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Studie

Ergebnispapier der Arbeit der Stakeholder-Plattform Strommarktdesign

30. November 2022

Vorwort

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

im Juli 2022 kamen erstmals Vertreterinnen und Vertreter von mehr als einem Dutzend Verbänden, Unternehmen, Think Tanks und Gewerkschaften zusammen, um gemeinsam über die Herausforderungen und Chancen zu diskutieren, die in Zusammenhang mit einer Weiterentwicklung des Strommarktdesigns stehen. Was haben wir in der Energiekrise über den Strommarkt gelernt? Und wie kann dieser weiterentwickelt werden, damit er optimal die Erreichung der Klimaschutzziele unterstützt und gleichzeitig für Versorgungssicherheit sorgt? Hierüber haben wir uns in der Stakeholder-Plattform Strommarktdesign gemeinsam mit unseren Partnern ausgetauscht und konkrete Impulse
und Leitplanken formuliert.

Die Ergebnisse zeigen:

1. Verfügbarkeiten, also bedarfsgerecht Strom liefernde oder verbrauchende klimaneutrale Anlagen, werden zunehmend zur kommenden „Leitwährung“ im Strommarkt und in der Energiewende.

2. Es braucht Ergänzungen zum heutigen Strommarktdesign, insbesondere um die Finanzierung von dargebotsabhängigen und steuerbaren Erzeugungsanlagen sicherzustellen und somit Anreize für entsprechende Investitionen zu setzen.

Wir hoffen, dass die in diesem Ergebnispapier enthaltenen Impulse für die Diskussion über die Weiterentwicklung des Strommarkts in den kommenden Monaten hilfreich sein werden – insbesondere im Rahmen der geplanten Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ des BMWK sowie auch auf europäischer Ebene. Wir danken allen Partnern der Stakeholder-Plattform sehr herzlich für ihr großes Engagement und ihre offene, konstruktive und vorwärts gerichtete Art der Diskussion. Insbesondere gilt unser Dank den Mitgliedern des Redaktionsteams für ihren wertvollen Input und für die Strukturierung des Dialogs. Unser besonderer Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen von Siemens Energy, MAN Energy Solutions, Nordex Energy und Vestas, die sich aktiv in die Diskussionen in den Jours Fixes und in die Arbeit des Redaktionsteams eingebracht haben. Ebensoherzlich möchten wir den Vertreterinnen und Vertretern von Agora Energiewende, EPICO KlimaInnovation, des vzbv und der IG Metall für
ihre engagierte und wertvolle Mitarbeit und die von ihnen eingebrachten Impulse im Rahmen der Jours Fixes der Stakeholder-Plattform Strommarktdesign danken.
Wir wünschen Ihnen als Leserin und Leser eine erkenntnisreiche Lektüre und stehen sehr gerne für den weiteren Dialog mit Ihnen über die Inhalte des Papiers bereit.

Dr. Dennis Rendschmidt (Geschäftsführer VDMA Power Systems)

Management Summary

Die aktuelle Energiepreiskrise hat dazu geführt, dass der Strommarkt in den vergangenen Wochen intensiv in den öffentlichen Fokus gerückt ist. Nun erfolgen kurzfristig vorübergehende Interventionen in den Strommarkt auf europäischer und nationaler Ebene, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen abzufedern. Die aktuellen Diskussionen um die Krisenfolgen und die Eingriffe in den Strommarkt machen zugleich aber umso deutlicher, dass zügiger und dringlicher denn je eine Debatte über die grundsätzliche Weiterentwicklung des Strommarktdesigns insgesamt angestoßen werden muss. Das gesamte Energiesystem muss angesichts
der enormen Herausforderungen im Kontext des Klimaschutzes und für die notwendige Transformation der Ökonomie noch zügiger als bisher
umfassend umgebaut bzw. modernisiert werden. Allerdings sind „Schnellschüsse“ in diesem Kontext gerade in akuten Krisenzeiten kein dauerhaft probates Mittel zum Erreichen dieser Ziele. Daher muss bei der Betrachtung der notwendigen Weiterentwicklungen des Strommarkts eindeutig zwischen kurzfristigen Notfallmaßnahmen und
dem langfristigen Umbau unterschieden werden. Die die Bundesregierung bildenden Parteien haben in ihrem Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode eine entsprechende Weiterentwicklung des Strommarktdesigns angekündigt. Sie sollte nun so schnell wie möglich konzipiert werden - insbesondere auch, um eine verlässliche
und planbare Basis für die Schaffung eines klimaneutralen, bezahlbaren und versorgungssicheren Stromsystems zu schaffen.

Der Stellenwert von Versorgungssicherheit in einem mittelfristig klimaneutralem Stromsystem steigt. Der etablierte Energy-Only-Markt (EOM) ist für die Funktionen und Ziele, für die er entwickelt und implementiert wurde – effiziente Marktallokation von Erzeugungsanlagen und Markträumung – nach wie vor effektiv, effizient und
wirksam. Allerdings offenbart er zunehmend auch Defizite, wenn es darum geht, einen belastbaren Rahmen für das Erreichen der notwendigen Erzeugungs- und Verfügbarkeiten-Struktur zu bilden, die für die Realisierung der Ziele der Energiewende benötigt wird: Er ist relativ träge, d.h. bei kurzfristigen Kosten und Preisausschlägen, die von außen verursacht werden, kann sich die Erzeugungsstruktur nicht schnell genug anpassen. Dies hat dazu beigetragen, dass derzeit erhebliche Eingriffe erfolgen, um einer Knappheitslage zu begegnen. Der EOM liefert keinen ausreichenden Anreiz für Investitionen in dargebotsabhängige Energieerzeugungsanlagen, da die langfristig zu erwartbaren Erlösströme nicht zum Risikoprofil der Investoren passen. Diese Erlösströme verändern sich derzeit stark dadurch, dass mehr und mehr dargebotsabhängige erneuerbare Energien ins System kommen und noch viel mehr dieser Kapazitäten für das Erreichen der Klimaschutzziele benötigt werden.

  • Neue dargebotsabhängige und steuerbare bzw. verfügbare Kapazitäten für eine klimaneutrale Commodity “Strom” müssen zügig und investitionssicher entstehen.
  • Zur Erreichung der Klimaziele muss die Versorgungssicherheit künftig dauerhaft durch klimaneutrale Anlagen gesichert werden.

Nur Neuinvestitionen im linken Bereich der Merit- Order (erneuerbare Energien) können dauerhaft zu einem dämpfenden Preiseffekt führen, denn sie führen zu einer Ausweitung des Angebots bei niedrigen Produktionskosten. Ihre Refinanzierung muss dauerhaft sichergestellt sein – auch bei künftiger „Überbauung“ mit dargebotsabhängigen erneuerbaren Energien. Nur Neuinvestitionen im rechten Bereich der Merit-Order (derzeit Gaskraftwerke, künftig klimaneutral erzeugende Kraftwerke und Flexibilitätsoptionenunter Einschluss von Speichern) können dauerhaft die Versorgungssicherheit gewährleisten über die Spitzenabdeckung durch steuerbare Kapazitäten/Verfügbarkeiten. Für sie müssen trotz neuer flexibler Fahrweise bzw. der Nutzung klimaneutraler Brennstoffe dauerhaft und planbar genügend ökonomische Anreize geschaffen werden, damit in diese investiert wird.

Deswegen muss neben dem Erlösstrom aus der Bereitstellung von MWh ein weiterer Erlösstrom für die Verfügbarkeit von MW etabliert werden. Nur dadurch kann der ökonomische Wert von Versorgungssicherheit sichtbar gemacht und damit preislich ausgewiesen werden (siehe Abbildung Seite 11). Studien zeigen, dass bei optimaler Ausgestaltung die Summe der beiden Erlösströme die bisherigen Kosten im EOM nicht übersteigen muss. Zugleich muss sichergestellt werden, dass das weiterentwickelte Marktdesign so ausgestaltet wird, dass es im Zusammenspiel mit einer zunehmenden Flexibilisierung des Netzes keine negativen Effekte anreizt.
Außerdem ist zu beachten, dass es über eine Weiterentwicklung des Strommarktdesigns möglichst zu positiven Effekten hinsichtlich Liquidität des Marktes, aber auch einer Stärkung des europäischen Stromsystem- und Stromhandelsverbunds kommen sollte. Ein weiterentwickeltes Strommarktdesign sollte zusätzliche Flexibilisierungspotenziale auf der Angebots- und Nachfrageseite über ökonomisch-marktliche Anreizmechanismen aktivieren, ohne Verpflichtungen auf der Nachfrageseite auszulösen. Flexibilität soll sich lohnen, aber kein Zwang werden. Beim Zubau steuerbarer Anlagen können die Erfordernisse des Stromnetzes in Form von Anreizen ebenfalls eine Rolle spielen.

Technologieförderung sollte nicht primär über den Strommarkt organisiert werden: Die Förderung spezifischer Stromerzeugungs-, Speicherungs- oder Sektorkopplungstechnologien sollte nicht über Instrumente erfolgen, die verzerrende Auswirkungen auf den Strommarkt haben. Für eine effektive Technologie-Förderpolitik sollten spezifische Instrumente und Mechanismen gewählt werden, die nicht die Preisbildung am Strommarkt und letztlich den Strompreis für die Letztverbraucher dauerhaft beeinflussen. Die notwendige und anstehende Reform des Strommarktdesigns sollte auch bewirken, dass künftig marktexterne, umlagenfinanzierte Segmente zur Absicherung, die in den letzten Jahren geschaffen wurden, soweit möglich wieder in den Markt reintegriert werden können. Idealerweise wird dadurch künftig vermieden, dass weitere marktexterne Segmente geschaffen werden müssen. Die Zeit drängt: Angesichts des hohen Neubaubedarfs an klimaneutraler steuerbarer Leistung
und der ambitionierten EE-Ausbauziele und des zeitlichen Vorlaufs bis zur Inbetriebnahme braucht es zügig Entscheidungen, wie das Marktdesign weiterentwickelt werden soll. Um den Investoren Sicherheit zu geben, muss die Politik deutlich machen, dass Interventionen in den Strommarkt nur temporärer Natur sind und langfristig stabile Rahmenbedingungen schaffen.

Die betroffenen Interessengruppen und Experten aus der Praxis sollten anders als in den teilweise nachvollziehbar kurzfristig konzipierten Maßnahmen zur Krisenbekämpfung nicht nachträglich zur Korrektur von Fehlsteuerungen konsultiert, sondern frühzeitig in die Ausgestaltung des Strommarktdesigns einbezogen werden, um die Praktikabilität sicherzustellen und Planungssicherheit für Investoren zu gewährleisten. Die unterzeichnenden Verbände, Organisationen, Mitglieder und Partner haben frühzeitig einen möglichst breiten Konsens untereinander hergestellt, um sich möglichst gemeinsam konstruktiv in die von der Bundesregierung geplanten Strommarktplattform einzubringen. Dieses Ergebnispapier soll dabei einen Impuls und Ausgangspunkt für einen intensiven und produktiven Dialog mit der Politik, Wirtschaft und gesellschaftlichen Akteuren bilden. Die Partner der Stakeholderplattform Strommarkt stehen mit ihrer Expertise und ihren Perspektiven für einen derartigen Dialog sehr gerne zur Verfügung.

Einführung

Die aktuelle Energiekrise hat den Strommarkt in den letzten Wochen und Monaten intensiv in den öffentlichen Fokus gerückt. Dabei hat die Politik auf europäischer und nationaler Ebene umfassende Eingriffe in den Strommarkt diskutiert und angekündigt, um die ökonomischen und sozialen Folgen der Energiepreiskrise einzudämmen.

In der Debatte über die Strom- und Energiepreise darf der politische Diskurs über die gewaltigen Herausforderungen nicht aus dem Blick geraten, vor denen das deutsche und europäische Stromsystem jenseits der akuten Krisensituation stehen: Um eine erfolgreiche Transformation der Volkswirtschaften zur Klimaneutralität bei gleichzeitiger Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erreichen zu können, muss in den kommenden Jahren ein System geschaffen werden, das klimaneutral und bezahlbar ist und zugleich umfassende Versorgungssicherheit gewährleistet. Voraussetzung dafür ist ein deutlich erhöhter und kontinuierlicher Ausbau dargebotsabhängiger Stromerzeugung aus Wind und Sonne, von weiteren erneuerbaren Energien, die Etablierung von gesicherter Leistung und Sektorkopplungsanlagen, welche klimaneutrale Brennstoffe nutzen, sowie von weiteren Flexibilitätsoptionen. Außerdem darf während des Übergangszeitraums der Transformation der Energieerzeugung die Systemstabilität nicht aus den Augen verloren werden. Zugleich sollte auch auf der Verbraucherseite dafür gesorgt werden, mehr Flexibilität zu ermöglichen, um optimal in einem durch dargebotsabhängig
erzeugende Anlagen geprägten Stromsystem interagieren zu können, sowie eine möglichst hohe Energieeffizienz zu erreichen.

Die die Bundesregierung bildenden Parteien haben vor diesem Hintergrund in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, in der laufenden Legislaturperiode eine Weiterentwicklung des Strommarktdesigns, im Rahmen der Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ diskutieren und einleiten zu wollen. Seit dem Sommer 2022 haben vor diesem Hintergrund Verbände und Unternehmen der Energiewirtschaft und der Industrie, Think Tanks, Verbraucherschutzorganisationen und Gewerkschaften gemeinsam Erfolgsparameter für eine Weiterentwicklung des Strommarktdesigns diskutiert. Ziel war es, konkrete Kriterien dafür zu entwickeln, wie die nach wie vor funktionale, effiziente und effektive Substanz des derzeitigen Strommarktdesigns erhalten bleiben und um wichtige zusätzliche Elemente ergänzt werden kann, die das Erreichen der ambitionierten Klimaschutzziele für den Stromsektor ebenso ermöglicht wie die Sicherstellung von Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit. In jedem Fall sollte es Ziel und Intention jeder Weiterentwicklung des Strommarkts sein, die Resilienz und Krisenfestigkeit des Marktes und des gesamten Stromsystems nachhaltig zu stärken.

"Erneuerbare Energien als tragende Säule des Stromsystems"

Herausforderungen

In den kommenden Jahren bis 2030 und weiter zunehmend auch in der Zeit danach werden erneuerbare Energien (EE) mehr denn je zu einer tragenden Säule des Stromsystems in Deutschland und Europa. Erreicht werden soll dieses Ziel durch einen beschleunigten Ausbau der EE, bis hin zu einer deutlichen „Überbauung“ von
EE-Kapazitäten im Verhältnis zur erwartenden Maximallast unter Ausnutzung sämtlicher Flexibilitätsoptionen des Energiesystems. Damit stellt sich auch die Frage nach der künftigen Rolle und Funktion der erneuerbaren Energien innerhalb des gleichrangigen energiepolitischen Zieldreiecks aus Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Dabei steht außer Frage, dass die erneuerbaren Energien in einem geeigneten Marktdesign und bei einem entsprechenden Infrastrukturausbau signifikant zur Bezahlbarkeit von Strom und Energie beitragen bzw. preissenkend wirken können. Insbesondere sollen aber Parameter und Kriterien dafür definiert werden, wie ein künftiges Strommarktdesign der neuen Rolle der EE als tragende Säule des Stromsystems gerecht werden kann. Dabei soll es stetig steigende Mengen dargebotsabhängigen Stroms durch immer mehr installierte EE-Leistung effektiv und effizient integrieren. In diesem Kontext geht es auch darum, wie in einem weiterentwickelten Marktdesign Investitionsanreize in neue EEAnlagen und die zur Absicherung erforderliche Back-up Leistung über kalkulierbare Erlösströme volkswirtschaftlich effizient verstetigt werden können.

Thesen

Die Versorgungssicherheit mit Strom wird in Zukunft mehr denn je eine fundamentale Rolle spielen: Nur ein weiter sehr hohes Niveau an Versorgungssicherheit garantiert auch dauerhaft breite gesellschaftliche Akzeptanz für den weiteren und beschleunigten Ausbau der EE.

"Sinnvoll nutzen statt abregeln" sollte künftig ein Leitprinzip werden

Auch um die gesellschaftliche Akzeptanz des weiteren EE-Ausbaus dauerhaft zu sichern, sollte das Prinzip „Sinnvoll nutzen statt abregeln“ mittelfristig das Leitprinzip sein: Ein möglichst großer Anteil des aus EE erzeugbaren Stroms sollte auch etwa über Sektorkopplung Verwendung finden; steigende abgeregelte Strommengen und Redispatch wirken erodierend auf das Geschäftsmodell von EE-Investoren. Eine Abregelung von EE-Anlagen sollte daher minimiert werden. Die Akzeptanz für ein gewisses Ausmaß von Abregelung von verbleibenden EE-Erzeugungsspitzen ist allerdings Voraussetzung für ein effizientes Verhältnis verschiedener Komponenten des Energiesystems zueinander. Gleichzeitig muss der Netzausbau weiterhin kontinuierlich und zielgerichtet weitergetrieben und beschleunigt werden.

Unterscheidung zwischen EE-Anlagen und konventionellen Anlagen ist nicht mehr zeitgemäß

Es sollte künftig nicht zwischen den Kategorien EE-Anlagen und thermischen Anlagen oder „konventionellen“ unterschieden werden: eine Unterscheidung in der Logik zwischen dargebotsabhängigen und steuerbaren/regelbaren Anlagen bzw. zwischen gesicherter und volatiler Leistung auf der Erzeugungsseite und flexibler und unflexibler Verbraucher ist sinnvoller und zielführender, denn alle Erzeugungsanlagen sollen ab 2035 nur noch klimaneutral Strom liefern. Die Nutzung innovativer technologischer Konzepte (z. B. die Teilnahme einer Wind-/ Solarenergieanlage am Regelleistungsmarkt oder die Flexibilitätssteigerung u.a. über Sektorenkopplung bzw. Bioenergie) könnte künftig möglich sein und erleichtert werden. Damit könnte potenziell neben der Maximierung der eingespeisten Menge an EE-Strom auch dessen Wert und Nutzen für das gesamte Versorgungssystem steigen. Der Flexibilisierung zum Ausgleich der Volatilität der EE-Erzeugung kommt in jedem Fall eine zentrale Rolle zu.
Die grenzkostenbasierte Preisbildung nach dem Pay-as-Cleared Prinzip (Merit-Order) ist weiterhin ein geeignetes und sinnvolles Vorgehen, um die Bereitstellung von benötigten Strommengen über eine transparente Preisbildung anzureizen und die Einsatzreihenfolge von Erzeugungsanlagen zu determinieren. Daher gilt es zukünftig, diese Art der Marktorganisation zu ergänzen, nicht aber sie abzuschaffen. Ein Vergütungssystem für die Bereitstellung von elektrischer Arbeit sollte daher zentraler Baustein auch des künftigen Strommarktes bleiben.

Künftig müssen EE zuverlässig Systemdienstleistungen erbringen

Versorgungssicherheit in einem durch dargebotsabhängige EE geprägten System erfordert ein breites Technologieportfolio zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen (Regelleistung, Spannungshaltung, (emulierte) Momentanreserve etc.) und den effizienten Umgang mit Netzengpässen. Mit immer höheren Erzeugungsanteilen müssen auch Windenergie- und PV-Anlagen zunehmend Systemdienstleistungen erbringen. Diese müssen allerdings in Zeiten geringerer Einspeisung auch weiterhin durch regelbare Anlagen abgesichert werden. Hierfür sind die zukünftigen Anforderungen an Windenergieund PV-Anlagen unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Implikationen frühzeitig verlässlich zu definieren und etwaige regulatorische Hürden zu beseitigen. Es sollte auch geprüft werden, ob der Begriff der Versorgungssicherheit und die Instrumente, die zu ihrer Erreichung genutzt werden, neu definiert bzw. die Definitionen erweitert werden müssen. Diese Erweiterung hat eine Vielzahl von Dimensionen. Technisch besteht die Anforderung z. B. darin, die Netzfrequenz von 50 Hz zu halten; es ist zwar technisch möglich, dass neben den bereits heute steuerbaren EE (z. B. Bioenergie) auch dargebotsabhängige EE (insbesondere Wind und PV) hierzu beitragen und auch z. B. Regelleistung
erbringen können. Damit EE auch einen wachsenden Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können, sollten die Rahmenbedingungen entsprechend angepasst werden.

Es braucht künftig einen zusätzlichen Erlösmechanismus für EE auf Vollkostenbasis

Vorrangige Aufgabe und Funktion der EE sollte es auch künftig sein, klimaneutral Strom zu liefern und das Erreichen des Ziels der Klimaneutralität zu unterstützen bzw. sicherzustellen. Dafür muss es zukünftig einen zusätzlichen Pricing- und Erlösmechanismus im Marktdesign auf Vollkostenbasis der EE geben, um dauerhaft Investitionen
in die installierte Kapazität zu ermöglichen, die sich nicht ausschließlich EOM-marktbasiert finanzieren lässt. Ein künftiges Strommarktdesign sollte also auf diesen beiden Erlössegmenten aufgebaut werden. Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit auf eine bestehende Leistungsvergütung im Bereich der Systemdienstleistungen aufgebaut und diese weiterentwickelt werden kann. Hier gibt es viele Implementierungsmöglichkeiten: Herkunftsnachweise könnten in der Transformationsphase z. B. als weitere Einnahmequelle für Erneuerbare einen zusätzlichen Erlösstrom zur Refinanzierung der Kapitalkosten erzeugen. Damit können sie den marktbasierten Ausbau Erneuerbarer unterstützen bzw. incentivieren. Eine zeitlich granulare Ausgestaltung der Grünstromvermarktung würde zudem helfen, die Investitionen im Bereich der EE sowie der Flexibilitätstechnologien auszuweiten. Wenn der EE-Zubau dauerhaft stetig erfolgen und es dabei auch ermöglicht werden soll, deutlich mehr EE-Erzeugungskapazitäten zu installieren als der Jahreshöchstlast entsprechen, müssen die Investitionsrisiken reduziert werden. Die Etablierung neuer zusätzlicher Erlösströme ermöglicht dies in besonderer Weise. Diese additiven Erlösströme können sowohl commodity also marktpreisbasiert, als auch vollkosten-/leistungsbasiert (eventuell über eine „flat rate“ je
installiertem MW) sein, um den Zubau der notwendigen Kapazitäten zu generieren; mögliche geeignete marktliche Vehikel bzw. Instrumente dafür, wie etwa der Handel mit Herkunftsnachweisen, sind teilweise bereits etabliert und müssten entsprechend breitere Anwendung finden bzw. standardisiert werden. Eine weitere Installation von deutlich mehr EE-Kapazität als der Höchstlast, kann durch das Anreizen, Heben und Schaffen von Flexibilisierungspotenzialen vor allem auf der Nachfrageseite flankiert werden; Strom- und Energiespeicher, Elektrolyseure und weitere PtX- und Sektorkopplungsanlagen u.a. können dies marktbasiert gewährleisten und zugleich damit auch weitere Erlöspotenziale für die EE-Erzeugungsanlagen generieren.

Flexibilisierung sollte regulatorisch nicht behindert werden

Die Nutzung von Flexibilitäten sollte durch ein reformiertes Marktdesign weder auf der Erzeugungs- noch auf der Nachfrage-/Lastseite erschwert oder behindert werden; betriebswirtschaftliche Optimierung darf dabei nicht zu volkswirtschaftlichen Ineffizienzen führen. Die derzeitig gültige Ausgestaltung der Netzentgelte im Industriebereich wird in diesem Kontext zunehmend zu einem Hemmnis. Die Netzentgeltsystematik sollte daher zügig an die Flexibilitätserfordernisse angepasst werden und bspw. Leistungsspitzen nicht pauschal bestrafen, sofern diesen Einspeisespitzen gegenüberstehen. Zudem sollte künftig verhindert werden, dass durch regulatorische Eingriffe Preissignale nicht bei den Verbrauchern ankommen. Alle Anreize für eine Flexibilisierung, die der Markt setzt, sollten auch spürbar werden. Kürzere Bilanzierungsrhythmen (z. B. durch die Reduktion des Bilanzausgleichs auf einen 5-minütigen Rhythmus) führen eher zu negativen Effekten: Der heutige 15 Minuten-Rhythmus bildet ohnehin
nicht die Realität ab, sondern soll nur eine Approximation an die Lastprofile unterstützen. Das zukünftige Strommarktdesign sollte den zeitlich und örtlich variierenden Wert des Stroms für das System widerspiegeln - auch um geeignete Investitionsanreize für neue Erzeuger und Verbraucher in einem verbundenen europäischen Stromsystem zu liefern. Dies erfordert nicht zwangsläufig eine Auftrennung der (deutschen) Strompreiszone oder die Einführung von Nodal Pricing. Gegen die Etablierung mehrerer Strompreiszonen innerhalb Deutschlands spricht, dass sie die Liquidität vor allem des Terminmarkts begrenzt; Nodal Pricing könnte zwar den spezifischen lokalen bzw. regionalen Wert von Strom marktlich abbilden. Allerdings kann dies aufgrund geringerer Liquidität und Transparenz bei schnellen marktlichen Änderungen Erschwernisse
für Planungen in Erzeugungskapazitäten der EE und der Stromnetze verursachen.

Zügiger Netzausbau darf nicht behindert werden

Ein neues Marktdesign hat nicht die Aufgabe und Funktion, die mit dem Stromnetz zusammenhängenden Herausforderungen wie Ausbau, Redispatch etc. zu lösen. Es muss vielmehr so ausgestaltet werden, dass die die Übertragungsund Verteilnetze betreffenden notwendigen Entwicklungen nicht erschwert werden. Jedes zukünftige Marktdesign darf effizienten, notwendigen und zügigen Netzausbau nicht behindern, konträre Anreize dazu setzen oder einen ineffizienten Netzausbau induzieren.
Eine Variabilisierung der Netzentgelte in Form einer Parametrisierung anhand von Ort und Zeit sollte im Rahmen einer zeitnah umzusetzenden Reform der Netzentgeltsystematik ebenso geprüft werden wie ein stärkerer Einbezug der Erzeugungsseite in die Finanzierung der Netzkosten. Verschiedene Gutachten kommen hier zu unterschiedlichen Empfehlungen.

Es braucht zügige politische Entscheidungen für planbare Investitionen

Ein neues, reformiertes Strommarktdesign wird ggf. erst in einigen Jahren hinsichtlich der dafür notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen beschlossen und real/technisch etabliert sein. Daher muss bereits vorher sichergestellt werden, dass bereits davor durch entsprechende Signale Investitionsanreize und Planbarkeit für einen
kontinuierlichen und ausreichenden Ausbau der EE und der notwendigen Flexibilitäten gegeben sind. Denn der Umbau zu einem klimaneutralen System muss unmittelbar beginnen und es darf nicht erst abgewartet werden, bis ein neues Marktdesign in einigen Jahren Investitionsentscheidungen mit einer weiteren Verzögerung auslöst. Zu den Flexibilitäten gehören neben regelbaren Erzeugungsanlagen auch u.a. Speicher, PtG- und PtX-Anlagen sowie Lastflexibilisierung. Ansonsten droht ein Investitionsstau, der das Ziel des Erreichens der Klimaneutralität erheblich erschweren wird. Ebenso müssen bewahrende/Bestandsschutz garantierende und effiziente Übergangslösungen für existierende Anlagen definiert werden. Eine gründliche Untersuchung der Auswirkungen eines neuen Strommarktdesigns auf das gesamteuropäische Stromsystem und den EU-weiten Strommarkt ist eine conditio sine qua non: Es muss immer ein hohes Niveau der Interaktionsfähigkeit mit dem Ausland sichergestellt werden und europäische Lösungen bzw. eine hohe Kohärenz und Kompatibilität mit anderen Strommärkten haben eine wachsende Bedeutung. Ein weiterentwickeltes Strommarktdesign muss
allerdings nicht nur adäquate Anreize für die notwendigen Investitionen in die Klimaneutralität des Stromsystems über den Ausbau und die Flexibilisierung erneuerbarer Energien induzieren. Darüber hinaus muss es eine verlässliche Grundlage dafür schaffen, dass auf der Angebots und der Nachfrageseite die Nutzung vorhandener Flexibilitätspotenziale nicht verhindert wird. Zudem muss es einen geeigneten marktlichen Rahmen dafür bieten, dass auch und gerade in einem klimaneutralen Stromsystem mit einer entsprechenden Erzeugungsstruktur die Versorgungssicherheit verlässlich und dauerhaft gesichert ist. Dafür ist es notwendig, jederzeit auf eine ausreichende Kapazität von Erzeugungs-, Speicher-, Sektorkopplungsanlagen und Flexibilitätsoptionen zurückgreifen zu können, die kosteneffizient und regelbar Strom bereitstellen oder abnehmen können.

"Flexibilität und Verfügbarkeiten gewährleisten und Versorgungssicherheit dauerhaft sichern"

Herausforderungen

Der zur Erreichung des Anteils von 80 Prozent EE am Bruttostromverbrauch bis 2030 und für ein bereits wenige Jahre danach vollständig klimaneutrales
Stromsystem notwendige beschleunigte Zubau dargebotsabhängiger EE-Stromerzeugungsanlagen wird voraussichtlich dazu führen, dass regelbare Erzeugungs- und Speicheranlagen ebenso wie Demand-Side-Management (im Folgenden zusammengefasst „Verfügbarkeiten” genannt) nur noch vorrangig zur Abdeckung der daraus entstehenden Residuallast betrieben und angewendet werden. Zugleich wird die Zahl der Jahresstunden zunehmen, zu denen dargebotsabhängige Stromerzeugungsanlagen über 100 Prozent des Strombedarfs decken werden. Der Strom muss dann über eine verstärkte Sektorenkopplung/Flexibilität bzw. im europäischen Verbund anders genutzt, gespeichert oder anderenfalls abgeregelt werden. Daher wird die Anzahl der Betriebsstunden von regelbaren Stromerzeugungsanlagen zurückgehen. Um die Versorgungssicherheit im Kontext dieser Entwicklungen weiter jederzeit, und insbesondere auch zu Perioden des zeitlichen Zusammentreffens von hoher Strom- und Wärmenachfrage und geringer Einspeiseleistung der dargebotsabhängigen erneuerbaren Energien gewährleisten zu können, müssen in den kommenden Jahren weitere Kapazitäten von Verfügbarkeiten installiert und betrieben werden. Diese müssen nicht nur die parallel im Zuge des Ausstiegs aus der Kernenergienutzung und der Kohle- und zunehmend auch Erdgasverstromung stillzulegenden Anlagen leistungsmäßig ersetzen. Sie müssen darüber hinaus hochflexibel betrieben werden können, um sich dem rasch steigenden und sinkenden Einspeiseprofil insbesondere von PVund Windenergieanlagen komplementär anpassen zu können. Um den daraus resultierenden nötigen Bedarf an regelbaren und zugleich flexiblen Verfügbarkeiten zu decken, sollten von einem künftigen Strommarktdesign frühzeitig klare Investitionsanreize ausgehen. Es muss in sehr kurzer Zeit ein umfangreicher Kraftwerkspark von thermischen Erzeugungsanlagen ersetzt sowie weitere für den Betrieb mit klimaneutralen Brennstoffen umgerüstet werden. Diverse Studien schätzen den Ausbaubedarf regelbarer neuer Kraftwerke allein bis 2030 auf 16-44 GW. Ankündigungen der Bundesregierung deuten darauf hin, dass etwa 22 GW an regelbarer Leistung bis Ende des Jahrzehnts ausgeschrieben werden sollen. Umfangreiche Investitionen z. B. in Wasserstoff- bzw. für die Nutzung von anderen dekarbonisierten Brennstoffen (z. B. grünes Methan, e-fuels und Biokraftstoffe) taugliche
bzw. -verwendende Anlagen oder in die Flexibilisierung des bestehenden Biomasseanlagenparks müssen bereits in sehr kurzer Zeit umfangreich angestoßen werden. Darüber hinaus sind erhebliche Investitionen in andere Nutzungsarten, flexible Laststeuerung und Speichertechnologien erforderlich. Damit dies geschieht, müssen frühzeitig planbare Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es braucht also schnellstmöglich politisch bindende Beschlüsse zur Schaffung geeigneter Investitionsbedingungen, auch wenn der entsprechende beschlossene Rechtsrahmen möglicherweise erst später in Kraft tritt.

Im Energy-Only-Markt und der darin enthaltenen einzigen Erlöskomponente auf Basis der grenzkostenbasierten Erlöse für die eingespeiste Strommenge ist voraussichtlich keine ausreichende Refinanzierung für die Investitionskosten/CAPEX der für die Abdeckung der Residuallast erforderlichen Verfügbarkeiten möglich. Zudem ist zu erwarten, dass die Strompreise im Markt im Mittel aufgrund der potenziell geringeren Stromerzeugungs-Vollkosten erneuerbarer Energien niedriger liegen werden als die Vollkosten der Stromerzeugung der regelbaren und inputabhängigen Anlagen bzw. der Investitionen in Demand-Side-Management. Darüber hinaus müssen die künftigen Interferenzen
mit dem europäischen Strommarkt sowie die Auswirkungen des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland auf das grenzüberschreitende flow-based market coupling, also die europäische Marktkopplung auf Basis der Stromflüsse, berücksichtigt werden.

Thesen

Versorgungssicherheit erfordert umfangreiche Investitionen in Verfügbarkeiten

Das deutsche Stromsystem war lange Zeit von Überkapazitäten und daher seit mehreren Jahren von entsprechend geringen Investitionen in den Aufbau regelbarer Erzeugungskapazitäten geprägt. Neuerdings wurde und wird Anlagenleistung vermehrt abgebaut. Um ein hohes Niveau an Versorgungssicherheit auch für die Zukunft zu
gewährleisten, ist ein zügiges und konsequentes Gegensteuern notwendig, das dazu führt, dass umfangreiche Investitionen in Verfügbarkeiten getätigt werden. Der Begriff „Verfügbarkeiten“ subsummiert in diesem Kontext flexibel steuerbare Erzeugungs- und Sektorkopplungsanlagen jeder Art, die auf Abruf Strom bereitstellen können,
ebenso wie flexibel steuerbare Verbraucher. Den Verfügbarkeiten kommt in erster Linie die Gewährleistung der Versorgungssicherheit in einem künftigen System zu, das fast ausschließlich aus erneuerbaren Energien und daraus gewonnenen Brennstoffen gespeist wird. Über einen ausreichenden Wettbewerb von Technologien
und von umfangreich installierten Verfügbarkeiten wird darüber hinaus auch ein Beitrag zur Bezahlbarkeit geleistet. Dieser Wettbewerb kann aber seinerseits nur
entstehen, wenn zuvor ein weiter entwickeltes Strommarktdesign entsprechende Anreize für den Zubau von Verfügbarkeiten in ausreichendem Umfang geschaffen hat. Diese Anreize sollten so früh wie möglich verbindlich durch die Politik in Aussicht gestellt werden.

Der spezifische Wert von Verfügbarkeit muss über ein Erlössegment transparent werden

Im EOM wird der spezifische Wert von Verfügbarkeit nicht von vornherein transparent. Der in einem zunehmend von dargebotsabhängig Strom erzeugenden Anlagen geprägten System immer bedeutendere Wert von Verfügbarkeit muss daher zukünftig explizit über ein Preissignal bzw. über eine entsprechende Erlöskomponente
sichtbar werden, damit er explizit angereizt werden kann. Denn bisher fehlen klare und dauerhafte Investitionsanreize, und entsprechend sind Investitionen in regelbare Anlagen bzw. Verfügbarkeiten nicht attraktiv genug, um im auch kurzfristig notwendigen Umfang getätigt zu werden.

Mangelnde Investitionssicherheit muss durch planbare Erlöse ausgeglichen werden

Versorgungssicherheit im und über den EOM ist bisher vor allem dadurch hergestellt worden, dass politische Stabilität und klare, Investitionen anreizende Rahmenbedingungen zu Investitionen geführt haben. Diese Stabilität nimmt jedoch ab, und verlässliche Anreize für Investitionen in regelbare Anlagen bzw. Verfügbarkeiten fehlen weitestgehend. Derzeit mangelt es an stabilen und langfristig planbaren Rahmenbedingungen, die verbindliche Investitionsentscheidungen erlauben. Mangelnde Investitionssicherheit muss daher durch die Ermöglichung ausreichend planbarer Einkommensströme kompensiert werden.

Risikoprofile der Investoren müssen berücksichtigt werden

Für die Schaffung der Investitionsbedingungen, die dafür notwendig sind, um die notwendigen Investitionen in Verfügbarkeiten auszulösen, die die Versorgungssicherheit gewährleisten, müssen die Risikoprofile der Investoren berücksichtigt werden, also deren Bewertungsmaßstäbe für die Sicherheit und Rentabilität ihrer Investitionen.
Darüber hinaus muss beachtet werden, dass es sich bei der Versorgungssicherheit um ein öffentliches Gut handelt. Akteure können dies so interpretieren, dass für dessen Gewährleistung der Staat die Verantwortung trägt. Daher müssen Bedingungen geschaffen werden, die das Gewährleisten von Versorgungssicherheit über Investitionen in Verfügbarkeiten zu einem intrinsischen Interesse von Marktteilnehmern werden lassen. Ein nahezu ausschließlich auf die erzeugten kWh zugeschnittenes Marktdesign
und Erlössystem schafft nicht genügend Anreize für die notwendigen Investitionen in Verfügbarkeiten, die auf flexible Weise klimaneutralen Strom liefern. Es sollte daher frühzeitig die Schaffung einer zusätzlichen leistungsbasierten Erlöskomponente induziert werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass solche Erlöskomponenten stets gekoppelt sind an die flexible Fahrweise dieser Anlagen bzw. Verfügbarkeiten. Diese Erlöskomponente kann dabei aus mehreren Segmenten bestehen und Teilmärkte wie etwa Systemdienstleistungen, Regelleistung, Frequenzhaltung etc. mit umfassen. Sowohl Erzeugungs- und Speicher-Kapazitäten, als auch Nachfrageflexibilitäten auf der Lastseite können unter bestimmten Umständen vergleichbare Beiträge zur Versorgungssicherheit leisten.

Künftig sollte der Wert von Versorgungssicherheit Eingang in den Strompreis finden

Ein weiterentwickeltes Strommarktdesign sollte in seinen Preisfindungsmechanismen nicht nur erzeugungskosten-, sondern partiell auch wertbasiert parametrisiert werden. Konkret sollte der Wert von stabiler Versorgungssicherheit und Klimaneutralität in allen Regionen und zu jeder Zeit mit in die Preisfindungsmechanismen Eingang finden. Zudem sollte bei der Parametrisierung berücksichtigt werden, welche Ausfallszenarien toleriert werden können und welche nicht.

Ein Marktmechanismus sollte den Bedarf für die Versorgungssicherheit quantifizieren

Der genaue Bedarf an neuen bzw. zusätzlichen Verfügbarkeiten zur dauerhaften Absicherung und Gewährleistung der zukünftigen Versorgungssicherheit ist bisher noch unbekannt. Deswegen bedarf es eines Marktmechanismus, der technologieneutral den konkreten Bedarf quantifiziert und seine Deckung induziert. Dabei ist sicherzustellen, dass dies nicht zu Friktionen mit dem EU-weiten Strommarkt und dem europäischen Stromverbundsystem führt. Außerdem sollte gewährleistet sein, dass auch Demand Side Management in diesen Marktmechanismus integriert wird. Darüber hinaus kann auch die in Anspruch genommene Netzanschlusskapazität ein Parameter einer Verfügbarkeitszahlungskomponente sein. Auf diese Weise könnte ein Anreiz dazu entstehen, eine geringere netzseitig gesicherte Anschlussleistung in Anspruch zu nehmen, wenn dies mit einem entsprechenden finanziellen Anreiz verbunden ist. Dabei ist darauf zu achten, keine Fehlanreize derart zu setzen, dass Sektorenkopplungsansätze, die mit einem höheren Stromverbrauch in Zeiten von EE-Überschüssen einhergehen, verhindert oder räumlich fehlallokiert werden. Es wäre sinnvoll, wenn Verfügbarkeitslösungen neben Strom auch Wärme bereitstellen und somit einen Teil des Wärmebedarfs decken können, da die Residualstrom-Höchstlastzeiten mit der Wärme-Spitzennachfrage und den Wärmeresidualzeiten saisonal weitgehend zeitlich zusammenfallen.

Ein Marktsegment "Verfügbarkeit" wirkt effektiver als technologiespezifische Ausschreibungen

Ausschreibungen von dedizierten Kapazitäten (siehe Osterpaket 2022) können zwar dazu führen, dass verlässliche Rahmenbedingungen dafür entstehen,
in genau die spezifische Technologie zu investieren, die Gegenstand der Ausschreibung ist. Allerdings birgt dies ein steigendes Risiko dafür, dass im Umkehrschluss notwendige Investitionen in andere Technologien und Anlagentypen von Verfügbarkeiten unterbleiben. Es ist daher wesentlich sinnvoller, wenn die spezifischen
Investitionsentscheidungen marktinduziert bzw. marktgesteuert stattfinden. Konkret sollten über einen Marktplatz die zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit benötigten Investitionen über das Produkt bzw. Marktsegment “Verfügbarkeit” technologieoffen quantifiziert werden. Dies über staatlich organisierte Ausschreibungen zu tun,
ist nur die zweitbeste Lösung in diesem Kontext; solche Ausschreibungen technologiespezifisch durchzuführen hat, wie oben beschrieben, noch weitergehende Nachteile.

Verfügbarkeit wird immer mehr zur "Leitwährung"

Verfügbarkeit wird zunehmend zur kommenden „Leitwährung“ im Strommarkt und in der Energiewende. Das Nutzen von Flexibilisierungspotenzialen ist systemisch immer mehr eine „no regret“-Maßnahme und sollte sowohl für die Lastseite als auch für die Erzeuger/Speicherbetreiber wirtschaftlich immer attraktiv sein, ohne volkswirtschaftlich
gegenteilige Effekte auszulösen. Ein zukünftiges Marktdesign sollte ausreichende Anreize dafür schaffen, genügend Redundanzen und damit ausreichend Wettbewerb zwischen Verfügbarkeiten zu schaffen und somit zugleich ein hohes Ausmaß an Resilienz zu gewährleisten. Dabei muss sichergestellt werden, dass intensiver
Wettbewerb nicht dazu führt, dass nicht mehr genügend Anreize für den weiteren Zubau neuer Anlagen entstehen. Dazu gehört auch, dass keine Anreize dafür geschaffen werden, dass EE-Anlagen zur Erzeugung von dargebotsabhängigem Strom für Leistungsspitzen optimiert werden. Das Strommarktdesign ist auf nationaler und europäischer Ebene in einen hochkomplexen und aus zahlreichen Gesetzen, Verordnungen und Regularien bestehenden Rechtsrahmen eingebunden. Jede Weiterentwicklung hat also immer auch konkrete und unmittelbare Auswirkungen darauf, und im Umkehrschluss haben regulatorische Veränderungen etwa im Kontext der Netz- und Anreizregulierung ihrerseits Effekte auf Preisbildungsmechanismen, Investitionsanreize und das Verhalten unterschiedlicher Akteure im Strommarkt auf Erzeuger- und Verbraucherseite. Jede Reform des Strommarktdesigns sollte also auch in das regulatorische Gesamtpaket integriert werden und möglichst synergetisch in Wechselwirkung mit anderen Bestandteilen des Rechtsrahmens wirken.

Das "big picture": Regulatorisches Gesamtpaket

Herausforderungen

Die EU-Kommission hat eine zeitnahe und umfassende Überprüfung des aktuellen Strommarktdesigns angekündigt. Im Rahmen dieser Überprüfung ist es von besonderer Bedeutung, dass neben der Preisfindung am Strommarkt auch die Rück- und Wechselwirkungen einer Reform betrachtet werden. Sollte die Überprüfung einen Reformbedarf ergeben, so muss der Vertrauensschutz gewährleistet bleiben. Viele Investoren haben in der Vergangenheit im Vertrauen auf ein langfristig verlässliches und
stabiles Marktdesign Investitionen getätigt. Eine Entwertung bestehender Anlagen muss daher vermieden werden. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Energiekrise können und sollten nicht dauerhaft über den Strommarkt gelöst werden, sondern über entsprechende wirtschafts- und sozialpolitische Instrumente und Maßnahmen. Nach der Beendigung der temporären umfangreichen Eingriffe muss daher dafür Sorge getragen werden, dass die Weiterentwicklung des Strommarktdesigns einen Beitrag zur Krisenresistenz und Resilienz des Stromsystems leisten kann und nicht immer neuen Eingriffen unterworfen wird. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass die Frequenzhaltung und die weiteren Systemdienstleistungen sicher und kontinuierlich erbracht werden können und dass das Strommarktdesign sich optimal in den europäischen Netz- und Marktverbund einbettet. Viele der Rahmenbedingungen, die für eine derart dynamische Entwicklung in so vielen Segmenten und Technologiefeldern notwendig sind, werden derzeit außerhalb des Strommarktdesigns definiert und reguliert. Dieser marktexterne Bereich definiert aktuell zudem zu bedeutenden Teilen
die Gesamtsystemkosten für Strom und das Stromsystem. Damit hat er erhebliche Auswirkungen auf die Bezahlbarkeit von Strom für alle Verbraucher in Haushalten und Unternehmen. Zielsetzung sollte es also sein, dass diese Systemkostenkomponenten, so weit wie technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, in das neue
Strommarktdesign integriert werden. Es bedarf also eines gesamthaften Blicks auf das Stromsystem und seine einzelnen Erlös- und Kostenkomponenten auf sämtlichen Wertschöpfungsstufen, um ein neues Strommarktdesign optimal in das Gesamtsystem einzupassen. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass es durch die (Neu-)definition von Elementen und Segmenten im Strommarkt nicht zu Fehlallokationen kommt, die Ineffizienzen und nicht notwendige Systemkosten auslösen. Zugleich sollte die Schaffung weiterer marktexterner Segmente, wie sie insbesondere in den letzten zehn Jahren zunehmend entstanden sind, künftig vermeiden werden. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass möglichst umfangreiche Synergien zwischen der Strom- und der Wärmeerzeugung ermöglicht werden.

In der aktuellen Energiekrise werden sehr tiefgreifende staatliche Interventionen in den Strommarkt diskutiert und implementiert. Dabei sollte aber beachtet werden: Je länger sie gelten, desto dauerhaftere negative Auswirkungen haben sie bezüglich irreversiblen Marktverzerrungen, volkswirtschaftlichen Kosten und ausbleibenden Investitionen. Daher muss sichergestellt werden, dass das Strommarktdesign und der Strommarkt als Ganzes unvoreingenommen betrachtet werden und nicht nur der Fokus auf der politischen Bewertung der Strompreise liegt. Die aktuell vorgenommenen erheblichen Markteingriffe erfolgen nicht aufgrund einer Dysfunktionalität des Strommarkts als solchem, sondern wegen der hohen Preise in Folge der hohen Erdgaspreise bzw. hoher Nachfrage trotz knappen Angebots. Jegliche künftigen Weiterentwicklungen des Strommarktdesigns sollten so konzipiert sein, dass sie die Möglichkeit schaffen, diese Markteingriffe so kurzfristig wie möglich zu halten und dem Stromsystem die nötige Krisenresistenz und Resilienz zu verleihen, die erneute Markteingriffe weitestgehend obsolet macht.

Thesen

Marktintegration von Systemdienstleistungen sollte geprüft werden

Es ist nur in sehr begrenztem Umfang möglich, über die Weiterentwicklung der Bepreisungsmechanismen für die “Commodities” Megawattstunden und Megawatt hinaus weitere Systemkosten in die Marktpreisbildung zu integrieren, die von den Letztverbrauchern refinanziert werden. Denn diese Kostenbestandteile werden über die Regulierung bzw. die daraus resultierenden Netznutzungsentgelte refinanziert. Wenn allerdings eine marktliche Bepreisung bestimmter Güter oder (System-)Dienstleistungen möglich ist und dadurch ein eigener marktlich induzierter Erlösstrom ermöglicht wird, wäre eine künftige Marktintegration möglich und ggf. sinnvoll.

Technologieförderung sollte nicht über den Strommarkt refinanziert werden

Technologieförderinstrumente verzerren, wenn sie über Umlagen auf den Strompreis refinanziert werden, tendenziell den Markt; daher sollte es dringend vermieden werden, weitere ähnliche Instrumente zur Technologieförderung einzuführen, wenn es darum geht, möglichst effiziente Erzeugungsstrukturen zu implementieren. Technologieförderung auch und gerade für bestimmte Strom- und Wärmeerzeugungs-, Speicher- und Umwandlungstechnologien ist notwendig und sinnvoll; allerdings sollte Technologieförderung immer über spezifische und auf die jeweilige Technologie zugeschnittene Instrumente umgesetzt werden und nicht über den Strommarkt bzw. indirekte Eingriffe darin. Politische Entscheidungen über die Förderung bestimmter Technologien und die konkreten Förderinstrumente und -mechanismen sollten also auch mit Blick auf ihre Auswirkungen auf den Strommarkt und dessen Effizienz und Funktionalität getroffen werden.

Ein unabhängiges Monitoring lässt Ineffizienzen frühzeitig erkennen

Jede Weiterentwicklung des Strommarktdesigns muss sicherstellen, dass die Kongruenz der darin festgelegten Mechanismen und Erlösströme mit anderen Finanzierungsbestandteilen gewährleistet ist, die nicht mit dem Strommarkt im Zusammenhang stehen, sondern unabhängig davon anfallen. Um das Entstehen von Ineffizienzen frühzeitig erkennen bzw. prophylaktisch verhindern zu können, sollte ein entsprechendes unabhängiges Monitoring etabliert werden. Es sollte alles Mögliche dafür getan werden, zu vermeiden, dass volkswirtschaftlich ineffiziente Verzerrungen infolge von Verzögerungen beim Netzausbau entstehen. Das weiterentwickelte Strommarktdesign soll vor allem die Investitionen anreizen, die notwendig sind, um die Klimaneutralität des Stromsystems im vorgesehenen Zeitraum zu erreichen und
zugleich die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit zu gewährleisten. Dafür muss es investitionssichere Refinanzierungsinstrumente für diese Investitionen schaffen.

Flexibilität sollte als wirtschaftliche Option angereizt werden

In einem weiterentwickelten Marktdesign kommt dem optimalen Zusammenwirken von Marktund Netzflexibilitäten eine stetig wachsende Bedeutung zu. Wichtig ist es dabei, dass den Marktteilnehmern bzw. Verbrauchern Flexibilität als wirtschaftliche Option ermöglicht wird. Die Ermöglichung z. B. von zeitvariablen Tarifen auf Basis der Verfügbarkeit größerer EE-Strommengen für nicht lastganggemessene Endkunden könnte hier entsprechende Impulse auslösen. Dabei müssen die Interdependenzen mit den verfügbaren Netzressourcen berücksichtigt werden, damit es nicht in Folge erheblicher Lastverschiebungen zu zusätzlichen Redispatch- und Eingriffsmaßnahmen
kommt. Daher sollten solche Tarifflexibilisierungen immer verbindlich in Abstimmung mit den verfügbaren Netzkapazitäten ermöglicht werden. Zugleich sollte nicht durch invasive Maßnahmen Einfluss auf das Flexibilisierungspotenzial aus sozial- oder industriepolitischen Gründen genommen werden.

Elektrolyseure und flexible Verbrauchsanlagen brauchen konkrete Standortanreize für netzdienlichen Betrieb

Angesichts des perspektivisch immer weiter steigenden Anteils von dargebotsabhängig erzeugenden Stromerzeugungsanlagen wird es zunehmend sinnvoll und notwendig werden, über entsprechende Allokationssignale z. B. klare Standortanreize für die Ansiedlung von Elektrolyseuren oder anderen flexiblen Verbrauchsanlagen zu setzen. Diese Anreize könnten z. B. durch die BNetzA in Abstimmung mit den Übertragungsnetzbetreibern und den Verteilnetzbetreibern und den Ferngas- bzw. Wasserstoff-Netzbetreibern induziert und gesteuert werden. Dabei sollten auch die wertvollen Beiträge, die dezentrale Elektrolyseure und Sektorkopplungsanlagen leisten können, miteinbezogen werden. Auf diese Weise können z. B. dezentrale ebenso wie sehr leistungsstarke Elektrolyseure netzdienlich und damit volkswirtschaftlich vorteilhaft betrieben werden.

Ein Umstieg auf eine Mengenförderung für EE sollte geprüft werden

Die konkrete Ausgestaltung des Fördermechanismus für erneuerbare Energien hat direkte Auswirkungen auf die Mechanismen im Strommarkt. Eine zeitlich klar begrenzte, aber bezüglich der erzeugten Strommenge unbegrenzte Förderung, wie sie seit dem Jahr 2001 existiert, ermöglicht Ineffizienzen bis hin zur Tolerierung einer „produce-and-forget-policy“ durch die Erzeuger. Es stehen diverse Optionen zur Verfügung, die diesbezüglich mehr Systemeffizienz und eine stärkere Marktintegration ermöglichen würden. Dazu zählt eine mögliche Umstellung auf eine Mengenförderung, also die Definition einer zu fördernden Gesamtstrommenge ohne zeitliche Begrenzung. Diese und mögliche weitere Optionen sollten im Zuge des Prozesses der Weiterentwicklung des Strommarktdesigns genau bewertet und ggf. umgesetzt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass auch bei einer Veränderung der Fördermechanismen die Ausbauziele für die EE erreicht werden. Denn solange wie das politische Ziel von 80 Prozent EE-Anteil an der Bruttostromerzeugung für 2030 und ein klimaneutrales Stromsystem 2035 gilt, wird es auch eine Förderung des Zubaus von dargebotsabhängigen Erzeugungsanlagen geben müssen, um diesen eine wirtschaftliche Betriebsperspektive zu geben.

Strommarkt und Stromsystem müssen resilienter werden

Die in den vergangenen Wochen diskutierten und durch die Politik auf europäischer und nationaler Ebene angekündigten umfangreichen Eingriffe in den Strommarkt sind auch ein Eindruck eines erheblichen, aber weitgehend unbegründeten Vertrauensverlusts in den Markt, der ernst genommen werden muss. Das Strommarktdesign muss so resilient ausgestaltet werden, dass die zuletzt aufgetretenen Verwerfungen in Zukunft möglichst vermieden werden. Allerdings sollten Märkte und ihre Mechanismen nicht gleichgesetzt werden mit den Preisen, die sie ermitteln. Energiewirtschaft bzw. Strommarktteilnehmer, Politik und Verbraucher sollten sich in einem offenen sachlichen wie kritischen Dialog damit auseinandersetzen, welche insbesondere volkswirtschaftlich positiven Effekte ein weiterentwickelter Strommarkt haben kann und soll und welche Wohlfahrteffekte dadurch ermöglicht werden. Der Strommarkt ist imstande, enorme Komplexität effizient zu managen und dadurch volkswirtschaftlich wertvolle Ergebnisse zu produzieren. In einem fakten-orientierten und wissenschaftsbasierten Dialogprozess sollten daher Politik, Marktteilnehmer und Verbraucher ihre konkreten Erwartungen an eine effektive Strommarktreform zügig miteinander teilen.

Klare Transparenz- und Governanceregeln können Vertrauen wiederherstellen

Klare und verbindliche Transparenzregeln, die auch konsequent durchgesetzt werden, sollten verlorenes Vertrauen in den Strommarkt wiederherstellen und stärken. Dafür braucht es auch die Definition von effektiven Good Governance-Regeln, die zügig festgelegt und implementiert werden müssen.

Resümee

Deutschland und Europa stehen vor einer großen Herausforderung: In Zeiten tiefgreifender und dynamischer geopolitischer Veränderungen und daraus resultierender erheblicher Unsicherheiten soll eine bislang beispiellose Transformation der gesamten Volkswirtschaft hin zur Klimaneutralität erfolgen. Dem Stromsektor kommt dabei eine
besondere Rolle zu. Der Transformationsprozess des Stromsektors soll im vorgesehenen Zeitrahmen erfolgen und die Bezahlbarkeit von Strom für die sektorübergreifende Dekarbonisierung soll gewährleistet bleiben. Zudem soll die Versorgungssicherheit in einem zunehmend von erneuerbaren Energien geprägten Stromsystem erhalten und gestärkt werden. Für eine effiziente Energiewende muss das Strommarktdesign so ausgestaltet werden, dass es eine möglichst weitgehende Sektorenkopplung erlaubt, die die volkswirtschaftlich effizientesten Lösungen im Energiesystem ermöglicht. Dies setzt voraus, dass auch der Strommarkt und seine Mechanismen weiterentwickelt werden, um dieser enormen Herausforderung gerecht werden bzw. eine adäquate marktliche Grundlage für eine erfolgreiche Transformation bilden zu können. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass neben der Erlöskomponente für die Bereitstellung von Megawattstunden eine weitere für die Verfügbarkeit von Megawatt
etabliert wird. Dabei müssen die Gesamtkosten bei optimaler Ausgestaltung nicht über die des derzeitigen Strommarkts steigen. Darüber hinaus müssen die Voraussetzungen für umfangreiche weitere Investitionen in dargebotsabhängige Erzeugungsanlagen ebenso wie in vielfältige Flexibilitätsoptionen in Form von Erzeugungs-, Speicher-, Sektorkopplungs- und auch Verbrauchsanlagen geschaffen werden, denn Flexibilität wird und muss zunehmend zu einer Art Leitwährung der Energiewende werden. Die Risikoprofile der Investoren müssen dabei ebenso berücksichtigt werden wie die Belange und Interessen der Verbraucher. Die Förderung von dargebotsabhängigen EE-Anlagen, die zum Erreichen der politisch definierten Ausbauziele notwendig ist, könnte z. B. über eine Umstellung auf ein mengenbasiertes System näher an den Markt herangeführt werden. Um dies zu erreichen, müssen etablierte Paradigmen in Frage gestellt werden können und eine Technologie-, Digitalisierungs- und Technologiefreundlichkeit zu einem der Leitprinzipien einer Weiterentwicklung des Strommarkts werden.
Die Stakeholder-Plattform Strommarktdesign hat in insgesamt vier thematischen Diskussionsrunden dieses Ergebnispapier erarbeitet. Dieses soll auch
einen Impuls für die Debatte über die Weiterentwicklung des Strommarktdesigns liefern, die in den kommenden Wochen und Monaten durch das BMWK angestoßen werden soll und in die sich die Mitglieder der Plattform sehr gerne aktiv einbringen. Zugleich möchten die Mitglieder der Plattform möglichst viele Akteure aus Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft dazu einladen, mit ihnen über die Inhalte dieses Ergebnispapiers in den offenen und konstruktiven Dialog zu treten.

Portraitbild von Dr. Matthias Stark
Ansprechpartner*in

Dr. Matthias Stark
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Leiter Fachbereich Erneuerbare Energiesysteme


E-Mail an Dr. Matthias Stark schreiben
0151 17123012


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