Ein Positionspapier zur CO2-Bepreisung im Wärmesektor
18. Juni 2025
Die CO2-Bepreisung ist ein zentrales Instrument für den Klimaschutz, hat aber neben der ökologischen Lenkungswirkung auch positiven Einfluss auf das Investitionsgeschehen und die heimische Wertschöpfung und Resilienz. Um die spezifischen Ziele in den einzelnen Sektoren zu erreichen, sozialen Ausgleich zu schaffen und verlässliche Planung abzusichern, sind ergänzende politische Maßnahmen, Marktanreize und Förderprogramme notwendig. Dies gilt auch für den ETS 2 für den Wärme- und Verkehrssektor.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien stößt in Deutschland nach wie vor auf Markthemmnisse. Dies liegt unter anderem daran, dass die volkswirtschaftlichen Kosten klimaschädlicher fossiler Energieträger in den Preisen nicht ausreichend berücksichtigt („internalisiert“) werden. Ohne eine ausreichend hohe CO₂-Bepreisung sind fossile Energieträger in der Regel betriebswirtschaftlich günstiger. Dadurch entsteht ein marktwirtschaftlicher Fehlanreiz zu Lasten der Erneuerbaren Energien und der Klimaneutralität.
Ein CO₂-Preis, sei es durch eine Steuer, eine Abgabe oder ein Emissionshandelssystem, stellt ein wirksames marktwirtschaftliches Instrument dar, um diese Marktverzerrung zu beheben und um Anreize für den Ausbau Erneuerbarer Energien und für Investitionen in die Klimaneutralität zu schaffen. Daher ist es richtig, den CO₂-Preis sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene auch auf die bisher nicht in das ETS einbezogenen Sektoren auszuweiten. So werden für alle Marktteilnehmer gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen gewährleistet. Damit die CO₂-Bepreisung ihre Lenkungswirkung entfalten kann, muss der Preis pro Tonne entsprechend hoch ausfallen. So entstehen Investitionsanreize zugunsten klimafreundlicher Technologien, was sich wiederum positiv auf die regionale Wertschöpfung und die Resilienz auswirkt.
Ein Emissionshandelssystem mit einer fixen CO₂-Handelsmenge als wettbewerbliches System hat viele Vorteile gegenüber einer festzulegenden CO₂-Steuerung oder CO₂-Abgabe. Ein Nachteil ist jedoch, dass die Entwicklung des CO₂-Preises nicht vorhersehbar und somit nicht planbar ist. Dadurch werfen häufig vorausschauende Investitionen in Erneuerbare Energien und in klimafreundliche Technologien erschwert. Wer zu früh investiert, kann Schwierigkeiten bekommen, seine Investitionen zu refinanzieren.
Studien des Mercator-Instituts oder des Centre for Economic Policy Research zeigen, dass die unsichere CO₂-Preisentwicklung Kapitalgebende davon zurückhält, in EE- oder Energieeffizienzprojekte zu investieren. Eine Umfrage unter 113 deutschen Energie- und Industrieunternehmen zeigt ebenfalls, dass Klimaschutzinvestitionen einen ausreichend hohen (Mindest-) CO₂ -Preis erfordern. Es ist jedoch sehr unsicher, ob dieser ausreichend hohe Preis durch das bestehende Emissionshandelssystem erreicht werden kann und ob politisch Verantwortliche einen (plötzlich) steigenden CO₂-Preis, der dann die nötige Lenkungswirkung entfaltet, auch umsetzen.
Der EU-ETS II enthält bereits einen Preisstabilisierungsmechanismus, der den CO₂-Preis zunächst auf 45 Euro begrenzen soll. Reicht dieser Mechanismus nicht aus, um starke Preisschwankungen zu vermeiden, sind weitergehende Maßnahmen zu erwarten, die letztlich zu einer Überschreitung des CO₂-Emissionsbudgets führen dürften. Diese Unsicherheiten führen zu fehlenden Investitionen. Der BEE empfiehlt daher, das Instrument des CO₂-Preises im ETS sektorspezifisch um weitere politische Maßnahmen zu ergänzen. Im Wärmebereich gehören dazu insbesondere die Fortführung einer angemessenen finanziellen Förderung sowie Mindestanteile Erneuerbarer Energien für neu installierte Heizungen und Wärmenetze.
Die absehbare und aus Klimaschutzgründen gebotene Erhöhung des CO₂-Preises sollte durch einen finanziellen Ausgleich in Form eines Klimageldes begleitet werden. So lassen sich Preissteigerungen insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen abfedern und die soziale Akzeptanz steigern. Damit lässt sich auch sicherstellen, dass steigende CO2-Preise auch mit einem entsprechenden sozialen Ausgleich verbunden sind. Ohne begleitende Maßnahmen ist damit zu rechnen, dass bestimmte Haushalte sich das Heizen zwischenzeitlich nicht nur nicht mehr leisten können, sondern hierfür keine CO₂-Zertifikate mehr zur Verfügung stehen. Diese Situation gilt es unbedingt zu vermeiden.
Die CO₂-Bepreisung ist ein wichtiges Instrument für effizienten und effektiven Klimaschutz, das durch Preissignale marktwirtschaftliche Effizienz und Emissionsreduktionen verbinden kann. Märkte sind jedoch unvollkommen und auch strukturelle sowie soziale Barrieren und Verwerfungen müssen adressiert werden. Eine Reaktion auf die CO2-Preisentwicklung ist aufgrund von Lock-in-Effekten bei langfristigen Investitionsgütern wie Heizungen und Fahrzeugen oft kurzfristig nicht möglich. Der Umstieg auf Klimaschutztechnologien erfordert in vielen Fällen erhebliche Investitionen in die Infrastruktur. Eine CO2-Bepreisung setzt zwar wichtige Nachfrageanreize, reicht jedoch allein nicht aus, um die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur, wie beispielsweise den Ausbau der Strom- und Wärmenetze und die ausreichende Installation erneuerbarer Speicherpotenziale, zu gewährleisten.
Eine weitere Herausforderung auf dem Weg zur Emissionsreduktion ist der Mangel an marktreifen und kostengünstigen Technologien in bestimmten Sektoren, wie etwa der Stahl- oder Zementindustrie. Hier bestehen nach wie vor hohe Investitionskosten und technologische Barrieren. Ein hoher CO₂-Preis kann als Katalysator wirken, um die Wirtschaftlichkeit alternativer Technologien zu steigern, jedoch ist auch hier eine gezielte Förderung notwendig, um diese Technologien schnell marktfähig zu machen. Die bisherigen CO₂-Preise setzen hierfür noch keine ausreichenden Anreize. Um die langfristige Wirtschaftlichkeit für Verbraucher*innen und Industrie transparent zu machen und zukünftige Mehrbelastungen durch kurzfristige CO₂-Preissteigerungen zu verhindern, ist eine verstärkte Kommunikation der zu erwartenden Entwicklungen der CO₂-Bepreisung notwendig. Der BEE empfiehlt daher, auf breiter, europäischer, wissenschaftlicher Basis einen langfristigen CO₂-Preispfad abzuschätzen, wenn die europäische Wirtschaft auf den Emissionspfad gemäß Pariser Klimaschutzabkommen geführt wird. Diese Analyse sollte jährlich aktualisiert werden, um technologische und wirtschaftliche Veränderungen abzubilden. Der zu erwartende CO₂-Preispfad kann und sollte von Banken, Unternehmen und der Politik als Grundlage für Entscheidungen herangezogen werden.
Der BEE hat die Debatte um den CO₂-Preis auf nationaler und europäischer Ebene frühzeitig als Schlüsselthema für eine erfolgreiche Klima- und Energiepolitik unterstützt. Der Verband befürwortet die Einführung des ETS II als einen klimapolitischen Fortschritt auf EU-Ebene.
Im Wärmesektor wird die CO₂-Bepreisung eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen spielen. Allerdings wird sie allein voraussichtlich nicht ausreichen, um die erforderlichen Investitionen in Klimaschutztechnologien im notwendigen Umfang anzustoßen. Der CO₂-Preis setzt derzeit noch nicht die erforderlichen Marktanreize, damit sich Haushalte und Unternehmen für den Umstieg auf eine CO₂-ärmere Wärmetechnologie entscheiden. Insbesondere bei langlebigen Investitionsgütern wie Heizungen kann dies zu langanhaltenden Lock-in-Effekten führen. Ergänzende Maßnahmen könnten helfen, diese Hemmnisse gezielt zu adressieren und den Markthochlauf zu beschleunigen.
Um einen solchen Lock-in-Effekt zu vermeiden, müssen neben der Bepreisung von CO₂ daher auch ordnungsrechtliche Vorgaben gelten, insbesondere zum Einsatz Erneuerbarer Energien und/oder zur Steigerung der Energieeffizienz, wie sie im Gebäudeenergiegesetz (GEG) oder im Wärmeplanungsgesetz (WPG) festgelegt sind. Zudem müssen gezielte finanzielle Fördermaßnahmen wie Investitionszuschüsse und kurzfristige steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten gewährt werden. So wird der Übergang zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung beschleunigt, sozialverträglich gestaltet und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft erhalten. Ordnungsrecht und finanzielle Förderung, beispielsweise in Form von Investitions- oder Betriebskostenzuschüssen für EE-Wärmetechnologien, sind so lange erforderlich, bis nachweislich Vertrauen in eine hinreichende CO₂-Bepreisung und hinreichende Investitionsimpulse für Unternehmen und Privatverbraucher*innen hergestellt ist.
Der CO₂-Preis wird für eine relative Kostensenkung der Erneuerbaren Energien im Vergleich zu fossilen Alternativen sorgen, was einen großen Einfluss auf die Entscheidungen von Investoren haben dürfte. Somit werden immer mehr neue Infrastrukturvorhaben und einzelne Heizungstausche auf Basis von EE erfolgen und mit steigendem Preis auch bestehende Netze und Anlagen umgerüstet. Allerdings stellt das Instrument der CO₂-Bepreisung nicht sicher, dass die einzelnen Vorgaben die örtlichen Gegebenheiten und Synergieeffekte mit dem Stromsystem effizient nutzen. Hierzu braucht es weiterhin die Wärmeplanungsgesetze des Bundes und der Länder. Ordnungsrechte wie das Wärmeplanungsgesetz und das Gebäudeenergiegesetz stellen zusätzlich sicher, dass die Umstellung auf Erneuerbare Wärme in dem von der Regierung angestrebten Tempo erfolgt.
Technologien der steuerbaren erneuerbaren Wärmeerzeugung mit holzartiger Biomasse, Biogas, Biomethan, Wasserkraft, Geothermie und Solarthermie sind mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert, die über einen CO₂-Preis hinausgehen. Dazu gehören beispielsweise hohe Anfangsinvestitionen in neue Heizungstechnik, kostenintensive Anforderungen an den begleitenden Infrastrukturausbau, etwa in Form von Wärmenetzen und Wärmespeichern, sowie Wertschöpfungsketten für die Produktion von Bioenergieträgern. Um ihr Potenzial nutzen zu können und ihre technologische Entwicklung und Integration in das Energiesystem rechtzeitig zu ermöglichen, bedarf es zusätzlicher politischer Maßnahmen. Werden diese Investitionen erst ausgelöst, wenn sie eigentlich schon verfügbar sein müssten, ist mit einem jahrelangen Verzug zu rechnen, der dann innerhalb des ETS vorübergehend durch eine übermäßige Reduzierung an anderer Stelle kompensiert werden muss. Das gilt es zu vermeiden.
Insbesondere für Investitionen in klimafreundliche Wärmetechnologien und die Senkung des Wärmebedarfs von Gebäuden bedarf es in jedem Fall einer zusätzlichen, sozial ausgleichenden Förderung. Andernfalls würden Haushalte, die sich diese Investitionen nicht leisten können, mit den höheren laufenden Kosten ihrer fossilen Heizung allein gelassen.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu erhalten, müssen die hohen Investitionskosten der Transformation durch Zuschüsse und steuerliche Abschreibungen abgefedert werden. Die alleinige Belastung europäischer Produkte mit einem CO₂ -Preis kann zu Wettbewerbsnachteilen und zum Bezug von stärker CO₂ belasteten Produkten aus dem Ausland führen. Das europäische CO₂ -Grenzausgleichssystem (CBAM) berücksichtigt diesen Effekt. In diesem Kontext sollten pauschale Freibeträge für Firmen auf den Prüfstand gestellt werden. Für energieintensive Produkte (z. B. Stahl, Zement, Glas) sollten pauschalierte Rückerstattungen erfolgen, um auch für den Export weiterhin Anreize für eine energie- und CO₂ -effiziente Produktion zu setzen.
Daher kann ein primär auf CO₂-Bepreisung ausgerichteter Instrumentenmix zwar Impulse für Investitionen geben, eine gezielte Unterstützung durch weitere politische Maßnahmen wird jedoch auf absehbare Zeit weiterhin notwendig bleiben. Diese begleitenden Maßnahmen sollten nur schrittweise entfallen, wenn sich gezeigt hat, dass die CO₂-Bepreisung greift („Phasing-Out“). Nur dann kann eine stabile, gerechte und effektive Wärmewende erreicht werden.