Im Dezember 2020 übermittelte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur zügigen und…
1. April 2021
Im Dezember 2020 übermittelte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur zügigen und sicheren Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen in die Verteilernetze und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften (SteuVerG). Nach weitreichender Kritik durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren zog das BMWi den vorab übermittelten Entwurf zurück.
Grundsätzlich begrüßt der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) die Bemühungen des BMWi, Potenziale steuerbarer Verbrauchseinrichtungen auf Entnahmeseite der Verteilnetze zu nutzen. Eine Flexibilisierung des Verbrauchs kann bei richtiger Ausgestaltung an verschiedenen Stellen im Stromversorgungssystem zur Verbesserung der Kosteneffizienz und der Versorgungssicherheit beitragen. Dies betrifft jedoch nicht nur die Verteilnetze, sondern die Sektorenkopplung und marktliche Steuerung der Verbrauchseinrichtungen insgesamt.
Mit diesem Positionspapier möchte der BEE in der weiter andauernden Debatte dazu beitragen, eine sowohl der Sektorenkopplung als auch Netzstabilität gleichermaßen dienende Lösung umzusetzen.
Aus Sicht des BEE wird durch die zukünftig stark steigende Anzahl flexibler Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Elektromobile der Leistungsbedarf in der Niederspannung deutlich zunehmen, obgleich die Niederspannungsinfrastruktur nicht auf diesen steigenden Leistungsbedarf ausgerichtet ist. Dadurch kann es zukünftig auch in der Niederspannung vermehrt zu Netzengpässen kommen. Durch die daraus resultierenden, zu erwartenden Netzstabilisierungsmaßnahmen der Verteilnetzbetreiber sieht der BEE den Markthochlauf von Sektorenkopplungstechnologien und das schnellstmögliche Vollziehen der Energiewende insgesamt als gefährdet an.
Dieses Risiko wird nach Auffassung des BEE jedoch nicht alle Netzgebiete und -stränge in der Niederspannung gleichermaßen betreffen. Daher ist es in einem ersten Schritt von zentraler Bedeutung, die „Hot-Zones“ der jeweiligen Netzgebiete, in denen nachweislich Netzengpässe durch den Hochlauf von Sektorenkopplungstechnologien drohen, zu identifizieren und sichtbar zu machen. Nur so kann eine präventive Netzbewirtschaftung auf Basis bekannter Engpässe ermöglicht werden, die nicht zu einem pauschalen Übersteuern zu Lasten der Verbraucher führt. Die Basis dafür ist jedoch eine umfassende Digitalisierung der Verteilnetze. Deren Betreiber greifen jedoch auch im Jahr 2021 noch immer teilweise auf analoge Messeinrichtungen zurück.
Neben der grundsätzlich notwendigen Digitalisierung ist auch die Einführung eines geeigneten Steuerungsmodells unabdingbar. Zu diesem Zweck wurde vom BMWi die vorhandene Verordnungsermächtigung des §14a EnWG genutzt und die Weiterentwicklung der Regelungen für die netzdienliche Steuerung in der Niederspannung angestrebt. Zur konkreten Ausgestaltung hat das BMWi mit Unterstützung des aus EY und BET bestehenden Beraterkonsortiums einen langwierigen Stakeholder-Prozess durchgeführt, an dem sich auch der BEE beteiligt hat. Im Ergebnis wurde eine grundlegende Neufassung des §14a vorgeschlagen, in deren Zentrum das so genannte Spitzenglättungsmodell steht. Nach weitreichender Kritik durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren hat das BMWi den vorab übermittelten Entwurf der Neufassung jedoch zurückgezogen.
Im Wesentlichen handelte es sich beim vorgeschlagenen Spitzenglättungsmodell um einen regulatorischen Ansatz mit netzorientierter Fahrweise, der mit der verpflichtenden Teilnahme der flexiblen Verbrauchseinrichtungen an der netzdienlichen Steuerung einhergeht. Das Modell weist eine Vielzahl von Mängeln auf, z.B. im Bereich der technischen Anforderungen an Anlagen oder der Bilanzierung und den Bilanzausgleichskosten, die der BEE in seiner Stellungnahme1 im Rahmen des Konsultationsverfahrens des BMWi bereits benannt hat. Darüber hinaus ist grundsätzlich zu kritisieren, dass dieses Modell nur beim Herunterregeln des Verbrauchs ansetzt. Das Zusammenbringen von dargebotsabhängiger Erzeugung und Verbrauch, also echter Flexibilisierung, bleibt völlig unberücksichtigt. Systemdienliche Lasterhöhung wird mit dem bisherigen Vorschlag nicht ermöglicht, auch wenn Erneuerbaren-Stromerzeugung verfügbar und das Netz die entsprechenden Kapazitäten hat. Statt, wie energiepolitisch gewünscht, größere Mengen Erneuerbarer Energie zu integrieren, erfolgt kein Anreiz zur Erhöhung der Verbraucherflexibilität.
Demgegenüber können, sich ebenfalls in der Diskussion befindliche, rein preisorientierte Ansätze über zeitlich variable Netzentgelte nicht sicher gewährleisten, dass Netzengpasssituationen behoben werden können. Im Notfall muss hierbei deswegen immer weiterhin auf die Eingriffsmöglichkeiten des Netzbetreibers zurückgegriffen werden. Verstärkt wird dieser Effekt aufgrund des Umstandes, dass marktlich induzierte Preisanreize über den Strommarkt temporär größere Wirkung entfalten können als die zeitvariablen Netzentgelte und somit falsche zeitliche Anreize zur Fahrweise steuerbarer Verbraucher innerhalb eines Netzstranges bzw. Netzes entstehen. Zudem ist nicht abschließend juristisch geklärt ob zeitlich unterschiedliche Netzentgelte pro Netzstrang innerhalb eines Netzes möglich wären. Des Weiteren besteht auch das Risiko der Generierung zusätzlicher Netzengpässe aufgrund der zeitgleich angeregten Verbräuche steuerbarer Lasten innerhalb eines Netzstranges.
Beide Modelltypen, sowohl das netzorientierte Spitzenglättungsmodell als auch der preisorientierte Ansatz, sind also darauf angewiesen, dass in Situationen, in denen die jeweiligen Fahrweisen zu physikalischen Engpässen führen, der Netzbetreiber regulierend eingreift, d.h. die Verbrauchseinrichtungen im Notfall herunterregelt. Diese direkten Eingriffe des Netzbetreibers führen bei fehlendem Redispatch zu nachgelagerten Netzproblemen auf höherer Netzebene, da hierdurch marktlich geschlossene Transaktionen unterbrochen werden und somit Netzeinspeisung in Deutschland ohne Verbräuche stattfindet. Dies würde zu einer Erhöhung der Netzfrequenz führen und verursacht somit einen höheren Bedarf an entsprechender Regelleistung.
Da es noch in dieser Legislaturperiode eine kurzfristige Lösung braucht, um den Markthochlauf von Sektorenkopplungstechnologien nicht durch unverhältnismäßig häufige Eingriffe der Netzbetreiber zu verhindern, erachtet der BEE das vorgeschlagene Spitzenglättungsmodell unter Behebung der bereits angeführten handwerklichen Mängel und unter Berücksichtigung der unten aufgeführten, grundsätzlichen Prämissen als geeignet, um sich in einer Übergangsphase Zeit für die Erarbeitung einer langfristigen Lösung zu verschaffen:
Aus Sicht des BEE kann ein unte r den genannten Prämissen umgesetztes „Spitzenglättungsmodell Plus” eine kurzfristig wirksame, jedoch nur zeitlich begrenzte Lösung im aktuellen Konflikt darstellen.
Vor dem Hintergrund der notwendigen Mobilitätswende und des damit einhergehenden Anstiegs privater Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge sowie der Wärmewende im Gebäudesektor, durch beispielsweise elektrische Wärmepumpen, birgt die Flexibilität des Stromverbrauchs enormes Potenzial, um die Schwankungen im Stromsektor durch die steigenden Anteile volatiler Erneuerbarer Energien auszugleichen. Eine Flexibilisierung des Verbrauchs kann bei richtiger Ausgestaltung an verschiedenen Stellen im Stromversorgungssystem zur Verbesserung der Kosteneffizienz und der Versorgungssicherheit beitragen. Bei der Ausgestaltung einer langfristigen Lösung sollte deshalb einerseits immer möglichst viel marktlicher Spielraum gelassen werden. Nur so können Anreize für flexibles Verbrauchsverhalten gesetzt werden.
Andererseits müssen etwaige regulatorische Rahmenbedingungen immer auch die physikalischen Grenzen des Netzes berücksichtigen. Ist dies nicht der Fall und wird versucht, den Verbrauch allein über Marktanreize zu steuern, so läuft man Gefahr, dass die marktlich induzierten Preisanreize über den Strommarkt temporär größere Wirkung entfalten können als die zeitvariablen Netzentgelte, sodass falsche zeitliche Anreize zur Fahrweise steuerbarer Verbraucher entstehen, denen die physikalischen Grenzen des Netzes nicht gewachsen sind. Letzteres führt dazu, dass im Notfall weiterhin auf die Eingriffsmöglichkeiten des Netzbetreibers zurückgegriffen werden muss.
In diesem Sinne schlägt der BEE die Etablierung eines Auktionsmodells vor, welches einerseits die physikalischen Grenzen des Netzes berücksichtigt, und andererseits zur marktlichen Bereitstellung verbraucherseitiger Flexibilitäten beiträgt.
Der vom BEE vorgeschlagene Lösungsansatz basiert dabei auf der Adaption eines bereits seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich bestehenden Rahmens: dem grenzüberschreitendem Engpassmanagement über Auktionen. Auch hierbei musste damals eine Lösung gefunden werden, um die Netzebene mit der Marktebene zu verbinden. Das BEE Auktionsmodell sieht vor, dass Netzbetreiber über die bereits geforderte Digitalisierung von Niederspannungsnetzen solche Netzstränge frühzeitig erkennen, die in absehbarer Zeit Netzengpassprobleme bekommen, da nicht rechtzeitig Netzverstärkungsmaßnahmen (Trafoaustausch, Querschnittsvergrößerung bei Leitungen usw.) realisiert werden können. Diese Netzstränge werden jährlich vom jeweiligen Netzbetreiber neu definiert und veröffentlicht.
Für alle steuerbaren Verbraucher innerhalb dieser jährlich definierten Übersicht an kritischen Netzsträngen gelten folgende Rahmenbedingungen:
Nach einer entsprechenden Netzverstärkungsmaßnahme können die betroffenen Netzstränge wieder aus der Übersicht herausgenommen werden und fallen somit im darauffolgenden Jahr nicht mehr unter die oben dargestellten Rahmenbedingungen.
Das BEE Auktionsmodell verbindet somit die Netz- mit der Marktebene und lässt nur solche marktlichen Transaktionen zu, welche auch physikalisch umsetzbar sind. Dies verhindert unnötige Netzbetreibereingriffe und führt dementsprechend auch nicht zu den oben erwähnten nachgelagerten Netzproblemen (Frequenzproblematik bzw. künstliche Erhöhung des Redispatch- / Regelenergiebedarfs) der anderen Modelle. Gleichzeitig wird der Preis im Rahmen des Auktionsverfahren marktlich bestimmt und so ein Anreiz für netzorientierte Verbraucherflexibilität gegeben.
Voraussetzung für das Funktionieren des beschriebenen Modells ist die Digitalisierung des Netzes. Nur bei einem ausreichenden Maß an Digitalisierung kann der Netzbetreiber die entsprechenden problematischen Netzstränge identifizieren und die freie Netzkapazität pro Netzstrang bestimmen. Der damit verbundene Aufwand ist jedoch identisch zu den anderen Modellen und stellt somit eine Grundvoraussetzung für die Beherrschbarkeit von Netzproblemen im Niederspannungsnetz dar.
Zusammenfassend weist das BEE Auktionsmodell folgende Vorteile gegenüber den bisherigen diskutierten Modellansätzen auf:
Das vorgeschlagene BEE Auktionsmodell ist absichtlich nur in seinen Grundzügen und den daraus abgeleiteten Vorteilen beschrieben, da der BEE das Modell und seine weitere Ausgestaltung zur offenen Diskussion in der Energiewirtschaft stellen möchte.
Bestimmte, bereits sinnvolle Erweiterungen des Modells, wie z.B. die Sicherstellung der Nutzbarkeit von Sektorenkopplungsanlagen (z.B. Wärmeproduktion durch Wärmepumpen, über einen noch näher zu definierenden Sockelbetrag an zugewiesener Leistung in Abhängigkeit zur Außentemperatur) wären denkbar, sollen aber im größeren Rahmen erst diskutiert und später integriert werden.
Der BEE hofft, mit diesem Ansatz eine grundlegend bessere Integration von steuerbaren Verbrauchern im Niederspannungsnetz zu gewährleisten. Hiermit werden sowohl die aus Sicht des Netzbetreibers wichtigen Aspekte (u.a. Vermeidung von Netzengpässen) als auch die zentralen Aspekte der Verbraucher selbst (Selbstbestimmung, marktliche Konzepte, usw.) sowie die notwendigen Rahmenbedingungen für die Energiewende (u.a. die marktliche Aktivierung von Flexibilitäten, sichere Energieversorgung) kombiniert.
2) Hierbei wird voraussichtlich der Stromlieferant als Aggregator für den Endkunden bei der Auktion automatisiert teilnehmen. Dies ermöglicht die Hebung weiterer Synergieeffekte.
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