Auf wissenschaftlichen Konsens hören – Keine sogenannten H2-ready-Gasheizungen im Gebäudeenergiegesetz zulassen!
16. Mai 2023
Das Bundeskabinett hat am 19. April das Gesetzgebungsverfahren zur Novelle des Gebäudeenergiegesetzes eingeleitet. Ab 2024 sollen dann neu installierte Heizungen mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Der Gesetzentwurf sieht zugleich vor, dass mit Erdgas befeuerte Gasheizungen eingesetzt werden können, wenn diese technisch dazu in der Lage sind, Wasserstoff zu verarbeiten („H2-ready“) und wenn Gasverteilnetzbetreiber einen verbindlichen Transformationsplan vorlegen, wonach das entsprechenden Versorgungsgebiet bis zum Jahr 2035 auf Wasserstoff umgestellt wird.
Wir fordern die Mitglieder des Deutschen Bundestags auf, diese Erfüllungsoption ( § 71k) aus dem Gesetz zu streichen.
Der Einbau einer neuen Gasheizung in der Hoffnung, diese mittelfristig mit klimaneutralem Wasserstoff betreiben zu können, ist mit immensen ökologischen und finanziellen Risiken verbunden. Angesichts der immer drängender werdenden Klimakrise bleibt keine Zeit, auf Scheinlösungen zu setzen und mit ihnen zu rechtfertigen, dass über viele Jahre weiter mit Erdgas geheizt wird.
Gegen die Erfüllungsoption “H2-ready” sprechen zuvorderst – aber nicht abschließend – die folgenden zehn Punkte.
1. Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass die bisher auf Erdgas basierende Versorgungsstruktur (Netze, Hausanschlüsse, Heizungen) in der Breite des Gebäudesektors nicht auf Wasserstoff umgestellt werden kann. So schreibt der Autor einer umfassenden Vergleichsstudie in der Fachzeitschrift Joule: “This review of the evidence identified 32 independent studies and none of them provides evidence that would support the case for widespread use of hydrogen for heating, although some identify complementary roles of hydrogen particularly in district heating and hybrid heating systems. Policy makers are therefore well-advised to consider the existing research carefully before allocating significant public funds for hydrogen heating” (Joule 9/22, https://doi.org/10.1016/j.joule.2022.08.015).
2. Es ist davon auszugehen, dass grüner Wasserstoff selbst im Zeithorizont nach 2030 ein knappes Gut ist und nur in begrenzten Mengen zur Verfügung stehen wird. Dabei wird der aus erneuerbaren Energien erzeugte grüne Wasserstoff dringend zur Dekarbonisierung von Industrieprozessen und für Spitzenlastkraftwerke benötigt. Vermeidbare Nutzungskonkurrenzen mit dem Gebäudesektor würden dazu führen, dass dieser Wasserstoff für die Industrie und für Backup-Kraftwerke fehlt oder nur noch zu unwirtschaftlich hohen Preisen verfügbar wäre.
3. Auch aus Erdgas erzeugter "blauer Wasserstoff” wird im Gesetzentwurf als Option zur Umstellung der Gasnetze vorgesehen. Förderung und Transport des dafür benötigten Erdgases führen zu zusätzlichen CO2-Emissionen. Blauer Wasserstoff ist also keine erneuerbare Energie oder unvermeidbare Abwärme im Sinne des Gesetzes und darf nur in absoluten Ausnahmefällen und vorübergehend zur Anwendung kommen. Für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist er keine Option.
4. Bestehende Gasnetze und heute am Markt verfügbare Gaskessel lassen technisch nur eine Beimischung von 20 Volumenprozent Wasserstoff zu. Da Wasserstoff auch noch einen deutlich geringeren Heizwert aufweist, lassen sich durch seine Beimischung zum Erdgas nur 7 Prozent der Energie und damit auch nur 7 Prozent der CO2-Emissionen einsparen (und auch nur, wenn es sich dabei um grünen Wasserstoff handelt). Der Rückgang im Heizwert muss durch einen erhöhten Gasverbrauch kompensiert werden.
5. Die Transformation von Gasnetzen auf 100 Prozent Wasserstoff erfordert eine großflächige Umstellung von Leitungen auf allen Druckebenen bis hin zum Hausanschluss. Dafür müssen neue Netze parallel zu den bestehenden Gasnetzen verlegt werden. Die Umstellung kann zudem nur für ganze Straßenzüge synchron erfolgen. Hierdurch entstünden weitere Kosten, die in ihrer Höhe derzeit nicht absehbar sind.
6. Aus den vorgenannten Gründen sind diese Transformationsprojekte mit enormen Kostenrisiken verbunden, insbesondere für die privaten Verbraucher:innen. Deshalb ist zu befürchten, dass mit Transformationsplänen auch die Einführung von kommunalen Anschluss- und Benutzungszwängen für das Gasnetz gerechtfertigt würde, wie sie bereits von der Fernwärme bekannt sind. Kunden würden dann zur Verwendung CO2-verursachender Gasheizungen und zur finanziellen Beteiligung am Gesamtprojekt gezwungen.
7. Das Scheitern von Transformationsprojekten müsste wegen der hohen finanziellen Risiken durch die Anteilseigner des Gasnetzbetreibers, zumeist Stadtwerk oder Kommune, sowie in letzter Verantwortung auch durch die Allgemeinheit abgesichert werden. Diese müssten dann auch für die umgehende Nachrüstung einer alternativen Wärmeversorgung durch Wärmenetze oder Wärmepumpen aufkommen.
8. Wie wirksam die im Gesetzentwurf enthaltenen Kriterien der Verbindlichkeit und finanziellen Absicherung sind, wird sich erst im Nachhinein erweisen. Erste Verlautbarungen aus der Gaswirtschaft, die etwa eine Streckung der Transformationspläne auf einen Zeithorizont bis 2045 fordern, lassen jedenfalls befürchten, dass die Auflagen für diese Risikoprojekte gelockert werden könnten.
9. Aktuell sind Erdgaspreise noch immer stark subventioniert. So etwa durch die Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent, der aufgeschobenen Erhöhung des CO2-Preises und die Gaspreisbremse. So werden viele Gebäudeeigentümer:innen und Verbraucher:innen durch die vermeintlich einfache H2-Ready-Lösung getäuscht.
10. Die Umsetzer der Wärmewende benötigen dringend Planungssicherheit, um verstärkt in die Umstellung zu wirklichen Klimaschutztechnologien einzusteigen. Das unbegründete Inaussichtstellen von Wasserstoff für die Gebäudeversorgung verfestigt hingegen Geschäftsmodelle mit fossilen Energieträgern. Nicht zuletzt würden die nur begrenzt verfügbaren Fachkräfte gebunden und stünden für viele wertvolle Baustellen der Energie- und Wärmewende nicht zur Verfügung.
Beteiligte Verbände:
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