Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
die aktuelle Pandemie und die heraufziehende Weltwirtschaftskrise stellt die Politik vor immense Her- ausforderungen. Die negativen Auswirkungen der Krise sind global zu spüren, wenn auch in unter- schiedlicher Intensität. Auch zwischen den Staaten der Europäischen Union unterscheiden sich die Herausforderungen enorm. Ein Ausweg aus der Krise muss ein gesamteuropäischer sein, das ist das Fundament der Idee einer europäischen Einigung. Gemeinsam mit den europäischen Staats- und Re- gierungschefs verhandeln Sie in wenigen Tagen, wie die Wirtschaft überall in der EU mithilfe eines Wiederaufbauprogramms und eines angepassten Mehrjährigen Finanzrahmens wieder angekurbelt werden kann. Zudem muss die EU als Teil ihrer Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen und gegenüber künftigen Generationen ihr 2030-Klimaziel noch dieses Jahr deutlich ambitionierter gestal- ten. Als Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften, Unternehmen, Umwelt- und Klimaorgani- sationen möchten wir Sie mit Blick auf diese schwierigen und wichtigen Verhandlungen bitten, die Prinzipien der Zukunftsfähigkeit und der Solidarität zur Leitschnur Ihrer Positionierung zu machen.
Mit dem Europäischen Green Deal steht bereits das Fundament einer grünen Investitionsoffensive. Die EU und ihre Mitgliedstaaten stehen vor der Herausforderung nach der Corona-Krise die Wirtschaft mit Konjunkturprogrammen anzukurbeln. Zugleich wird der Klimawandel neben der Digitalisierung, Globalisierung und Automatisierung mit zunehmender Geschwindigkeit den strukturellen Wandel in Europa treiben und könnte zu einer Verschärfung der bereits bestehenden Einkommens- und Vermö- gensunterschiede führen. Im Rahmen des Europäischen Green Deal brauchen wir deshalb eine groß angelegte Strategie für öffentliche Investitionen in klimafreundliche Infrastrukturen und innovative Technologien, in Energieeffizienz, erneuerbare Energien, den Ausbau des (grenzüberschreitenden) Zugverkehrs und neue klimaschonende Mobilitätsformen, die im Einklang mit einer deutlich ambiti- onierteren europäischen Klimapolitik steht. Gleichzeitig ist ein geeigneter Rahmen notwendig, damit private Investitionen ebenfalls den Zielen der sozial-ökologischen Transformation folgen. Dadurch ent- stehen Arbeitsplätze, der Umstieg auf klimafreundliche Alternativen wird ermöglicht und ein Fort- schritt bei den Klimazielen erreicht. Dabei gilt es, verlässliche Perspektiven und tragfähige Konzepte für alle betroffenen Regionen, Branchen und Beschäftigte zu schaffen.
Damit diese Investitionsoffensive gelingen kann, braucht es klare, verbindliche Vergabekriterien in dem Wiederaufbauinstrument, die sicherstellen, dass die Investitionen in die sozial-ökologische Transformation fließen – reine Soll-Bestimmungen sind unzureichend. Die verbindliche Anwendung der EU-Taxonomie zur Bewertung der Klimarelevanz von Finanzinvestitionen ist hier eine gute Grund- lage, die jedoch schnell um eine soziale Taxonomie erweitert werden muss.
Die europäische Einigung ist eine Schicksalsfrage für Deutschland. Einige Mitgliedstaaten sind aktuell unverschuldet in einer deutlich existenzielleren Situation als andere. Deshalb gilt es nun, das Grund- prinzip europäischer Solidarität in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen. Wir begrüßen, dass Sie für eine Aufstockung des Budgets über Anleihen der EU-Kommission eintreten. Zentral ist für uns darüber hinaus, dass Gelder an besonders betroffene Regionen und Mitgliedstaaten vollständig als Zuschüsse vergeben werden.
Nur wenn die EU-Gelder solidarisch und anhand von Paris-kompatiblen Kriterien vergeben werden, kann die Chance genutzt werden, die europäische Wirtschaft krisenfest, zukunftsfähig und mit einem Modernisierungsschub versehen aus der Krise zu führen. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, bitte nutzen Sie das große Gewicht, das Deutschland als größte Volkswirtschaft und angehende Ratspräsi- dentschaft in den Verhandlungen hat, verantwortungsbewusst im Sinne der Zukunft der EU.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Simone Peter (Präsidentin, BEE)
Stefan Körzell (Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes, DGB)
Prof. Dr. Kai Niebert (Präsident, DNR)
Christian Noll (Geschäftsführender Vorstand, DENEFF)
Dr. Christiane Averbeck (Geschäftsführerin, Klima-Allianz Deutschland)
Gefährdungen des europäischen Energiesystems proaktiv begegnen.
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