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Stellungnahme

Stellungnahme zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote

15. Oktober 2020

1. Einleitung

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt die Möglichkeit zur Stellungnahme zum „Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote“ und zur „Verordnung zur Festlegung weiterer Bestimmungen zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs- Quote“ vom 24.09.2020.

Der BEE nimmt wie folgt zu den vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) zur Verfügung gestellten Dokumenten Stellung.

 

2. Grundsätzliche Zielorientierung

Die Bundesregierung hat sich sowohl in ihrem Klimaschutzplan von November 2016 als auch im Klimaschutzgesetz von Dezember 2019 ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt. Für jeden Sektor werden in den beiden Dokumenten jährliche Emissionsbudgets aufgestellt. Für den Sektor Verkehr ergibt sich für 2030 eine zulässige Jahresemissionsmenge von 95 - 98 Millionen Tonnen CO 1 bzw. 95 Millionen Tonnen CO 2, was einer Treibhausgas(THG)-Minderung gegenüber 1990 von 40 – 42 Prozent bzw. 42 Prozent entspricht.

In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in Auftrag gegebenen, im März 2020 veröffentlichten Gutachten „Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgeabschätzungen 2030/2050“ wurde untersucht, wie sich bestimmte Maßnahmen im

Verkehrsbereich auf die Erreichung des gesetzten THG-Minderungs-Sektorenziels auswirken. Zur Modellierung wurde hierbei von einem Mindestanteil an Erneuerbaren Energien (EE) im Sektor Verkehr für das Jahr 2030 von 27 Prozent ausgegangen3, ein Wert, der weit über der EU- Mindestvorgabe von 14 Prozent gemäß der Richtlinie (EU) 2018/2001 vom Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus Erneuerbaren Quellen (Erneuerbare Energien Richtlinie – RED II) liegt. Trotz des im Verhältnis zur EU-Mindestvorgabe hohen Werts konnten mit dem angenommenen Mindestanteil nur etwas mehr als die Hälfte der erforderlichen Treibhausgase bis 2030 reduziert werden (Zielerreichungsgrad 56 Prozent).4

Das BMU orientiert sich in seinem Referentenentwurf zur Weiterentwicklung der THG-Quote nicht an dem oben genannten, selbst gesetzten THG-Minderungsziel für den Sektor Verkehr von 95 Millionen Tonnen CO2Äq und ignoriert zugleich die beschriebenen Erkenntnisse des BMWi- Gutachtens zum Mindestanteil an EE im Verkehr.

Anstatt dessen nimmt sich der Referentenentwurf lediglich zum Ziel, die EU-Mindestvorgabe von 14 Prozent an EE im Verkehr bis 2030 gemäß RED II zu erreichen. Das zitierte BMWi-Gutachten zeigt, dass selbst bei einem fast doppelt so hohen Wert an EE die gesetzten THG- Minderungsziele im Verkehr bis 2030 nicht zu erreichen sind.

Der BEE fordert das BMU deshalb auf, seine selbst gesteckten Klimaziele ernst zu nehmen und sich bei der Ausgestaltung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der THG-Quote auch an diesen zu orientieren. Dies erfordert insbesondere die Erreichung eines Mindestanteils an EE im Verkehr, mit dem die gesetzten Klimaziele tatsächlich realisiert werden können.

Unter Berücksichtigung der im Referentenentwurf formulierten Möglichkeiten der Mehrfachanrechnung für bestimme Technologien hat der BEE berechnet, wie hoch der Anteil an EE im Verkehr bis 2030 mindestens sein muss, um das THG-Minderungsziel für den Sektor Verkehr gemäß Klimaschutzgesetz bzw. Klimaschutzplan zu erfüllen. Der notwendige Mindestanteil für EE im Verkehr bis 2030 liegt demnach bei 50 Prozent.

Um diesen Wert zu erreichen, bedarf es der Nutzung aller verfügbaren nachhaltigen Technologien. Sowohl die Elektromobilität mit Strom aus erneuerbaren Energien, als auch fortschrittliche Biokraftstoffe, Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen, nicht- biogene erneuerbare Kraftstoffe und grüner Wasserstoff können jeweils wichtige Beiträge zur Erreichung des genannten Mindestanteils im Verkehr leisten. Wichtig ist, dass den genannten Technologien durch Festlegung von separaten, ambitionierten Mindestanteilen ein schneller Markthochlauf ermöglicht wird.

 

3. Festlegung der allgemeinen Treibhausgasminderungs-Quote

Das Schlüsselinstrument für die Erreichung von Mindestanteilen an EE im Verkehrssektor ist in Deutschland die THG-Quote. Mit dieser Quote werden Unternehmen, die Kraftstoff in Verkehr bringen, verpflichtet, die THG-Emissionen ihres gesamten in Verkehr gebrachten Kraftstoffes um einen bestimmten Prozentsatz zu senken.

Zur Erreichung des oben genannten Mindestanteils an EE im Verkehrssektor bis 2030 von 50 Prozent, mit dem wiederum die gesteckten Klimaziele im Sektor Verkehr realisiert werden können, bedarf es deshalb einer entsprechenden Ausgestaltung der THG-Quote.

Mit der im Referentenentwurf vorgeschlagenen THG-Quote von 7,25 Prozent wird sich der Anteil an EE im Verkehrssektor bis 2030 nach Berechnungen des BEE abhängig von der Elektrofahrzeuganzahl lediglich auf 7 bis 8 Prozent belaufen. Unter Vernachlässigung der ermöglichten Mehrfachanrechnungen ergibt sich sogar nur ein Wert von circa 4 bis 5 Prozent, was einen Rückgang des EE-Anteils im Verkehr bedeutet.

Will man den Mindestanteil von 50 Prozent EE im Verkehr bis 2030, der wiederum Grundlage für die Erfüllung der Klimaziele ist, erreichen, bedarf es einer THG-Quote von mindestens 40 Prozent.

 

4. Festlegung von Mindestanteilen

Zur Erreichung der oben genannten THG-Minderungsquote von 40 Prozent sollten für einzelne nachhaltige Kraftstoffarten konkrete, ambitionierte Mindestanteile festgelegt werden. Im Falle eines stark rückgängigen Gesamtkraftstoffbedarfs sollten diese Mindestanteile nach oben angepasst werden, um so die Investitionssicherheit für Unternehmen, die sich für die Erzeugung nachhaltiger Kraftstoffe einsetzen, zu gewährleisten.

4.1 Fortschrittliche Biokraftstoffe

Die Mindestanteile für fortschrittliche Biokraftstoffe werden im Referentenentwurf mit 0,65 Prozent ab 2026, 1,1 Prozent ab 2028 und 1,75 Prozent ab 2030 auf sehr niedrigem Niveau festgelegt. Die RED II-Vorgaben für den Mindestanteil an fortschrittlichen Biokraftstoffen werden somit unterschritten. Dies wird weder der aktuellen Marktlage noch den verfügbaren Potenzialen gerecht und setzt keinerlei Anreiz zur Investition in neue Technologien, obgleich dies gemäß Begründung eines der expliziten Ziele des Referentenentwurfs sein soll.

Um den dringend notwendigen, weiteren Markthochlauf fortschrittlicher Biokraftstoffe anzureizen bedarf es einer Eins-zu-Eins-Umsetzung des Mindestanteils von 3,5 Prozent bis 2030 RED II statt des im Referentenentwurf vorgeschlagenen Ziels von 1,75 Prozent. Die RED II definiert darüber hinaus Zwischenziele: 0,2 Prozent bis 2022 und 1 Prozent bis 2025. Diese Zwischenziele sollten ebenfalls übernommen werden.

Die genannten Mindestanteile sollten ab sofort für alle Inverkehrbringer von Kraftstoffen gelten. Die im Referentenentwurf genannte, anfängliche Begrenzung der Mindestanteils-Verpflichtung auf Unternehmen, die mehr als eine bestimmte Kraftstoffmenge absetzen, sollte entfallen.

4.2 Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen

Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen leisten heute einen wichtigen Beitrag zur Verwendung von erneuerbaren Energiequellen im Verkehrssektor.

Die Bedeutung dieser Kraftstoffarten wird in den kommenden Jahren im Verhältnis zu anderen erneuerbarer Kraftstoffarten, wie fortschrittlichen Biokraftstoffen oder der Elektromobilität, abnehmen. Dennoch sollte vermieden werden, dass Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen durch die Festlegung zu niedriger Mindestanteile oder zu hoher Faktoren für die Mehrfachanrechnung bei anderen erneuerbaren Kraftstoffarten vollständig aus dem Markt gedrängt werden. Dies würde die Erfüllung der ambitionierten Klimaziele im Verkehr noch schwieriger machen.

Damit Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der Klimaziele leisten können und Investitionssicherheit für in diesem Bereich tätige Unternehmen und Betriebe besteht, muss es das Ziel sein, dass der aktuelle Mindestanteil dieser Kraftstoffart bis 2030 gesichert wird. Voraussetzung für die Anrechnung von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auf die THG-Quote muss jedoch sein, dass diese den Nachhaltigkeitskriterien gem. §29 RED II genügen und einen niedrigen Indirect Land Use Change (ILUC)-Faktor besitzen.

4.3 Nicht-biogene erneuerbare Kraftstoffe und grüner Wasserstoff

Auch strombasierte Kraftstoffe aus Power-to-Liquid/Gas Verfahren sowie grüner Wasserstoff aus der Wasserelektrolyse und aus Biomasse können dazu beitragen, die Klimaziele im Verkehr zu erreichen.

Um das Potential zu heben und einen schnellen Markthochlauf sicherzustellen, bedarf es für diese Kraftstoffe einen separaten, ambitionierten Mindestanteil, der einen sicheren Markteintritt sowohl in der Luftfahrt als auch in anderen Verkehrsbereichen gewährleistet. Grüner Wasserstoff sollte dabei in allen Bereichen auf die THG-Quote angerechnet werden können, in denen es um die Erzeugung und Nutzung von konventionellen und erneuerbaren Kraftstoffen geht, bspw. bei der Herstellung von Kraftstoffen in Raffinieren und bei der Nutzung in Brennstoffzellenfahrzeugen.

4.4 Flugturbinen und Shciffskraftstoffe

Verpflichtete Unternehmen, die Flugturbinenkraftstoff nutzen, müssen gemäß Referentenentwurf einen Anteil von 0,5 Prozent (ab dem Jahr 2026), 1 Prozent (ab dem Jahr 2028) und 2 Prozent (ab dem Jahr 2030) des fossilen Kraftstoffs mit nicht-biogenen erneuerbaren Kraftstoffen ersetzen. Die Einführung eines Mindestanteils für Flugturbinenkraftstoff aus EE ist grundsätzlich unterstützenswert. Allerdings sind die genannten Mindestanteile viel zu gering und kommen zu spät. Um jetzt Investitionen in entsprechende Kraftstoff-Erzeugungstechnologien anzureizen, bedarf es eines ambitionierten Ausbaupfades.

Das Gleiche gilt für nachhaltige Schiffskraftstoffe, für die im Referentenentwurf keine konkreten Mindestanteile genannt werden. Auch in diesem Segment ist es dringend notwendig, Anreize für Investitionen in entsprechende Kraftstoff-Erzeugungstechnologien zu setzen und hierzu einen ambitionierten Ausbaupfad aufzuzeigen. Bezieher von Schiffskraftstoffen sollten unter Einsatz marktwirtschaftlicher Anreizsysteme zur Nutzung erneuerbarer Kraftstoffe verpflichtet werden.

 

5. Aufbau der Lade. und Tankstelleninfrastruktur für Erneuerbare Energien

Voraussetzung für einen erfolgreichen Markthochlauf biogener und strombasierter Kraftstoffe ist die Verfügbarkeit einer entsprechenden Lade- und Tankstelleninfrastruktur. Es ist deshalb von höchster Wichtigkeit, den Ausbau einer solchen Infrastruktur sowohl für die Elektromobilität als auch für biogene und strombasierte Kraftstoffe schnellstmöglich voranzutreiben. Der Markthochlauf darf durch infrastrukturelle Engpässe nicht behindert werden.

 

6. Sicherstellung einer systemdienlichen Einbindung von Elektrofahrzeugen ins Stromnetz

Der umfassende Ausbau der Elektromobilität ist wichtig und unabdingbar für die Erreichung der Klimaziele im Verkehr. Die zunehmende Zahl von Elektrofahrzeugen stellt jedoch auch neue Anforderungen an das historisch gewachsene Stromversorgungsnetz.

Bei höheren Anteilen an Elektrofahrzeugen gewinnt die Systemdienlichkeit, d.h. vor allem die Lastverschiebung beim Laden, an Bedeutung. Bei der Ausgestaltung von Förderprogrammen, wie den oben angesprochenen Mehrfachanrechnungen auf die THG-Quote, sollte deshalb schon heute die Systemintegration Berücksichtigung finden. Auch beim Infrastrukturaufbau sollten Überlegungen zur systemdienlichen Integration der Elektrofahrzeuge einbezogen werden.

 

7. Literatur

Klimaschutzgesetz (2019): Gesetz zur Einführung eines Bundes-Klimaschutzgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften, 12. Dezember 2019, https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/media/49E94B1713E353BF6BCFAA1C811B9E11/bgbl119s2513_78060.pdf

Klimaschutzplan 2050 (2016): Klimaschutzpolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), November 2016, https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klimaschutzplan_2050_bf.pdf

Prognos (2020): Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgeabschätzungen 2030/2050, Dokumentation von Referenzszenario und Szenario mit Klimaschutzprogramm 2030, Studie im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, März 2020, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/klimagutachten.pdf? blob=public ationFile&v=8


 

1 Klimaschutzplan (2016), S. 8

2 Klimaschutzgesetz (2019), Anlage 2

3 Prognos (2020), S. 49

4 Prognos (2020), S. 13

 

 

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Dr. Matthias Stark
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