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Stellungnahme

Stellungnahme zum Kabinettsentwurf der Verordnung zur Umsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2021

20. Mai 2021

Einleitung

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Kabinettsentwurf der Verordnung zur Umsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2021 und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften. Folgend bewertet der BEE den vorliegenden Kabinettsentwurf und benennt den notwendigen Anpassungsbedarf. 

 

1. Förderung der Herstellung von Wasserstoff

Wasserstoff kann zum Erreichen der Klimaziele in den einzelnen Sektoren des Energiesystems einen wichtigen Beitrag leisten. Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ist jedoch kein Selbstzweck, sondern muss immer der Energiewende und der Erhöhung der Stabilität des Energiesystems dienen.

In diesem Zusammenhang soll zunächst eine grundsätzliche Kritik an der Möglichkeit erfolgen, eine EEG-Umlagebefreiung für Elektrolysestrom über den § 64a EEG sowie alternativ über den § 69b EEG beantragen zu können. Anschließend soll zu den im vorliegenden Verordnungsentwurf aufgestellten Anforderungen an Grünen Wasserstoff im Anwendungsbereich des § 69b EEG Position bezogen werden. 

Neben den unten getätigten Forderungen, die sich auf den Einsatz der Elektrolysetechnologie beziehen, macht der BEE darauf aufmerksam, dass der Gesetzgeber, insbesondere vor dem Hintergrund eines gewünschten schnellen Hochlaufs der heimischen grünen Wasserstoffwirtschaft, auch andere innovative, nachhaltige Wasserstofftechnologien fördern sollte. Dazu gehören beispielsweise modulare Dampfreformierungs- und Pyrolyseanlagen, die Klärschlamm, Bioabfälle oder die Gärprodukte von Biogasanlagen verwenden.

§ 64a Herstellung von Wasserstoff in stromkostenintensiven Unternehmen

Der vorliegende Verordnungsentwurf sieht zwei alternative Möglichkeiten zur EEG-Umlagebefreiung vor: Die Inanspruchnahme des § 69b EEG, der bei Erfüllung der in § 93 EEG festgelegten Kriterien eine Komplettbefreiung ermöglicht, sowie, alternativ, die Inanspruchnahme des § 64a EEG, der für eine Begrenzung der EEG-Umlage gem. Besonderer Ausgleichsregelung (BesAr) voraussetzt, dass bei den betreffenden Unternehmen die „elektrochemische Herstellung von Wasserstoff den größten Beitrag zur gesamten Wertschöpfung des Unternehmens leistet.“ Eine Festlegung von Anforderungen an die Herstellung von Wasserstoff im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung nach § 64a EEG 2021 erfolgt nicht. 

Die Festlegung von Kriterien nach § 93 EEG sowie das gleichzeitige Fehlen solcher Kriterien für die EEG-Umlagebegrenzung nach § 64 a EEG stellen erhebliche Wettbewerbsnachteile für die Herstellung von grünem Wasserstoff nach § 69b EEG dar. Darüber hinaus entstehen durch die privilegierten Stromverbräuche für Wertschöpfungsbereiche unabhängig von der Wasserstoffherstellung in § 64a EEG erhebliche unerwünschte Mitnahmeeffekte für anderweitige Geschäftsmodelle.

Aus Sicht des BEE werden die Besserstellung des § 64a EEG im Hinblick auf die notwendige Erfüllung bestimmter Kriterien sowie die genannten unerwünschten Mitnahmeeffekte dazu führen, dass in der Praxis der § 69 b EEG kaum zur Anwendung kommen und die EEG-Umlagereduzierung für Strombezug zur Wasserstoffherstellung  ausschließlich über §64a EEG erfolgen wird. Die Herstellung von Grauem Wasserstoff unter Anwendung des an keine Energiewende- oder Systemdienlichkeits-Kriterien geknüpften §64a EEG trägt demnach nicht zum Erreichen der Klimaschutzziele bei und steht den Vorgaben der Nationalen Wasserstoffstrategie bezüglich der zeitnahen Herstellung von Grünem Wasserstoff in Deutschland entgegen. 

Der BEE fordert deshalb, den § 64a EEG im Zuge des Erlassens der Anforderungen an Grünen Wasserstoff im Anwendungsbereich des § 69b EEG 2021 außer Kraft zu setzen. 

Nur so kann vermieden werden, dass durch eine parallel laufende Privilegierung sowohl nach §64a als auch nach § 69b doppelte Standards und unbeabsichtigte unternehmerische Anreize gesetzt werden, die den klimapolitischen Zielen und der Herstellung von Grünem Wasserstoff entgegenlaufen. Spätestens mit der europäischen Zertifizierung wird ein breiter Markt für Grünen Wasserstoff entstehen, auf dem deutsche Erzeuger keine Rolle spielen werden, wenn die Bundesregierung jetzt keine Investitionsanreize für die Herstellung von Grünem Wasserstoff setzt. 

Anforderungen an Grünen Wasserstoff im Anwendungsbereich des § 69b EEG

Im Folgenden soll zu den einzelnen, im vorliegenden Verordnungsentwurf aufgeführten Anforderungen an Grünen Wasserstoff im Anwendungsbereich des § 69b EEG 2021 Position bezogen werden. 

EE-Strombezug

Der BEE begrüßt, dass für die Herstellung des Wasserstoffs im Anwendungsbereich des § 69b EEG 2021 ausschließlich erzeugter Strom aus EE-Anlagen Sinn des § 3 Nummer 21 genutzt werden soll. 

Zu begrüßen ist auch, dass für die Erzeugung und den Verbrauch von Strom, der nicht durch ein Netz durchgeleitet wird, eine Zeitgleichheit bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall festgelegt wird.

Bei Strom, den ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen über ein Netz an den Betreiber eines Elektrolyseurs geliefert hat, fordert der vorliegende Verordnungsentwurf hingegen die Entwertung eines Herkunftsnachweises, der wiederum eine Angabe zur optionalen Kopplung nach § 16 Absatz 3 der Herkunfts- und  Regionalnachweis-Durchführungsverordnung enthalten muss. Unter der Voraussetzung, dass die Nutzung von gekoppelten Herkunftsnachweisen auch für diesen Stromtyp eine Zeitgleichheit bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall mit sich bringt, bewertet der BEE auch diese Anforderung positiv. Sichergestellt werden muss jedoch, dass gekoppelte Herkunftsnachweise praxistauglich sind und der einfachen Umsetzbarkeit nichts im Wege steht.

Zusätzlichkeit 

Der BEE befürwortet, dass die EEG-Umlagebefreiung im Rahmen des § 69b EEG 2021 sich ausschließlich auf EE-Strom bezieht, für den keine Zahlung nach dem EEG oder dem KWKG in Anspruch genommen wurde. 

Der BEE unterstützt den Ansatz, ausschließlich ungeförderte Strommengen zur Herstellung von Wasserstoff nutzen zu dürfen. Dabei ist die Möglichkeit, Strom aus Post-EEG-Anlagen zur Elektrolyse zu verwenden, sehr sinnvoll, um vorhandene EE-Stromerzeugungskapazitäten aus nichtrepoweringfähigen Anlagen zu nutzen. 

Von höchster Priorität ist jedoch, dass die Ausbauziele für die erneuerbare Stromerzeugung von der Bundesregierung im Rahmen des EEG angehoben werden und hierbei die zusätzliche Stromnachfrage durch Elektrolyseure berücksichtigt wird. Dies ist bisher nicht bzw. nicht in ausreichendem Maß der Fall. Hier sollte aus Sicht des BEE unbedingt nachgebessert werden, indem zum Beispiel die EE-Ausbaumenge jährlich um den Bedarf der im Vorjahr errichteten Elektrolyseanlagen erhöht wird. 

Systemdienliche Fahrweise

Der BEE begrüßt eine Begrenzung der Volllaststundenzahl. Bei einem zeitlich unbegrenzten Einsatz von Elektrolyseuren besteht die Gefahr, dass sich die Grundlast erhöht und sich somit die Laufzeiten konventioneller Kraftwerke vergrößern. Solche der Energiewende entgegenstehenden Effekte müssen unbedingt vermieden werden. 

Wichtig ist, dass die Elektrolyseure systemdienlich betrieben werden und als Flexibilitäten zur Verfügung stehen. Die Abbildung 1 trägt die Erzeugung fluktuierender EE (PV, Wind) über die einzelnen Zeitquantile des Jahres auf. Um bei niedriger Einspeisung fluktuierender EE den Verbrauch nicht zusätzlich zu erhöhen, sollten Elektrolyseure ausschließlich in Zeiten hoher und mittlerer Erzeugung fluktuierender EE betrieben werden dürfen. 

Der im vorliegenden Verordnungsentwurf genannte Begrenzungswert von 5.000 Volllaststunden reicht jedoch nicht aus, um einen system- und energiewendedienlichen Betrieb der Elektrolyseure zu gewährleisten. Vielmehr läuft man hiermit Gefahr, dass sich durch das Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft die Grundlast erhöht und die Laufzeiten konventioneller Kraftwerke vergrößern. 

Der BEE schlägt eine Begrenzung der Volllaststunden auf 3.000 Stunden im Jahr vor. Zusätzlich zu diesen Stunden dürfen Elektrolyseure während weiterer 1.500 Stunden im Jahr Systemdienstleistungen bereitstellen, so dass sich zusammen eine maximale Volllaststundenzahl von 4.500 / Jahr ergibt. Diese Größe entspricht zwischen 34% bis 50% der Jahresstunden und würde somit im unteren Drittel der mittleren Erzeugungsleistung fluktuierender EE (gelber Bereich in Abb. 1) liegen.

Räumliche Nähe 

Den aktuellen Ausschluss von Standortkriterien bei der Festlegung von Anforderungen an Grünen Wasserstoff im Anwendungsbereich des § 69b EEG 2021 kritisiert der BEE.

Die Kopplung an Standortkriterien ist für die Sicherstellung des netzdienlichen Betriebs von Elektrolyseuren zwingend erforderlich. Statt einer späteren Anpassung erst zum 31. Dezember 2023 sollten hier dringend bereits heute sinnvolle Kriterien ausgearbeitet in der Verordnung aufgenommen werden. Gerade vor dem Hintergrund des verzögerten Stromnetzausbaus wird der Verzicht auf räumliche Kriterien zum aktuellen Zeitpunkt dazu führen, dass Netzengpässe durch Elektrolyseure verstärkt werden und durch zunehmende Redispatch-Maßnahmen fossile Kraftwerke vermehrt zum Einsatz kommen. 

Entscheidend ist deshalb, dass Elektrolyseure an Standorten mit einem hohen Dargebot fluktuierender Erneuerbaren Energien als Flexibilität zur Verfügung stehen und zeitgleich ein zügiger Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur gewährleistet ist. 

Um einen netzdienlichen Standort des Elektrolyseurs sicherzustellen, sollten Karten oder PositivListen für netzdienliche Standorte von Netzbetreibern oder von der BNetzA zur Verfügung gestellt werden. Dies können Standorte mit hohen Anteilen fluktuierender erneuerbarer Energien oder häufigen EinsMan-Signalen sein. 

Übertragungsnetzbetreiber sollten darüber hinaus im Rahmen des Redispatch 2.0 eine Berechtigung zum vorrangigen Abregeln von Elektrolyseuren erhalten. Errichtet ein Betreiber seinen Elektrolyseur wider besseren Wissens an einem nicht netzdienlichen Standort, der nicht Teil der oben genannten Karten oder Positiv-Listen ist, könnten die im Zuge von Redispatch-Maßnahmen fälligen Entschädigungszahlungen ausgesetzt werden. Für Betreiber von Elektrolyseuren würde ein solcher Mechanismus einen starken Anreiz setzen, sich bei der Planung auf ausgewiesen netzdienliche Standorte zu begrenzen. 

Grünen Wasserstoff auch aus Speichern ermöglichen

Der bisherige Entwurf sieht vor, dass Wasserstoff nicht mehr als „grün“ gelten würde, wenn der zur Herstellung verwendete Strom zwischendurch in einem Speicher zwischengespeichert wurde, der selbst keine EEG-Anlage ist („Multi-Use Speicher“).  Wegen des Ausschließlichkeitsprinzips würde dieser grüne Strom nach Einspeicherung nicht mehr als grün gelten, sondern als grau („grün-zu-grau“). Das wäre eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von gespeichertem Strom. 

Der BEE schlägt deshalb vor, § 12i, Abs. 1 Ziffer 1 wie folgt abzuändern:

der nachweislich unmittelbar oder nach einer Energiespeicherung aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nummer 21 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes stammt“ 

Für detaillierte Ausführungen zur Rolle von Speichern sowie weiteren relevanten Aspekten im Kontext der Photovoltaik (Marktstammdatenregister, Agri-PV) verweisen wir auch auf die Stellungnahme des Bundesverband Solarwirtschaft (BSW).1

 

2. Anschlussförderung für kleine Gülleanlagen

Aus Sicht des BEE ist der vorliegende Verordnungsentwurf des BMWi zur Einführung einer Anschlussregelung für kleine Gülleanlagen gemäß § 88b Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2021) völlig unzureichend, um die gesetzgeberische Absicht hinter § 88b umzusetzen. Die Anschlussregelung des vorliegenden Kabinettsentwurfs: 

  • ermöglicht keinen wirtschaftlichen Weiterbetrieb von kleinen Gülleanlagen nach Ablauf ihres ersten EEG-Vergütungszeitraums,
  • schließt wichtige Teile von potenziellen Adressaten der Anschlussregelung aus und
  • setzt praktisch keine Anreize, dass Bestandsanlagen ihren Substratmix von der überwiegenden Nutzung nachwachsender Rohstoffe hin zur überwiegenden Nutzung von Gülle ändern.

Aus Sicht des BEE wird mit dem Kabinettsentwurf weder die gesetzgeberische Absicht hinter § 88b umgesetzt, noch ein Beitrag zur Umsetzung der im Klimaschutzprogramm 2030 beschlossenen Maßnahme geleistet, die Vergärung von Gülle in Biogasanlagen auszuweiten. Im Gegenteil konterkariert der Kabinettsentwurf dieses Ziel sogar, indem er die Stilllegung von Biogasanlagen zulässt und so riskiert, dass der Anteil der in Biogasanlagen vergorenen Gülle sogar sinkt. Angesichts der gerade nachgeschärften Klimaschutzziele ist dies nicht nachvollziehbar.

Der BEE sieht den wichtigsten Änderungsbedarf am Kabinettsentwurf daher unter folgenden Punkten: 

1. Die Vergütungssätze sollten deutlich angehoben werden, um einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb zu ermöglichen.

2. Die Anschlussregelung sollte auch für Biogasanlagen geöffnet werden, die bisher eine installierte Leistung von über 150 Kilowatt (kW) besaßen und ihre installierte Leistung erst für den Wechsel in die Anschlussregelung auf unter 150 kW reduzieren.

Für detaillierte Ausführungen zu diesen Punkten sowie weiteren relevanten Aspekten im Kontext der angestrebten Mobilisierung der Vergärung von Gülle und Mist in Biogasanlagen verweisen wir auch auf die Stellungnahme des Hauptstadtbüro Bioenergie. 

 

1 https://bsw.li/3hszLBK 

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