Nach langen Diskussionen haben sich die drei Ampelparteien am 14. Juni auf einen Zweiseiter geeinigt, der als „Leitplanken“ für eine (Neu-)Ausrichtung des Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) und dessen Verbindung mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung (WPG) dienen sollen. Diese
„Leitplanken“ werden von den unterzeichnenden Verbänden als deutlicher Rückschritt angesehen, da sie den ursprünglichen Entwurf des GEG an zentralen Stellen verwässern. Dadurch entstehen nicht nur Bedenken im Hinblick auf die Klimapolitik, sondern auch hinsichtlich des Verbraucherschutzes, weswegen im politischen Prozess nachgeschärft werden sollte.
Es besteht wissenschaftlicher und politischer Konsens darüber, dass bis 2045 Klimaneutralität erreicht werden soll. Daher ist es von großer Bedeutung, bereits jetzt im Wärmesektor die seit Jahrzehnten vernachlässigte Transformation anzugehen und ein ambitioniertes
Gebäudeenergiegesetz vor der Sommerpause zu verabschieden. Die vorgestellten „Leitplanken“ erfüllen dieses Ziel nicht und stellen ein Versagen der Bundesregierung in Bezug auf die Klimapolitik dar.
In den letzten Monaten sind nach Angaben des BDH die Installationszahlen von Gas- und Ölkesseln rasant gestiegen. Allein für dieses Jahr ist mit einer Rekordzahl neuer fossilen Heizungen zu rechnen. Die zeitliche Verschiebung des 65-Prozent-Erneuerbaren-Anforderung bis zum Vorliegen eines kommunalen Wärmeplans lässt daher befürchten, dass Endverbraucher:innen und Fachhandwerk eben nicht abwarten werden, welche Erneuerbaren-Lösung bei ihnen vor Ort am besten geeignet ist. Wir befürchten, dass sich dieser Vorzieheffekt über mehrere Jahre fortsetzen wird, was in der Gesamtsumme zu Millionen neuer Gas- und Ölheizungen sowie zu einer Unmenge an zusätzlichen CO2-Emissionen pro Jahr führen könnte. Aufgrund langwieriger Investitionszyklen würde wahrscheinlich auch der zukünftige Ausbau von erneuerbaren Heizsystemen und Fernwärmenetzen folglich erheblich ausgebremst.
Im Folgenden unterbreiten wir Vorschläge zur gesetzlichen Umsetzung des „Leitplanken“-Papiers. Es handelt sich hierbei um ein Kompromisspapier der unterzeichnenden Verbände, die konstruktiv auf die vorgestellten Leitplanken eingehen möchten. Innerhalb der gegebenen Einigung der Ampelkoalition sollten negative Effekte für den Klima- und Verbraucherschutz so weit wie möglich vermieden werden.
Folgende Forderungen gilt es aus Sicht der zeichnenden Verbände in der Überarbeitung beider Gesetze zu berücksichtigen:
„Eine deutschlandweite kommunale Wärmeplanung streben wir bis spätestens 2028 an.“
„Solange keine Kommunale Wärmeplanung vorliegt, gelten beim Heizungstausch die Regelungen des GEG noch nicht.“
Empfehlungen: Kommunen müssen die Option haben, Teilgebiete frühzeitig, also vor der kompletten Erstellung der kommunalen Wärmeplanung, für die 65-Prozent-Vorgabe des GEG freizugeben. Das wird z.B. in weniger dicht besiedelten Gebieten, wo leitungsgebundene Wärmelösungen nicht ökonomisch sind, viel zur Anwendung kommen. Wo bereits vornherein klar ist, dass etwa keine Transformation bestehender Gasnetze stattfinden wird oder der Aus-/Neubau von Wärmenetzen nicht stattfinden wird, sollten Verbraucher:innen frühzeitig informiert werden und die 65-Prozent- EE-Regelung nach einer angemessenen Übergangszeit auch gelten. Den Anwohner:innen wird so Planungssicherheit geboten, wodurch teure Fehlinvestitionen in fossile und auch „H2-Ready“ Gasheizungen vermieden werden. Darüber hinaus darf es keine pauschalen Ausnahmen von Kommunen unter 10.000 Einwohner:innen geben, wie es im aktuellen Entwurf zur kommunalen Wärmeplanung vorgesehen ist, um einen Flickenteppich zu vermeiden. In Gebieten, wo eine Wärmeplanung bereits vorliegt, sollte das GEG wie ursprünglich vorgesehen ab 2024 gelten. Dies ist keine besondere Hürde für Vorreiterkommunen, sondern eine Chance für Menschen vor Ort, sich jetzt schon frühzeitig resilient gegen steigende Kosten fossiler Energieträger zu wappnen.
Rote Linie: Es ist entscheidend zu verhindern, dass das Inkrafttreten der zentralen Anforderung von 65 Prozent erneuerbarer Energien für neue Heizungen gemäß dem Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) und der kommunalen Wärmeplanung in vielen Regionen pauschal auf 2028 oder aufgrund verlängerter Umsetzungsfristen sogar darüber hinaus verschoben wird. Für die Verknüpfung mit der kommunalen Wärmeplanung muss es jeweils eine sachliche Begründung geben. Wo zum Beispiel weder Wärmenetze noch Gasnetze vorhanden sind, besteht kein Erfordernis, den Ausbau dezentraler erneuerbarer Heizungen zu verschieben. Eine direkte und unflexible Verknüpfung des GEG mit der Wärmeplanung würde bedeuten, dass notwendige transformative Schritte weit in die Zukunft verschoben werden, obwohl angesichts des Zeitdrucks der Klimakrise ein sofortiges Handeln erforderlich ist. Diese drastische Verzögerung darf keinesfalls toleriert werden.
„Bei allen Erfüllungsoptionen werden die diskriminierenden technischen Anforderungen an die Heizung und die Infrastruktur gestrichen.“
„Unnötige ordnungsrechtliche Vorgaben, die weder zur Erfüllung der 65Prozent- Anforderung benötigt werden noch Bestandteil von Vereinbarungen der Koalition sind, werden gestrichen.“
„Wird im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung kein CO2-neutrales Gasnetz geplant, ergeben sich angemessene Übergangsfristen zur Umstellung auf die neue Technologie, die die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung nicht verzögern.“
Empfehlungen: Anforderungen an Heizung und Infrastruktur stellen für die unterzeichnenden Verbände keine unnötigen Hürden, sondern wichtige Anforderungen im Hinblick auf Klima- und Verbraucherschutz dar. Daher ist eine vollständige Streichung dieser Anforderungen abzulehnen. Stattdessen sollten sie an geeigneten Stellen in einem angemessenen Maß beibehalten werden.
Im Falle, dass kein CO2-neutrales Gasnetz geplant wird, müssen die Anforderungen des GEG nachträglich gelten. Zwischenzeitig eingebaute Gas- und Ölheizungen müssen dann wieder ausgebaut bzw. um eine erneuerbare Heizungskomponente ergänzt werden, um das 65%-EE-Gebot zumindest nachträglich zu erfüllen. Falls Kommunen oder Gasnetzbetreiber sich dazu entschließen, lokale oder auch überregionale Gasverteilnetze auf den Weg zur Treibhausgasneutralität auf
„klimaneutrale Gase“ umzustellen, sollten sie verpflichtet werden, spätestens ab 2030 verbindliche und jährliche Monitoringberichte vorzulegen, die transparent über den Fortschritt dieser Transformation berichten. Dadurch wird es Verbraucherinnen und Verbrauchern erleichtert, eine fundierte Entscheidung hinsichtlich der Wahl der Heiztechnologie zu treffen. Es sollten verbindliche Zwischenziele eingereicht werden, damit das Monitoring der Transformation überprüft werden kann. Hier sollte seitens des Gesetzgebers auf Bundes-, aber mindestens auf Landesebene ein klares Set an Mindestkriterien dieses Monitorings und Etablierung von Meilensteinen erarbeitet werden. Dort, wo keine Transformation hin zu CO2-neutralen Gasnetzen geplant ist, sollte dies frühzeitig an die Menschen vor Ort kommuniziert werden müssen, auch schon vor Abschluss der kommunalen Wärmeplanung (s. Punkt 1).
Wenn die Logik des „Leitplanken“-Papiers nun vorsieht, dass Kommunen und Gasnetzbetreiber gemeinsam über die Transformation lokaler fossiler Infrastrukturnetze zur Energieversorgung entscheiden und dadurch Vorgaben für individuelle Verbraucherinnen und Verbraucher festlegen, die ihre Wahlfreiheit ggf. einschränken, sollten Kommunen haftbar gemacht werden, sofern Wasserstoff oder andere grüne Gase später nicht verfügbar sind. Im Sinne einer transparenten Planung sollten Pläne und Kosten für die Transformation offengelegt werden, einschließlich der Vorlage von Lieferverträgen für neue Gase. Dadurch können die Verbraucher:innen auch die Kosten abschätzen. Kommunen müssen sich über ihre große Verantwortung gegenüber den Menschen vor Ort bewusst sein, wenn sie Wärmepläne aufstellen.
Rote Linie: Für den Fall, dass lokal nicht auf ein „CO2-neutrales“ Gasnetz umgestellt wird, darf es nicht zu einem Aussetzen der Anforderungen des GEG kommen. Es gilt zu vermeiden, dass zwischenzeitig neue Gas- und Ölheizungen eingebaut werden, die dann innerhalb weniger Jahre entfernt und durch GEG-konforme Heizsysteme ausgetauscht werden müssen. Die Streichung der Anforderungen an die Transformationspläne etwa der Gasnetzbetreiber darf außerdem nicht dazu führen, dass bis 2045 bedingungslos weiter Erdgas verbrannt wird und dadurch die Klimakrise weiter verschärft wird.
„Solange keine Kommunale Wärmeplanung vorliegt, dürfen ab dem 1.1.2024 Gasheizungen eingebaut werden, wenn diese auf Wasserstoff umrüstbar sind. Dies gilt auch für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten.“
„Liegt eine Kommunale Wärmeplanung vor, die ein klimaneutrales Gasnetz vorsieht, können neben allen anderen Erfüllungsoptionen auch auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen eingebaut werden, [sowie] die kein klimaneutrales Gasnetz vorsieht, dürfen Gasheizungen nur dann weiter eingebaut werden, wenn sie zu 65 % mit Biomasse, nichtleitungsgebundenem Wasserstoff oder seinen Derivaten betrieben werden.“
Empfehlungen: Um potenzielle Kostenfallen für Verbraucher:innen zu vermeiden, sollte die Verwendung von Wasserstoff als Option für den Neubau gestrichen werden, da bereits klimafreundlichere Alternativen vorhanden sind. Insbesondere bei der verpflichtenden Energieberatung sollte sorgfältig auf die Verfügbarkeit, Kostenentwicklung und Nutzung aller Wasserstoffoptionen geachtet werden, um sicherzustellen, dass Verbraucher:innen nicht von den Illusionen einer Wasserstofflösung getäuscht werden.
Falls sich Eigenheimbesitzer:innen dennoch für die Nutzung einer Wasserstoff-Heizung entscheiden, sollten sie in einer rechtlich abgesicherten Erklärung gegenüber dem Heizungsinstallateur oder Energieberater deutlich machen, dass sie sich der Risiken der Wasserstoffnutzung bewusst sind und selbst haften. Spätestens ab 2035 sollten diese Eigenheimbesitzer:innen verpflichtet werden, die 65- Prozent-Vorgabe anzuwenden, es sei denn, es ist eine zuverlässige Wasserstoffversorgung seitens der Kommune und/oder Gasnetzbetreibenden durch die kommunale Wärmeplanung gewährleistet.
Rote Linie: Wir befürchten, dass aufgrund der fehlenden regulatorischen Vorschriften, die Nutzung von sogenannten „wasserstofffähigen“ Heizungen dazu führt, dass bis 2045 weiterhin fossiles Erdgas in den Heizungskellern der Republik verbrannt werden darf. Dies ist mit Blick auf Klima- und Verbraucherschutz eindeutig abzulehnen.
„Ab 1.1.2024 darf der Verkauf von entsprechenden Heizungen nur stattfinden, wenn eine Beratung erfolgt, die auf mögliche Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und die mögliche Unwirtschaftlichkeit hinweist. Darüber hinaus wird es entsprechende Aufklärungskampagnen über CO2-Bepreisung und Klimaschutzgesetz geben.“
Empfehlungen:
Eine solche unabhängige Beratung sollte verbindlich sein, falls der Einbau von fossilen Heizungen erfolgen soll, die nicht den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) entsprechen. Insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von CO2-Preisen, die Verfügbarkeit und Kosten von „klimaneutralen“ Gasen, Auswirkungen auf Natur und Umwelt sowie Förderinstrumenten, sollte eine Beratung nach einheitlichen Kriterien entwickelt werden. Wir schlagen vor, dass diese Beratung in Form einer Checkliste gestaltet werden sollte, die individuell auf die Bedürfnisse der Verbraucher:innen zugeschnitten werden kann. Dabei sollte die Beratung auf einer einheitlichen Datengrundlage basieren.
Des Weiteren setzen wir uns dafür ein, dass diese Beratung, die unserer Meinung nach zwingend erforderlich ist, auch die Faktoren der Energieeffizienz berücksichtigt und gegebenenfalls bestehende individuelle Sanierungsvorgaben einbezieht.
Rote Linie: Es darf keine Beratung geben, die nicht auf wissenschaftlichen Fakten beruht. Es darf keinen Flickenteppich in der Beratung sowie Bereitstellung notwendiger Informationen geben. Dies würde zu Verunsicherung und Verwirrung bei Verbraucher:innen führen.
„Ein besonderes Augenmerk muss auf das Vermieter-Mieter-Verhältnis gelegt werden. Mieter sollen nicht über Gebühr belastet werden. Vermieter solle Anreize haben, in moderne Heizungssysteme zu investieren. Daher werden wir die bestehende Förderkulisse unter Berücksichtigung der Modernisierungsumlage weiterentwickeln und bei Investitionen in eine klimafreundliche Heizung eine weitere Modernisierungsumlage unter der Voraussetzung einführen, dass eine Förderung in Anspruch genommen wird und die Mieterinnen und Mieter von der Inanspruchnahme der Förderung auch unter Berücksichtigung der weiteren Modernisierungsumlage finanziell profitieren.”
„Haushalte dürfen im Rahmen notwendiger Neuinvestitionen nicht überfordert werden. Deshalb wird es von Seiten des Bundes eine Förderung geben, die aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert wird und die möglichst passgenau die einzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft berücksichtig.“
Empfehlungen: Den Satz „Mieter sollen nicht über Gebühr belastet werden“ möchten wir zunächst hervorheben, wie er in den vorgelegten Leitplanken formuliert ist. Es ist äußerst wichtig zu vermeiden, dass zusätzliche soziale Ungleichheiten entstehen und das bereits bestehende Dilemma zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen weiter verstärkt wird, insbesondere aufgrund bereits bestehender und übermäßig hoher Modernisierungsumlagen. Die unterzeichnenden Verbände sind sich nicht im Klaren darüber, was eine weitere Modernisierungsumlage genau bedeutet und an Konsequenzen mit sich bringt.
Wir empfehlen daher, dass Vermieter:innen keine zusätzlichen Umlagen auf Mieter:innen übertragen können, falls sie in der Zwischenzeit bis zur Vorlage eines kommunalen Wärmeplans neue klima- und umweltschädliche Heizanlagen installieren. Generell möchten wir betonen, dass es zwar für Vermieter:innen derzeit wirtschaftlich sinnvoll sein mag, auf fossile Energieträger zu setzen, dies jedoch für Mieter:innen erhebliche Risiken in Bezug auf Preissteigerungen mit sich bringt.
Rote Linie: Wir lehnen entschieden die Einführung einer zusätzlichen Modernisierungsumlage ab, die zu Lasten der Mieter:innen geht und somit die soziale Akzeptanz der Wärmewende insgesamt gefährdet. Bei der Neugestaltung der Förderpolitik muss insbesondere auf einkommensschwache Haushalte besonderes Augenmerk gelegt werden, um sicherzustellen, dass sie angemessen berücksichtigt werden. Eine pauschale und einkommensunabhängige Förderung lehnen wir ab.
1 Die zeichnenden Verbände haben teilweise unterschiedliche Auffassungen bzgl. der Nutzung von Biomasse. Fragen rund um die Nutzung von Biomasse werden daher explizit ausgeklammert.
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