Bei der Errichtung neuer Wohngebäude sind energiesparrechtliche Vorgaben der Energieeinsparverordnung [EnEV] einzuhalten. Hauptanforderungsgröße der EnEV ist der Primärenergiebedarf. Die wesentliche Nebenanforderung betrifft den baulichen Wärmeschutz – die EnEV spricht vom spezifischen, auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogenen Transmissionswärmeverlust. Die aktuell gültige EnEV trat 2014 in Kraft. 2016 wurden der zulässige Primärenergiebedarf um 25 % verringert, gleichzeitig wurden die Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz um durchschnittlich 20 % angehoben. Für Bestandsgebäude blieben die Anforderungen im Jahr 2016 praktisch weitestgehend unverändert. Neue Wohngebäude müssen neben der EnEV auch das Erneuerbare-Energien- Wärmegesetz [EEWärmeG] erfüllen, welches die Nutzung Erneuerbarer Energien oder die Einhaltung geeigneter Ersatzmaßnahmen fordert.
Verordnung und Gesetz führen in der Baurealität dazu, dass gegenüber einem nicht näher definierten Zustand ohne energetische Anforderungen zusätzliche Investitionen zur Erreichung der vorgegebenen Ziele getätigt werden müssen. Diesen höheren Anfangsinvestitionen stehen Energiekosteneinsparungen in der Nutzungsphase des Gebäudes gegenüber.
Das vorliegende Kurzgutachten beschäftigt sich mit der Frage, welche Auswirkungen die genannten energiesparrechtlichen Vorgaben auf die Baukosten haben und in welchem Maße sie für den Baukostenanstieg der letzten Jahre verantwortlich gemacht werden müssen. Für das Kurzgutachten werden im Wesentlichen verfügbare Quellen mit belastbaren Kostendaten ausgewertet. Da die EnEV nur vergleichsweise geringe Auswirkungen auf den Bestand hat und die Bestandsanforderungen 2016 praktisch unverändert blieben, beschränken sich die Auswertungen auf den Neubau.
Die Anteile der energiebedingten Mehrkosten an den Gesamtkostensteigerungen im Bau von 2000 bis 2014 bzw. 2016 sind als gering einzuschätzen. Die Baukostensenkungskommission ordnet mit Bezug auf die ARGE Kiel nur 6 %-Punkte von insgesamt 36 % Baupreissteigerung den Wirkungen der EnEV 2002 bis 2014 zu – 30 %-Punkte sind nicht energiebedingt.
Das FIW in München spricht von 12,5 % energiebedingten Anteilen an der Gesamtkostensteigerung zwischen dem Jahr 2000 und dem Anforderungsniveau EnEV 2016 – 87,5 % der Kostensteigerung sind nicht energiebedingt. Eine Umrechnung zeigt, dass die EnEV einschließlich Anhebung 2016 nur für etwa 3 % der Gestehungskosten eines Mehrfamilienhauses verantwortlich ist.
Die Anhebung der EnEV-Anforderungen zum 1. Januar 2016 führt nach Einschätzung der Baukostensenkungskommission in den Kostengruppen 300 (Bauwerk – Baukonstruktionen) und 400 (Bauwerk – technische Anlagen) zu Mehrkosten zwischen voraussichtlich 6 und 7 %.
Die Auswirkungen auf die Gesamtkosten eines Bauwerks (Kostengruppen 100 bis 700) sind deutlich geringer. Bei günstiger Wahl der baulichen und anlagentechnischen Komponenten lassen sich die Anforderungen mit deutlich geringeren Mehraufwendungen realisieren. Das aus volkwirtschaftlicher Sicht „kostenoptimale Niveau“ im Sinne der europäischen Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden wird von der Baukostensenkungskommission als im Wesentlichen erreicht angesehen.
Geht man von Baukosten der Kostengruppen 300 und 400 in Höhe von rd. 1.630 €/m² Wohnfläche aus, so bewegen sich die Mehrkosten der EnEV 2016-Anhebung für ein Einfamilienhaus in einer Größenordnung von ca. 2,2 bzw. 4,2 % und für ein Mehrfamilienhaus von 2,1 bzw. 3,3 % [InWis]. Wählt man eine kostenoptimierte Variante zur Erfüllung der Anforderungen, dann lassen sich diese Mehrkosten deutlich verringern.
Die Baupraxis zeigt, dass über die EnEV 2016 hinausgehende energetische Standards unkompliziert und mit marktüblichen Technologien problemlos erreichbar sind. Zum Teil werden dabei für hocheffiziente Gebäude geringere Kosten realisiert, als bei Einhaltung der EnEV-Mindestanforderungen. Offensichtlich lassen sich bei Wahl geeigneter baulicher und anlagentechnischer Konzepte und Nutzung der verfügbaren Fördermittel auch deutlich über die EnEV 2016 hinausgehende energetische Standards mit geringen oder sogar ohne spürbare Mehrkosten realisieren. Die KfW fördert mehr als die Hälfte des Wohnungsneubaus als KfW-Effizienzhaus. Trotz überschaubarer Förderanreize wird insbesondere das KfW- Effizienzhaus 55 vom Markt sehr gut angenommen. Negative Auswirkungen der energetischen Anforderungen auf das Neubauvolumen sind nicht zu verzeichnen. Es ist keinerlei Rückgang der Bautätigkeit festzustellen, den man auf höhere energetischen Anforderungen im Neubau zurückführen könnte.
Die Auswirkungen von EnEV und EEWärmeG auf den Gebäudebestand im Vergleich zum Neubau gering – eine Verschärfung der Anforderungen für den Bestand hat im Jahr 2016 praktisch nicht stattgefunden.
Aus wirtschaftlicher Sicht gibt es keine sachlich begründbare Veranlassung, dass im Jahr 2016 eingeführte Anforderungsniveau der Energieeinsparverordnung für neue Wohngebäude abzusenken.
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