in deren Netzgebiet die durch die Direktvermarktungsunternehmen betreuten Anlagen liegen.

Durch das Fehlen einer einheitlichen Kommunikationsplattform müssen sich die Stromhändler hierbei potentiell auf eine Vielzahl von bilateralen IT-Einzellösungen einstellen, was einen hohen administrativen Aufwand und erhebliche Kosten mit sich bringt.

 

Portraitbild von Dr. Matthias Stark
Ansprechpartner*in

Dr. Matthias Stark
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Leiter Fachbereich Erneuerbare Energiesysteme


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0151 17123012


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