Es besteht Konsens in Politik und Wissenschaft, dass es staatlicher Konjunkturhilfen bedarf, um eine rasche Erholung von Wirtschaft und Gesellschaft zu gewährleisten. Konjunkturstärkende Impulse sollten Struktur- und Technologiewandel sowie die Dekarbonisierung gezielt adressieren. Gelingt dies, dann kann die deutsche Wirtschaft gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen.
Die Modernisierung kommunaler Wärmeinfrastrukturen erfüllt dieses Zielbild. Nicht zuletzt aufgrund des beschlossenen Kohleausstiegs stehen in diesem Bereich milliardenschwere Neuinvestitionen an. Die Bundesregierung hat die wirtschaftlichen und klimapolitischen Chancen, welche mit der Umstellung der kommunalen Nah- und Fernwärmenetze auf Erneuerbare Energien und unvermeidbarer Abwärme verknüpft sind, frühzeitig erkannt und im Klimaschutzprogramm 2030 (S. 41f.) beschrieben. Gelingt es, die Umstellung auf Erneuerbare Energien und unvermeidbare Abwärme auch in der Breite anzureizen, dann ergeben sich laut Klimaschutzprogramm 2030 erhebliche Chancen für diverse Wirtschaftsakteure. Hierzu zählen
Mit anderen Worten: Zur Hebung der zuvor skizzierten, wirtschaftlichen und klimapolitischen Potenziale bedarf es keiner kurzfristigen Sonderprogramme, sondern lediglich einer beherzten Umsetzung der im Klimaschutzprogramm 2030 bereits vorgesehenen Maßnahmen.
Neben den Chancen für den Klimaschutz bietet die Modernisierung der kommunalen Wärmeinfrastrukturen beträchtliche industrie- und strukturpolitische Chancen, da wirtschaftliche Aktivitäten in den vorgelagerten und insbesondere auch lokalen Wertschöpfungsstufen1 angeregt werden und sich neue Marktperspektiven für die Technologiehersteller ergeben: Neben der Bereitstellung klimafreundlicher Wärme in den Nah- und Fernwärmenetzen setzt die verstärkte Nachfrage nach den hierzu erforderlichen Erzeugungstechnologien (Großwärmepumpen, große Solarthermie, Biomasse-Anlagen usw.) bedeutsame Anreize für den Ausbau von Produktionskapazitäten, die Minderung von Produktionskosten und technologische Weiterentwicklung.
Damit ergeben sich perspektivisch neue Exportchancen für die Technologiehersteller, da aufgrund der Europäischen Klimaziele mittelfristig auch die großen Bestandsnetze in Osteuropa auf Erneuerbare Energien und unvermeidbare Abwärme umzustellen sind. Ausgereifter Anlagenbau Made in Germany kann dann auch über die Bundesgrenzen hinaus zum Klimaschutz beitragen.
Das Besondere an den hierzu erforderlichen Maßnahmen, welche im folgenden 4-Punkte-Plan vorgestellt werden, besteht darin, weitgehend haushaltsunabhängig und zeitlich gestreckt finanziert werden zu können. Große Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt werden damit vermieden.
Die Förderung für Erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme mit den o.g. Ansätzen für Biomasse und Großwärmepumpen wird auch für Fernwärme-Bestandssysteme anwendbar gemacht.
Handlungsempfehlung: Erhöhung des Förderbudgets im (haushaltsunabhängigen) KWKG um zusätzliche 1 Mrd. Euro p.a. entsprechend einer Erhöhung um 10 Prozent EE-Wärme .
Um die Klimaschutzziele im Gebäudesektor zu erreichen - und damit auch Strafzahlungen aufgrund des Effort-Sharings zu vermeiden -, ist neben der verstärkten Einbindung von klimaneutraler Wärme ein dynamischer Neu- und Ausbau der Wärmenetzinfrastruktur erforderlich2.
Damit dieses gelingt, sind entsprechende Rahmenbedingungen und geeignete Instrumente notwendig, die dem hohen betriebswirtschaftlichen Risiko (u.a. kapitalintensive Investitionen; lange Planungs-, Bau- und Amortisationszeiten) für die kommunalen Wärmenetzbetreiber gerecht werden. Die im Jahr 2009 in das KWKG eingeführte Wärmenetzförderung ist bisher das zentrale Instrument für einen steten Ausbau der Infrastruktur. Allerdings muss der Anreiz für einen forcierten Ausbau von Wärmenetzen angepasst werden.
Handlungsempfehlung: § 19 Abs. 1 KWKG ist im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes anzupassen:
Vorteile der o.g. Handlungsempfehlungen:
Eine Möglichkeit, um den Einsatz von solarthermischen Großkollektoren in den Wärmenetzen verstärkt voranzutreiben, stellen Ausschreibungsprogramme analog zu KWK und PV dar. Diese Programme bieten zusätzliche finanzielle Anreize, da eine höhere Beihilfeintensität als die bisherige Förderung über das Marktanreizprogramm (MAP) mit den Begrenzungen durch die AGVO möglich ist. Die Förderung erfolgt dabei
- wie über das MAP bewährt - über einen Investitionskostenzuschuss.
Neben der Weiterentwicklung in Richtung einer wettbewerblichen Förderung besteht der große Vorteil dieser Maßnahmen darin, dass sich Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt konkret berechnen lassen und nach oben hin „gedeckelt“ sind. Ausschreibungen wären wie folgt zu designen:
Wenn sich das Format bewährt, kann es ausgebaut werden. Auch wäre mittel- und langfristig mit einer erheblichen Reduktion der Produktionskosten zu rechnen, wie die EEG-Erfahrungen zeigen.
Über die Nutzung von Tiefengeothermie ist die Emissionslast in den Wärmenetzen regional (z.B. in München) bereits erheblich gesunken. Damit die Technologie auch in der Breite eine zunehmende Anwendung findet, sind die Rahmenbedingungen, welche durch das KfW-Programm Erneuerbare Energien „Premium“3 (271/281 und 272/282) und das EEG gesetzt werden, zu verbessern. Insbesondere geht es um folgende Anpassungen:
Zusätzlich zur Wärmeproduktion in den Erzeugungsanlagen gilt es, die vorgelagerten Wertschöpfungsketten gezielt zu adressieren, den heimischen Anlagenbau zu stärken und weiterführende Grundlagenarbeiten zu forcieren. Sämtliche Technologien der großtechnischen Erneuerbaren Wärme besitzen Potenziale für technologische Weiterentwicklung und Kostendregression. Hierzu zählen u.a.
Handlungsempfehlung: Bereitstellung von Finanzmitteln in Höhe von 20 Mio. Euro, um die o.g. Entwicklungspotenziale zu heben. Die Finanzmittel könnten über das 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden.
Die Finanzlage vieler Kommunen dürfte sich im Zuge sinkender Gewerbesteuereinnahmen und zusätzlicher Ausgaben für soziale Leistungen in den kommenden Jahren erheblich verschlechtern. Aktuelle Erkenntnisse aus der Ergänzungsumfrage zum KfW-Kommunalpanel 2020 deuten darauf hin, dass Kommunen finanziellen Engpässen in ihren Haushalten oftmals über die Streichung geplanter Investitionen begegnen müssen.4
Handlungsempfehlung: Um die Nutzung von Erneuerbaren Energien für und in öffentlichen Gebäuden besonders finanzschwacher Kommunen auch in Zeiten angespannter kommunaler Haushaltslage zu gewährleisten, wird die Verlängerung des Kommunalinvestitionsförderungsfonds bis 2022 und die Aufstockung der verfügbaren Fonds-Mittel um 1 Mrd. Euro empfohlen. Die Vergabe der Finanzmittel erfolgt zweckgebundenen für die Nutzung von erneuerbaren Energien.
1) Weiterführend sei hierbei auf die AGFW-Wärmekonzepte (70/70- & 40/40-Strategie) verwiesen, welche die Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzeffekte vom Aus- und Umbau der kommunalen Wärmeinfrastrukturen ausführlich erörtern und quantifizieren.
2) Potenzial: Verdopplung des Anteils von an Wärmenetze angeschlossenen Wohnungen von derzeit 14 % auf min. 28 %.
3) Perspektivisch Bundesförderung für effiziente Wärmenetze
Nachdem zu Beginn des Monats die EU-Kommission die beihilferechtliche Genehmigung für den Start der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW)…
Die neue Bundesregierung zeigt sich mit ihren angekündigten Vorhaben ambitioniert hinsichtlich der zügigen Umsetzung der energie- und klimapolitischen…
Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) hat in seinem Positionspapier „Krisen überwinden, Wachstum stärken, Wohlstand sichern“ seine…