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Stellungnahme

Stellungnahme zum EnWG bezüglich einer gemeinsamen Gas- und Wasserstoffnetzplanung

23. Oktober 2023

Das Wichtigste in Kürze

  • Die deutsche Gasinfrastruktur muss zukünftig darauf ausgelegt sein, zu 100 % mit Erneuerbaren Gasen gespeist zu werden. Alle Maßnahmen zum langfristigen Umbau der Infrastruktur müssen sich an diesem Ziel daran messen lassen. Dies sollte im vorliegenden Entwurf klargestellt werden.
  • Die Bundesregierung sollte Festlegungen treffen, die vermeiden, dass die Netzentwicklungsplanung zu stark bedarfsorientiert ist und die sicherstellen, dass die Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele gewährleistet wird.
  • Um eine ausgewogene Ausrichtung der Netzentwicklungsplanung sicherzustellen, sollten alle Stakeholder inklusive Vertretern der für die Wasserstofferzeugung wichtigen EE-Anlagen- und Elektrolyseurs-Betreiber-Branchen sowie der Biogas- und Wasserstoffspeicherbranchen frühzeitig in die Netzentwicklungsprozesse eingebunden werden.
  • Alle interessierten Stakeholder sollten uneingeschränkten Zugang zur Datenbank erhalten, in der die zu errichtende Koordinierungsstelle die der Netzentwicklungsplanung zugrundeliegende Modellierung hinterlegt, und die Möglichkeit bekommen ihre Kritik an der Modellierung im Rahmen eines Konsultationsverfahrens zu äußern.

 

Vorbemerkung

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) unterstützt das Ansinnen der Bundesregierung, die Netzplanungsprozesse Gas, Wasserstoff und Strom zukünftig besser aufeinander abzustimmen. Bezüglich der Ausgestaltung der Prozesse im Bereich Netzentwicklungsplan (NEP) Gas und Wasserstoff sieht der BEE jedoch an verschiedenen Stellen Klarstellungs- und Änderungsbedarf.

Im Folgenden nimmt der BEE zum Inhalt des vorliegenden Referentenentwurfs einer Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bezüglich einer gemeinsamen Gas- und Wasserstoffnetzplanung wie folgt Stellung.

 

1. Eindeutige Definition der Zielstellung des Netzentwicklungsplans

Der BEE begrüßt, dass die Bundesregierung in Kapitel A. Problem und Ziel feststellt, dass die Absicht der vorliegenden Gesetzänderungsvorschläge das Voranbringen der Transformation Deutschlands hin zu einer dekarbonisierten Volkswirtschaft ist.

Allerdings sollte an dieser Stelle noch deutlicher gemacht werden, dass die deutsche Gasinfrastruktur zukünftig darauf ausgelegt sein muss, zu 100 % mit Erneuerbaren Gasen gespeist zu werden. Maßnahmen zum langfristigen Umbau der Infrastruktur müssen sich aus diesem Grund daran messen lassen, ob sie für den Transport, sowie die dezentrale Einspeisung und Speicherung von grünem Wasserstoff und anderen EE-Gasen benötigt werden.

In diesem Kontext sollten möglichst auch Biomethan und synthetisches Methan als erneuerbare gasförmige Energieträger konkret benannt werden, zu denen die Gasnetzbetreiber analog zum Wasserstoff auch Angaben zu den zukünftig erwarteten Einspeise- und Transportmengen machen sollten.

Der BEE bittet außerdem um eine fachlich korrekte Benennung des gemeinsamen NEP. Da es sich bei Wasserstoff auch um ein Gas handelt, sollte dieser von "Gas und Wasserstoff" in "Methan und Wasserstoff" umbenannt werden.

Des Weiteren ist Biomethan derzeit in Bezug auf die Einspeisung in das Gasnetz privilegiert. In Bezug auf Wasserstoff ist es unabdingbar, dessen Verhältnis zu Biomethan im Vorfeld zu regeln. Es ist also die Frage zu klären, in welchem Verhältnis (realisierte bzw. geplante) Biomethan- und Wasserstoffeinspeiseprojekte zueinanderstehen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die bereits vorhandene und genutzte Leitungsinfrastruktur. Eine mögliche Umwidmung von Erdgasleitungen auf den Wasserstofftransport muss der privilegierten Rolle von Biomethan als entscheidender Baustein hin zu einer sauberen, bezahlbaren und sicheren Energie gerecht werden.

 

2. Ausgewogene Ausrichtung der Netzentwicklungsplanung

Das BMWK legt in seinem Referentenentwurf fest, dass sich die Netzentwicklungsplanung an verschiedenen Vorgaben orientieren soll: Zum einen sollen die Bedarfe der einzelnen deutschen Regionen Berücksichtigung finden. Zum anderen sollen auch die klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, die Versorgungssicherheit sowie die Festlegungen der Systementwicklungsstrategie Eingang in die Planungsprozesse finden.

Der BEE begrüßt, dass die Planung „gleichermaßen szenario- und bedarfsbasiert“ sein soll, macht jedoch darauf aufmerksam, dass das Einhalten eines derartiges Gleichgewichts in der Praxis eine große Herausforderung darstellt. Dies ist insbesondere deshalb der Fall, weil die gemäß Entwurf alle zwei Jahre mit der Erarbeitung des Szenariorahmens und der Erstellung des Netzentwicklungsplans Gas und Wasserstoff betrauten Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) und regulierten Betreiber von Wasserstofftransportnetzen tendenziell eine bedarfsorientierte Sichtweise vertreten.

Die ausgewogene Ausrichtung der Netzentwicklungsplanung sollte durch eine gleichberechtige Betrachtung der verschiedenen Seiten sichergestellt werden. So ist es beispielsweise im Bereich Wasserstoff zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele notwendig, nicht vorrangig oder sogar ausschließlich die Bedarfe in den einzelnen Regionen zu betrachten. Wichtig ist auch die Sicherstellung einer netz- und systemdienlichen Ausgestaltung der Wasserstofferzeugung in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien (EE) vor Ort.

Der BEE verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme zum Planungsstand Wasserstoff-Kernnetz der Fernleitungsnetzbetreiber, in der er darauf hinweist, dass zur Sicher- stellung von Systemdienlichkeit und EE-Nutzung unbedingt geographische Kriterien bei der Wasserstoffproduktion aus Elektrolyse festgelegt werden müssen.1 Derartige geographische Kriterien haben jedoch zwangsläufig Einfluss auf die regionale Verteilung von Einspeisern in die Gasnetze und sollten deshalb bei den Planungsprozessen frühzeitig berücksichtigt werden.

 

3. Frühzeitige Einbeziehung aller Stakeholder in die Netzentwicklungsprozesse

Die oben angemahnte ausgewogene Ausrichtung der Netzentwicklungsplanung ist aus Sicht des BEE nur zu gewährleisten, wenn sichergestellt ist, dass alle Stakeholder frühzeitig in die Netzentwicklungsprozesse eingebunden werden. Zu diesen Stakeholdern gehören neben den FNB und den regulierten Betreibern von Wasserstofftransportnetzen unter anderem auch Vertreter der für die Wasserstofferzeugung wichtigen EE-Anlagen- und Elektrolyseurs-Betreiber-Branchen sowie der Biogas- und Wasserstoffspeicherbranchen.

Um diese frühzeitige Einbindung dieser und aller weiterer Stakeholder zu erreichen, gibt es die Möglichkeit, Vertreter der einzelnen Stakeholdergruppen neben den FNB und den regulierten Betreibern von Wasserstofftransportnetzen in die Koordinierungsstelle bzw. die (vorbehaltlich eines entsprechenden Beschlusses der Regulierungsbehörde) neu zu gründende juristische Person des Privatrechts zu berufen.

Sollte dies aus Sicht der Bundesregierung den Prozess der Erarbeitung des Szenariorahmens und der Erstellung des Netzentwicklungsplans Gas und Wasserstoff zu sehr verkomplizieren, ist dringend sicherzustellen, dass die von den FNB und den regulierten Betreibern von Wasserstofftransportnetzen vorzulegenden Dokumente mit ausreichender Frist und ohne endgültige Vorabfestlegungen allen Stakeholdern zur ergebnisoffenen Konsultation vorgelegt werden.

 

4. Ordentliche Berücksichtigung von Kritik an zugrundeliegenden Modellierungsprozessen

Gemäß vorliegendem Referentenentwurf erstellt und betreibt die zu errichtende Koordinierungsstelle eine Datenbank für Gas und Wasserstoff. Die Datenbank enthält die Netzmodelle, bestehend aus der Netztopologie und den angesetzten Kapazitäten, die von den Betreibern von Fernleitungsnetzen und den regulierten Betreibern von Wasserstofftransportnetzen bei der Erstellung des Netzentwicklungsplans Gas und Wasserstoff zugrunde zu legen sind.

Der BEE begrüßt die Pflicht der Koordinierungsstelle zur Zusammenstellung der Daten in einer zentralen Datenbank sowie die Vorschrift, nach der die Daten von der Koordinierungsstelle so aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen sind, dass ein fachkundiger Dritter den Netzentwicklungsplan Gas und Wasserstoff vollständig nachvollziehen kann.

Sehr kritisch sieht der BEE jedoch die Vorgabe, nach der nicht allen Stakeholder Einblick in die entsprechende Datenbank gewährt werden soll, sondern lediglich bestimmten (Betreiber von Gasverteilernetzen, von Wasserstoffnetzen, die kein Transportnetz darstellen, von sonstigen Leitungsinfrastrukturen, die auf Wasserstoff umgestellt werden können, und von Übertragungsnetzen mit Regelzonenverantwortung), sofern sie ein berechtigtes Interesse gegenüber der Koordinierungsstelle darlegen und bei Bedarf nachweisen. Der BEE fordert hier dringend die uneingeschränkte, bedingungslose und frühzeitige Offenlegung und Zurverfügungstellung der Datenbank und Netzmodellierung gegenüber allen interessierten Stakeholdern und die Möglichkeit zur Konsultation. Nur so kann sichergestellt werden, dass berechtigte Kritik frühzeitig geäußert werden kann und vermieden werden, dass die Koordinierungsstelle hinsichtlich der Netzplanung Fakten schafft, die zu einem späteren Zeitpunkt irreversibel sind.

Der BEE kritisiert außerdem, dass sich bei der Netzentwicklungsplanung die Berechnung der Bedarfe der einzelnen Sektoren, in denen Wasserstoff potenziell zum Einsatz kommen kann, nach den Vorgaben der Systementwicklungsstrategie richten soll, ohne dass es die Möglichkeit gibt, die hier angesetzten Bedarfe im Rahmen eines Konsultationsverfahrens zu diskutieren. Der BEE verweist in diesem Zusammenhang auf seine umfangeiche Kritik an den der Systementwicklungsstrategie zugrundliegenden Langfristszenarien.2

 

1 https://www.bee-ev.de/service/publikationen-medien/beitrag/kurzstellungnahme-planungsstand-wasserstoff-kernnetz-der-fernleitungsnetzbetreiber

2 https://www.bee-ev.de/service/publikationen-medien/beitrag/analyse-der-langfristszenarien-3-des-bmwk

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Florian Widdel
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Referent für Digitalisierung, Sektorenkopplung und Energienetze


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0151 17123009


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