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Ein Arbeiter steht bei Sonnenuntergang vor mehreren Stromleitern
Positionspapier

Vorschlag von Maßnahmen für eine kurzfristige Anpassung des Strommarktdesigns

1. Oktober 2020

Ausgangssituation

Die aktuelle Verteilung von Kosten (und Risiken) für den Ausbau der Erneuerbaren Energien stößt zusehends an ihre Grenzen. Kurzfristig zeigen die Folgen der Corona-Krise die bisher ungelösten Regulierungsaufgaben des aktuellen Marktdesigns auf, die trotz sinkender Stromgestehungskosten der Erneuerbaren direkt in eine sehr hohe EEG-Umlage münden. Der Hintergrund dieses Effektes ist die beschleunigte Strompreisreduktion durch die Einspeisung von Erneuerbaren Energien, welche nur bedingt an die Endkunden weitergegeben wird, aber gleichzeitig vollständig zu einer Erhöhung der Differenzkosten (EEG-Vergütung abzgl. Marktwert) führt.

Mit diesem Vorschlagspapier zeigen wir kurzfristige energiepolitische Maßnahmen auf, welche geeignet sind, diesen Effekt zu minimieren. Damit lassen sich die Differenzkosten und somit die EEG-Umlage begrenzen. Gleichzeitig soll in einer nachfolgenden Grundlagenstudie mittelfristig der Weg für eine sinnvolle und Erneuerbare Energien fördernde Weiterentwicklung des Strommarktdesigns aufgezeigt werden.

Zwei Faktoren belasten die EEG-Umlage aktuell besonders stark: Die sinkenden Börsenstrompreise und die geringere Stromnachfrage aufgrund der Corona-Pandemie. Durch die sinkenden Großhandelspreise an der Börse steigt die Differenz zwischen dem Marktwert des erneuerbaren Stroms und der EEG-Vergütung, die über die EEG-Umlage ausgeglichen werden muss. 2010 lag der Börsenpreis noch bei ca. 5,8 ct/kWh. Bis 2019 ist er um 2 Cent auf durchschnittlich 3,8 ct/kWh gesunken. Im ersten Halbjahr 2020 lag er durchschnittlich weit unter 3 ct/kWh. Dadurch brachen Einnahmen für das EEG-Konto in Höhe mehrerer Milliarden Euro weg. Die EEG-Differenzkosten erhöhten sich entsprechend. Allein durch den sinkenden Börsenstrompreis ergab sich im Vergleich zu 2010 eine Steigerung der EEG-Umlage um 2 ct/kWh. Zusätzlich lag bedingt durch die Corona-Krise der tatsächliche Marktwert der Erneuerbaren Energien deutlich unter der Preisprognose, die für 2020 von einem Jahresfuture-Wert von 4,9 ct/kWh ausging. Tatsächlich lag der Marktwert aber in 2020 bisher mehr als 2 Cent darunter, so dass weitere höhere Differenzkosten aufgrund dieser Fehlannahme der Übertragungsnetzbetreiber entstehen.

Dabei wird die Umlage auf einen geringeren (nicht-privilegierten) Stromverbrauch umgelegt. Die Corona-Pandemie verschärft dieses Paradoxon und wirkt hier wie ein Brennglas für die Zukunft: Durch die im Zuge der Wirtschaftskrise gesunkenen Stromverbräuche und damit korrelierende Zunahme des Anteils Erneuerbare Energien im Strommix steigt die EEG-Umlage.

Dieser Zusammenhang ist aber nur schwer zu vermitteln, denn eine Reduzierung des Stromverbrauchs ist unter Gesichtspunkten der Energieeffizienz eigentlich ein Klimaschutzziel.

Weitere wichtige Einflussfaktoren sind die Privilegierung stromintensiver Unternehmen und der Umfang des zum Teil von der EEG-Umlage befreiten Eigenverbrauchs der konventionellen Energien. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der privilegierten Unternehmen stark angestiegen. Wurden im Jahr 2006 noch rund 282 Unternehmen mit einem Stromverbrauch von 70 TWh in Höhe von insgesamt 410 Millionen Euro begünstigt, erhöhte sich die Zahl der Privilegierten bis zum Jahr 2020 auf 2.202 Unternehmen mit 116 TWh Stromverbrauch. Deren Begünstigung stieg um rund 5 Milliarden Euro. Hinzu kommen noch etwa 70 TWh selbst erzeugter Strom, der von Industrie- und Gewerbeunternehmen verbraucht und von der EEG-Umlage befreit wird. So wurde 2006 die EEG-Umlage auf 425 TWh verteilt, während sie 2020 nur noch auf 354 TWh vollständig bezahlt wird. Dieser Rückgang ist vor allem den Industrieprivilegierungen und nur zu einem kleineren Anteil dem gesunkenen Stromverbrauch geschuldet.

Der Zubau Erneuerbarer Energien trägt hingegen kaum noch zur Erhöhung der EEG-Umlage bei. Im Jahr 2021 wird die Finanzierung neu installierter EE-Anlagen erwartungsgemäß nur noch 0,1 Cent ausmachen. Im Gegenzug wird die Einspeisevergütung für Altanlagen, die im Jahr 2000 ans Netz gingen, entfallen. Das wird die EEG-Umlage um 0,2 Cent entlasten. Der Anstieg der EEG-Umlage und ihre Finanzierung dürfte – auch wenn er plausibel erklärt werden kann (vgl. BEE-Hintergrundpapier zur EEG-Umlage) – eine erste Herausforderung für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien und die aus klimapolitischen Gründen angestrebte Energiewende sein. Durch ihn kann die wichtige gesellschaftliche Akzeptanz notwendiger Transformationsschritte schwinden und sich kontraproduktive, falsche Bewertungen verbreiten.

Eine weitere Herausforderung, auf welche das aktuelle Strommarktdesign noch keine Antwort hat, ist der Anstieg negativer Strompreise. Die Situation negativer Preise wird mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien immer häufiger auftreten. Darauf wurde bereits 2012 hingewiesen (vgl. Kompassstudie des BEE). Um die Folgen negativer Strompreise auf die Erlössituation der wetterabhängigen Erneuerbaren Energien zu begrenzen, müssen Anreize für eine Flexibilisierung von Stromangebot und -nachfrage gesetzt werden.

Für den Fortgang der Energiewende besteht eine dritte Herausforderung: Mittel- bis langfristig kann das spotmarktpreiszentrierte Strommarktsystem dem weiteren notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien bis zur Vollversorgung nicht den notwendigen Rahmen geben. Die dargebotsabhängige Erzeugung von Wind- und Photovoltaikstrom erzielt im derzeitigen Strommarktdesign nicht ausreichend Erlöse, um eine Refinanzierung der zu tätigen Investitionen angemessen am heutigen Strommarkt sicherzustellen.

Angesichts des schwachen Zubaus von Windenergie an Land, der notwendigen Steigerung des Ausbaus der Photovoltaik und der Stagnation beim Ausbau der Bioenergie, wird der Weiterbetrieb von Anlagen, die Ende 2020 aus der EEG-Systematik ausscheiden, äußerst wichtig. Hier gilt es eine Lösung zu finden, die einen ungeordneten Rückbau von Kapazitäten vermeidet und eine Stabilisierung der Energiewende als Ganzes erreicht. Mit einer sinkenden Gesamtleistung Erneuerbarer Energien in den kommenden Jahren wären die Klimaschutzziele der Bundesregierung definitiv nicht mehr zu erreichen.

Deswegen zeigt der BEE in diesem Vorschlagspapier Maßnahmen auf, um die genannten drei Herausforderungen stringent anzugehen – die Senkung der EEG-Umlage, die Flexibilisierung des Stromsystems und die Stabilisierung der Markterlöse von EE-Anlagen. Die Maßnahmen können und sollten kurzfristig umgesetzt werden.

Die Vorschläge wurden gemeinsam von den Instituten IZES, enervis, Energy Brainpool und IKEM entwickelt und intensiv mit den Mitgliedsverbänden sowie Mitgliedsunternehmen des BEE diskutiert und ausgewählt. Ihre Umsetzung würde eine zeitnahe Entlastung schaffen und die Möglichkeit geben, eine geordnete Neujustierung des Strommarktdesigns für die erneuerbar getragene Energiewirtschaft gestalten zu können.

 

Handlungsoptionen

Die in diesem Papier behandelten Maßnahmen für die einzelnen Bereiche Finanzierung und Flexibilität zeigen, dass der Politik eine große Bandbreite an Möglichkeiten zur Verfügung steht, um kurzfristig den Verwerfungen im Strommarkt zu begegnen und sich den zeitlichen Raum für eine grundsätzliche Gestaltung eines neuen Marktdesigns in der Energiewende zu verschaffen.

Der BEE regt an diese Möglichkeiten zu ergreifen und schlägt daher vor:

Favorisierte zeitnahe Umsetzung im Bereich Finanzierung:

Ziel ist die durch Corona bedingten Verwerfungen bei der EEG-Umlage zeitnah zu glätten. Eine entsprechend schnelle Entlastung schafft die transparente Finanzierung der Industrieprivilegien oder anderer Umlagebestandteile aus dem Bundeshaushalt sowie die sofortige Senkung der Stromsteuer. Auch die Finanzierung von Umlage-Bestandteilen mit den Einnahmen aus einem CO2-Preis-Regime ist denkbar. Für eine langfristige Lösung ist allerdings der Umbau des Strommarktes hin zu einem neuen Strommarktdesign zwingend erforderlich.

Favorisierte zeitnahe Umsetzung im Bereich Flexibilisierung:

Der zentrale Baustein einer erneuerbaren Energieversorgung auf Basis von dargebotsabhängigen Erneuerbaren Energien ist die Schaffung von Flexibilitäten. Der BEE fordert hier stringent alle Möglichkeiten der Lastverschiebungen anzureizen. Damit lassen sich kurzfristig mehrere GW an benötigter Flexibilität aktivieren. Um neben dem Lastmanagement zusätzliche Flexibilitäten zu schaffen, schlagen wir vor, eine Befreiung von Stromnebenkosten bei Stromspeichern sofort umzusetzen. Als weiteren Baustein fordern wir die Dynamisierung der Stromnebenkosten. Da hier noch nicht alle Wirkungen abschätzbar sind, sollten Maßnahmen zur Erprobung mit Befristung und Monitoring versehen werden.

 

Die weiteren Inhaltselemente können Sie der Datei entnehmen:

 

 

Portraitbild von Dr. Matthias Stark
Ansprechpartner*in

Dr. Matthias Stark
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Leiter Fachbereich Erneuerbare Energiesysteme


E-Mail an Dr. Matthias Stark schreiben
0151 17123012


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