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Wald mit See, auf dem der Begriff CO2 abgebildet ist
Positionspapier

Potenziale von Carbon Management im Energieystem

6. August 2025

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Die Energiewende basiert auf drei Säulen:

  • dem Ausbau Erneuerbarer Energien,
  • der Defossilisierung der Sektoren und
  • der Steigerung der Energieeffizienz.

In bestimmten Anwendungen können sogenannte unvermeidbare Restemissionen verbleiben. Hier können Technologien zur Abscheidung und Speicherung oder Nutzung von nicht-biogenem CO2 (CC(U)S) einen ergänzenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Klare regulatorische Rahmenbedingungen und eine Begrenzung auf industrielle Anwendungen mit unvermeidbaren Restemissionen und die Bioenergie sind entscheidend, um das volle Potenzial dieser Technologien für das gesamte Energie- und Wirtschaftssystem zu erschließen.

Ein erhebliches Potenzial liegt in der Abscheidung und Speicherung von CO2 aus Bioenergieanlagen (BECCS), die zur Wärme- und Stromerzeugung oder zur Kraftstoffherstellung genutzt werden. Dazu zählen unter anderem Bioethanolanlagen, Biogasanlagen, Holzheizkraftwerke sowie Biomasse-Pyrolyseanlagen mit Kohlenstoffspeicherung in Form von Pflanzenkohle (Biochar Carbon Removal, BCR). BECCS-Technologien könnten bis 2050 bis zu 60 % der erwarteten Restemissionen kompensieren. Eine gesetzliche Priorisierung und gezielte Förderung dieser Technologien sind daher unerlässlich.

Die Entwicklung von CO2-Transport- und Speicherkapazitäten ist derzeit noch mit erheblichen Unsicherheiten bezüglich der voraussichtlich hohen Investitions- und Betriebskosten verbunden. Für viele der diskutierten CCS-Anwendungsfälle gibt es bereits kostengünstigere und schneller verfügbare Alternativen. Der BEE spricht sich daher dafür aus, die begrenzten Transport- und Speicherkapazitäten primär für die unvermeidbaren industriellen Emissionen und für Negativemissionen aus BECCS-Anwendungen zu reservieren. Eine solche klare Priorisierung gewährleistet, dass CCS- und CCU-Technologien dort eingesetzt werden, wo sie mittel- und langfristig die höchste Kosteneffizienz bei gleichzeitig größtmöglichem Beitrag zur Klimaneutralität erzielen.

1EINLEITUNG UND BEGRIFFSDEFINITIONEN

Im Rahmen der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2045 in Deutschland Klimaneutralität zu erreichen. Im Entwurf der Carbon-Management-Strategie1 vom Herbst 2024 wurden dafür notwendige, prioritäre Klimaschutzmaßnahmen benannt:

  • der Ausbau der Erneuerbaren Energien,
  • die Steigerung der Energieeffizienz,
  • der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft,
  • die Neuausrichtung des Wertschöpfungsmodells im Sinne einer Kreislaufführung von Produkten, Materialien und Rohstoffen.

Die in der Strategie genannten Maßnahmen können durch verschiedene Carbon-Management-Technologien unterstützt werden, mit dem Ziel ab 2045 sogar Netto-Negativemissionen zu erreichen. Unter Carbon Management versteht man ein System, das sowohl technische als auch natürliche Methoden der CO2-Entnahme enthält. Das entnommene CO2 wird langfristig unterirdisch oder in Produkten gespeichert oder im Sinne der Kreislaufwirtschaft in Prozessen weitergenutzt.

Carbon-Management umfasst alle Maßnahmen zur Abscheidung, Entnahme, Speicherung, Nutzung und Transport von CO2. Darunter zählen vor allem Verfahren wie Carbon Capture and Storage (CCS), was die Abscheidung von CO2 und dessen langfristige Speicherung beschreibt, und Carbon Capture and Utilization (CCU), das heißt die Abscheidung von CO2 und dessen anschließende Nutzung. Diese Verfahren können dazu beitragen, die erwarteten unvermeidbaren, prozessbedingten Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dazu zählen beispielsweise die Zement- und Kalkproduktion oder die thermische Abfallbehandlung.

Die Technologien hinter CCS und CCU ermöglichen nicht nur das Abscheiden von CO2 während industrieller Prozesse, sondern auch die großskalige direkte Reduktion der CO2-Konzentration in der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR). Dies kann durch Maßnahmen wie Direct Air Capture and Storage/Utilization (DACCS/DACCU), in Form von großen Luftansauganlagen oder in Kombination mit der Nutzung von Bioenergie (Bioenergy with Carbon Capture and Storage/Utilization, BECCS/BECCU) erfolgen.

Wird CCS bei den CO2-Emissionen aus der Verarbeitung von Biomasse angewendet (z. B. am Rauchgas von Holzheizkraftwerken, Biogasaufbereitungsanlagen oder Bioethanolanlagen), ergeben sich „Negativemissionen“. Das liegt daran, dass das CO2 in der Biomasse vorab durch Photosynthese der Atmosphäre entzogen wurde und somit Bestandteil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs ist.

Die Erzeugung von Negativemissionen durch BECCS gleicht die Treibhausgasemissionen an anderer Stelle aus, sodass in der Summe Klimaneutralität erreicht werden kann. So können selbst unvermeidbare Emissionen bilanziell ausgeglichen werden, die sich nicht für CCS-Anwendungen eignen (z. B. diffuse Lachgas- oder Methanemissionen aus der Landwirtschaft). Zu den Negativemissionstechnologien auf Basis von Biomasse zählt auch die Wärme- und Stromerzeugung aus Pyrolyse-Anlagen, die gleichzeitig Pflanzenkohle produzieren. Unter dem Begriff „Biochar Carbon Removal“ (BCR) fällt die Nutzung von Pflanzenkohle und ihre Einbringung in eine geeignete Speichermatrix (v. a. Böden, Beton, Asphalt), wodurch sichergestellt wird, dass dieser Kohlenstoff der Atmosphäre langfristig entzogen bleibt.

2POTENZIALE VON BIOENERGIE UND CC(U)S

Ein Energiesystem, das zu 100 % auf Erneuerbaren Energien basiert, verursacht keine fossilen Treibhausgasemissionen. Über die Energieversorgung hinaus gibt es jedoch Sektoren, in denen absehbar kaum Möglichkeiten bestehen, die Emissionen auf null zu senken. Gründe dafür können beispielsweise stofflich anfallende Emissionen während chemischer Prozesse (prozessbedingte Emissionen) oder das Fehlen wirtschaftlicher Optionen zur Emissionsvermeidung sein. Je nach Studie beläuft sich die Höhe der als unvermeidbar angesehenen Restemissionen auf 49 bis 74 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2eq) pro Jahr. Diese würden vor allem in der Zement- und Kalkindustrie oder in Müllverbrennungsanlagen entstehen.

Die BECCS-Technologie kann einen substanziellen Beitrag dazu leisten, diese unvermeidbaren Restemissionen auszugleichen und sogar Negativemissionen zu ermöglichen. Bei der Nutzung von BECCS werden biogene CO2-Emissionen aus der Biomassenutzung abgeschieden und langfristig gespeichert. Aus technischer und wirtschaftlicher Sicht eignen sich dafür insbesondere Holzheizkraftwerke, Biogasaufbereitungsanlagen, Pyrolyseanlagen und Bioethanolanlagen. Da die Biomasse während des Pflanzenwachstums CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt, können durch BECCS erhebliche Mengen CO2 aus dem Kohlenstoffkreislauf entnommen werden. Eine Kurzstudie im Auftrag des Bundesverbands Bioenergie e.V. (BBE) beziffert das CO2-Abscheidepotenzial von BECCS allein mit dem heutigen Biomasse-Anlagenpark (ohne Pflanzenkohleherstellung aus Pyrolyse) auf über 13 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Geht man von einem, der Energiewende förderlichen, Biomasse-Anlagen-Zubau aus, steigt das Potenzial auf über 30 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. So könnte BECCS in Deutschland theoretisch bis zu 60 % der erwarteten unvermeidbaren Restemissionen ausgleichen.

Über ihren Beitrag zum Ausgleich der Restemissionen hinaus kann Biomasse substanzielle Netto-Negativ-Emissionen ermöglichen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Speichermöglichkeiten für das abgeschiedene CO2 aus der Biomassenutzung vorzusehen. Vor dem Hintergrund der womöglich begrenzten CO2-Speicherpotenziale in Deutschland und vor dessen Küsten gilt es, Prioritäten bei der CCS-Nutzung zu setzen. Die BECCS-Anwendungen sollten hier entsprechend ihres hohen Beitrags für ein klimaneutrales Deutschland prioritär behandelt werden.

Über die Potenziale der CO2-Abscheidung hinaus bietet die Biomassenutzung mit BECCU-Technologien die Möglichkeit, langfristig zum stofflichen CO2-Bedarf der Industrie beizutragen. Auch in einer fossilfreien Zukunft wird in zahlreichen chemischen und industriellen Prozessen weiterhin CO2 benötigt. Laut Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung (2024) soll dieser stoffliche Bedarf durch CO2-Abscheidung bei der Nutzung von Biomasse (BECCU) gedeckt werden. Der BEE begrüßt dieses Vorhaben.

Neben ihrem Beitrag zur Defossilisierung der Sektoren Strom, Wärme und Kraftstoffe sowie ihren Umweltleistungen ergibt sich für die Bioenergie folglich eine weitere, neue Rolle: Neben der Energiebereitstellung, rechtfertigt sich ihr Erhalt und Ausbau auch aus ihrer möglichen Schlüsselrolle bei der Bereitstellung von Negativemissionen.

BEE-Empfehlung:

BECCS und BECCU sollten in die Definition von „No-Regret-Anwendungen“ einbezogen werden, da sie enorme Potenziale zum Ausgleich der Restemissionen und für Netto-Negativemissionen bieten. Die Umsetzung dieser Technologien sollte durch gesetzliche Priorisierung und Förderung ermöglicht werden. Eine Neubewertung der Rolle der Bioenergie insgesamt ist geboten.

3EINSATZ VON CC(U)S IN DER FOSSILEN ENERGIEERZEUGUNG

Im Jahr 2024 beliefen sich die Treibhausgasemissionen in Deutschland auf 649 Millionen Tonnen CO2.2 Die Energiewirtschaft trug mit 185 Millionen Tonnen noch den größten Anteil bei. Effektive Emissionsreduktion wird durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie mehr Energieeffizienz sichergestellt.

Die Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz eines Erneuerbaren Stromsystems wird durch eine Vielzahl nachhaltiger Backup-Lösungen sichergestellt. Diese können die nachfolgenden Optionen umfassen:

  • steuerbare Bioenergie,
  • Wasserkraft und Geothermie,
  • Speicher,
  • Erneuerbare KWK-Anlagen,
  • Elektrolyseure und gezielte Wasserstoff-Rückverstromung sowie
  • ein intelligentes Nachfrage-Management.

Fossile Kraftwerke, deren Emissionen durch CCS-Technologien reduziert werden, sind aus Sicht des BEE keine sinnvolle Back-up-Lösung für unser Stromsystem. Dies hat mehrere ökonomische, technische und politische Gründe:

  • Die Errichtung von CCS-Anlagen an Gaskraftwerken ist sehr teuer. Die Investitionskosten für die CCS-Anlage sind nahezu genauso hoch wie für das Kraftwerk selbst. Um diese Investition zu amortisieren, müsste das CCS-Gaskraftwerk sehr oft und sehr lange laufen. Genau dies steht jedoch im Widerspruch zu einem Stromsystem, das auf Erneuerbaren Energien basiert und überwiegend kurzfristige Back-up-Kapazitäten benötigt.
  • Die Betriebskosten von Erdgaskraftwerken (OPEX) können abhängig von Wirkungsgrad, Erdgas- und CO2-Preisen in 2030 zwischen 7-28 ct/kWh liegen. Werden zu den OPEX-Kosten von Erdgaskraftwerken noch die Levelized Cost of Energy (LCOE) für CCS (Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2) hinzugerechnet, können die Kosten erheblich steigen.3
  • Während das Kraftwerk auch kurzfristig für die Stromerzeugung genutzt werden kann, sind die CCS-Anlagen für den Dauerbetrieb ausgelegt. Sie können nicht flexibel und bedarfsorientiert verwendet werden. Ein Einsatz für nur wenige Betriebsstunden am Tag ist mit solchen Anlagen nicht möglich.
  • CCS-Anlagen erhöhen den Gasverbrauch eines Kraftwerks um 7-8 %. Dadurch liegen die Betriebskosten des Kraftwerks höher und auch die Vorkettenemissionen des eingesetzten Erdgases steigen insgesamt.

BEE-Empfehlung:

CCS-Anlagen an fossilen Kraftwerken bieten keine geeignete Back-up-Lösung aufgrund hoher Investitionskosten und der daraus resultierenden Notwendigkeit eines intensiven und langen Betriebs. Hinzu kommen technische Schwierigkeiten bei der schnellen An- und Abschaltung. Es gibt günstigere, praktikablere und zukunftsfähigere Alternativen. Ein resilientes und kosteneffizientes Energiesystem auf Basis von 100 % Erneuerbarer Energien, Speichern und Sektorenkopplung ist möglich.


1 z. B. in Beton, bei der Carbonatisierung von Aschen etc.

2 UBA 2025: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11867/dokumente/emissionsdaten_2024_-_pressehintergrundinformationen.pdf

3 Eigene Berechnungen mit dem EWI-Grenzkosten-Tool

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Philip Matthiessen

Philip Matthiessen
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Referent Politik


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