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BEE-Handreichung zur Stromerlösabschöpfung

13. Juni 2023

Die überarbeitete Fassung der Handreichung zum StromPBG berücksichtigt die gesetzlichen Änderungen (zur bereits beschlossenen Novelle sowie zum weiteren Reparaturgesetz), die Äußerungen der BNetzA und das Tool der ÜNB. Zusätzlich ist in der Einleitung sowie in Kap. 1.4 auf das Auslaufen des StromPBG hingewiesen.

Einführung

Das „Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen“ ist am 23.12.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Damit ist das Strompreisbremsegesetz (StromPBG)1 in weiten Teilen am 24.12.2022 in Kraft getreten. Das StromPBG enthält neben Entlastungen für Stromverbraucher*innen auch Regelungen zur Abschöpfung von sog. Überschusserlösen, insbesondere ist die teilweise Abschöpfung der Vermarktungserlöse von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien vorgesehen.

Der Gesetzgeber setzt mit dem StromPBG die Vorgaben der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates vom 06.10.2022 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise (Notfallmaßnahmen-VO) um. Das StromPBG geht allerdings über die in der Notfallmaßnahmen-VO vorgegebene Obergrenze für Markterlöse von 180 Euro je MWh erzeugter Elektrizität hinaus, indem für jede betroffene Erzeugungstechnologie eine eigene, zumeist niedrigere Erlösobergrenze vorgegeben wird. Bei den erneuerbaren Energien ist die Erlösobergrenze sogar für jede einzelne Anlage individuell zu berechnen. Da die Anlagenbetreiber*innen nicht nur finanziell in die Pflicht genommen werden, sondern auch die Abschöpfungsbeträge selbst ermitteln und melden sollen, löst das StromPBG einen erheblichen Umsetzungsaufwand für die betroffenen Anlagenbetreiber*innen aus.

Zwischen dem Erlass der Notfallmaßnahmen-VO und dem Inkrafttreten des StromPBG liegen weniger als zwölf Wochen, das Gesetzgebungsverfahren wurde also in extrem kurzer Zeit durchgeführt. Daher ist es nicht überraschend, dass es bereits zwei Reparaturgesetze gibt. Das Gesetz zur Änderung des Strompreisbremsegesetzes sowie zur Änderung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes2 wurde am 31.03.2023 im Bundestag verabschiedet und ist am 27.04.2023 in Kraft getreten. Außerdem wurde am 17.05.2023 der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes, zur Änderung des Strompreisbremsegesetzes sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Gesetze3 (im Folgenden nur „Anpassungsnovelle“) von der Bundesregierung in den Bundestag eingebracht.

Der Geltungszeitraum der Erlösabschöpfung ist nach dem StromPBG auf Erlöse für Strommengen begrenzt, die vom 01.12.2022 bis 30.06.2023 erzeugt werden. Eine Verlängerung dieses Zeitraums auf bis zum 30.04.2024 erzeugte Strommengen im Verordnungswege ist nach dem Gesetz zwar möglich. Voraussetzung wäre allerdings die Feststellung der Bundesregierung in einem bis zum 31.05.2023 vorzulegenden Bericht, dass eine Verlängerung des zeitlichen Anwendungsbereichs im Hinblick auf die Strompreisentwicklung oder das Funktionieren des Strommarktes gerechtfertigt ist. Dieser Bericht wurde – mit leichter Verspätung – am 08.06.2023 vorgelegt und ist zu dem Schluss gelangt, dass die Regelung zur Abschöpfung von Überschussgewinnen nicht über den 30.6.2023 hinaus verlängert werden soll.4 Eine Verlängerung der Erlösabschöpfung im Verordnungswege über den 30.06.2023 hinaus ist damit ausgeschlossen.

Mit dieser Handreichung soll den Anlagenbetreiber*innen eine praktische Hilfestellung an die Hand gegeben werden, um die Pflichten aus dem StromPBG erfüllen zu können.

Die vom BEE vertretenen Branchen sind von der Stromerlösabschöpfung unterschiedlich betroffen. Sowohl im Bereich Windenergie als auch bei der Photovoltaik haben nach wie vor der größte Teil der Anlagen klassische Direktvermarktungsverträge im Marktprämienmodell abgeschlossen. Bei Photovoltaik-Anlagen ist jedoch eine deutliche Zunahme an Festpreis-Verträgen mit mehrjährigen Laufzeiten (sog. Power Purchase Agreements – PPA) festzustellen. Auch bei ausgeförderten Windenergieanlagen sind PPA verbreitet. Bei der Photovoltaik gibt es zudem den Sonderfall von Anlagen, die die Förderung im Rahmen der Innovationsausschreibungen mit der Vermarktung über PPA verbinden.

Für Biogasanlagen sind komplexere Verträge üblich, die neben der klassischen Direktvermarktung eine bedarfsgerechte Erzeugung oder die Vermarktung von Regelleistung als zusätzliche Module vorsehen. In diesem Zusammenhang ist in den letzten Monaten vermehrt zu beobachten, dass Biogasanlagenbetreiber*innen Festpreis-Vereinbarungen als „Add-on“ zu ihrem Direktvermarktungsvertrag abgeschlossen haben.

Insbesondere im Bereich Windenergie und Photovoltaik wurde eine große Anzahl an Direktvermarktungsverträgen von den Direktvermarktungsunternehmen wegen gestiegener Vermarktungskosten zum 31.12.2022 gekündigt. Die Anlagenbetreiber*innen mussten daher im November und Dezember 2022 neue Verträge abschließen.5

Das StromPBG wird dieser vertraglichen Vielfalt nur teilweise gerecht. Es besteht für die meisten Anlagen nur die Möglichkeit, nach einem gesetzlich vorgegebenen Benchmark für die erzielbaren Erlöse abzurechnen. Für Windenergie und Photovoltaik ist der Benchmark der jeweilige energieträgerspezifische Monatsmarktwert, für alle anderen Anlagen wird der Benchmark nach den stündlichen Spotmarktpreisen berechnet. Nur dann, wenn ein Direktvermarktungsvertrag oder PPA bereits vor dem 1.11.2022 abgeschlossen und seitdem nicht geändert wurde, kommt anstelle der genannten Benchmark-Abrechnung eine Abrechnung nach den tatsächlichen Erlösen in Betracht.

Das StromPBG hat damit die Konsequenz, dass ein Neuabschluss von klassischen PPA für bestehende Anlagen mit großen Risiken verbunden ist bzw. praktisch kaum möglich ist, solange die Erlösabschöpfung nach dem StromPBG gilt. Denn wenn Anlagenbetreiber*innen den Strom zu einem Festpreis verkaufen, gehen sie damit das völlig unkalkulierbare Risiko ein, dass Erlöse „abgeschöpft“ werden, die den Anlagenbetreibern tatsächlich überhaupt nicht zugeflossen sind. Für Neuanlagen mit Inbetriebnahme ab dem 1.11.2022 ist der Abschluss von PPA weiterhin möglich. Denn diese Neuanlagen können nach den tatsächlichen Erlösen aus dem PPA abrechnen.

Wenn Anlagenbetreiber*innen den Strom aus ihren Anlagen direkt am Spotmarkt vermarkten und Absicherungsgeschäfte am Terminmarkt (Hedging) geschlossen haben, können die Anlagenbetreiber*innen die fiktiven Erlöse um den Verlust aus dem Hedging korrigieren.6 Da diese Vermarktungsvariante für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien so gut wie keine Rolle spielt,7 wird darauf in dieser Handreichung nicht weiter eingegangen.

Das StromPBG geht davon aus, dass Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nie mit den hohen Markterlösen gerechnet haben, die insbesondere im Sommer 2022 erzielt werden konnten. Trotzdem wird es aber auch Situationen geben, in denen die Erlösabschöpfung zu Härten bei Anlagenbetreibern führen wird. Dies kann etwa neuere Solaranlagen betreffen, die aufgrund des steigenden Strompreisniveaus mit höheren Erlösen aus einem PPA rechnen konnten, oder Biomasseanlagen, die höhere Kosten durch gestiegene Preise für die Einsatzstoffe zu tragen haben.8 Vor diesem Hintergrund ist bedauerlich, dass das StromPBG im Rahmen der Abschöpfung keine Härtefallklausel enthält.

Da die Abschöpfung bereits seit dem 1.12.2022 greift und für die Anlagenbetreiber*innen längeres Zuwarten daher nicht in Betracht kommt, ist auch nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverfassungsgericht korrigierend eingreifen wird.9 Das Bundesverfassungsgericht hat bekannt gegeben, dass dort im März 2023 eine Verfassungsbeschwerde von Betreibern von Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien, die sich gegen die Abschöpfung von Überschusserlösen durch die entsprechenden Vorschriften im Strompreisbremsegesetz wenden, eingegangen ist.10 Mit einer kurzfrisitgen Entscheidung, die unmittelbare Auswirkung auf die aktuelle Abwicklung hat, ist allerdings nicht zu rechnen.

Aber auch für die Anlagenbetreiber*innen, die mit den wirtschaftlichen Folgen der Abschöpfung umgehen können, stellt die Abwicklung eine nicht unerhebliche Herausforderung dar. Der Gesetzgeber des StromPBG verlangt allen Anlagenbetreiber*innen ab, den Abschöpfungsbetrag selbst zu ermitteln. Teilweise sind dafür komplexe Berechnungen auf Basis von Daten durchzuführen, die von den Anlagenbetreiber*innen erst noch beschafft werden müssen. Die Erfahrung mit ähnlichen Projekten wie etwa der Registrierung im Marktstammdatenregister hat gezeigt, dass nicht damit gerechnet werden kann, dass alle Anlagenbetreiber*innen diese Aufgabe fristgerecht erfüllen können.

Wie hoch die Hürden sind, die die Anlagenbetreiber*innen zur Abwicklung der Abschöpfung überspringen müssen, hängt nicht unwesentlich von der Umsetzung des StromPBG durch die Übertragungsnetzbetreiber ab. Das StromPBG verpflichtet die Übertragungsnetzbetreiber, Internetplattformen zu betreiben, über die Anlagenbetreiber*innen die Meldungen nach dem StromPBG abgeben müssen. Die Übertragungsnetzbetreiber haben dazu ein Berechnungstool auf excel-Basis veröffentlicht, welches den Anlagenbetreibern ermöglichen soll, die Abschöpfungsbeträge offline zu ermitteln.11 Das Tool beinhaltet bereits viele für die Berechnung erforderlichen Daten und ist in der Lage, die Berechnung automatisiert durchzuführen. Die vollen Funktionen der Internetplattform zur Meldung der Abschöpfungsbeträge werden zeitnah erwartet.

 


1 Strompreisbremsegesetz vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2512), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. April 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 110) geändert worden ist.

2 BT-Drs. 20/5994.

3 BT-Drs. 20/6873.

4 Bundestag, Ausschuss für Klimaschutz und Energie, Ausschussdrucksache 20(25)378 v. 8.6.2023.

5 Hohe Direktvermarktungsentgelte betreffen neben Windenergie und Photovoltaik auch steuerbare Anlagen. Die Notwendigkeit zum Neuabschluss von Verträgen kann sich auch daraus ergeben, dass Verträge nur mit einer festen Laufzeit bis zum Jahresende abgeschlossen wurden. 

6 17 StromPBG.

7 Mit Ausnahme von Offshore-Windparks.

8 Für Biogasanlagen und Altholzanlagen sieht das StromPBG deswegen höhere Sicherheitszuschläge vor, für andere Biomasseanlagen aber nicht.

9 Wenn die Erlösabschöpfung nach dem StromPBG ganz oder teilweise aufgehoben werden sollte, könnte sich die Frage stellen, ob bereits erfolgte Zahlungen rückabgewickelt werden müssen, wenn der Gesetzgeber dazu keine ausdrückliche Regelung trifft. Anlagenbetreiber, die sich eine Rückforderung vorbehalten wollen, könnten daher prüfen, ob sie bei der Zahlung einen Vorbehalt erklären sollten. Aber auch dann, wenn kein Vorbehalt erklärt wurde, kann ggf. eine Rückabwicklung zu Gunsten der Anlagenbetreiber erfolgen, wenn das Gesetz rückwirkend aufgehoben wird. Der Netzbetreiber als Zahlungsempfänger kann sich gegenüber den Anlagenbetreibern jedenfalls dann nicht auf die Kenntnis der Nichtschuld im Sinne von § 814 BGB berufen, wenn die Zahlung noch vor der Aufhebung des Gesetzes erfolgt ist.

10 BvR 460/23, https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Ausgew%C3%A4hlte%20Neueing%C3%A4nge/vs_2023/Ausgew%C3%A4hlte%20Neueing%C3%A4nge_2023_node.html

11 https://www.netztransparenz.de/StromPBG/Anlagenbetreiber/Tool-zur-Berechnung-der-Ueberschusserloese.

Portraitbild von Dr. Matthias Stark
Ansprechpartner*in

Dr. Matthias Stark
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Leiter Fachbereich Erneuerbare Energiesysteme


E-Mail an Dr. Matthias Stark schreiben
0151 17123012


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