Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung wurde am späten Nachmittag des 16. März 2022 mit dem Versand des Entwurfs an eine begrenzte Auswahl an Verbänden in die Verbändeanhörung gegeben.
Wir bedanken uns für die Gelegenheit der Stellungnahme, möchten aber hierbei die Möglichkeit nutzen, die äußerst kurze Fristsetzung von vier Werktagen zu kritisieren. Ein solches Vorgehen hatten wir bereits gemeinsam mit vielen anderen Verbänden in einem offenen Brief an das Kanzleramt am 22.10.2019 thematisiert. Wir bitten die Bundesregierung daher nochmals dringend, ein geordnetes Verfahren der Einbeziehung der Verbände sicherzustellen.
Da der Referentenentwurf entsprechend dem Anschreiben zur Verbändeanhörung in einigen Punkten noch nicht zwischen den Ressorts geeint ist und aufgrund der kurzen Frist zur Stellungnahme, behalten wir uns vor, Ergänzungen im Nachgang einzureichen.
Der schnelle Umbau auf 100% Erneuerbare Energien setzt wichtige Maßnahmen in der Infrastruktur der deutschen Stromversorgung voraus. Dies betrifft sowohl den innerdeutschen Netzausbau (v.a. Höchstspannungsebene), um Engpässe in der Stromversorgung zu vermeiden, als auch den grenzübergreifenden europäischen Stromhandel. Nicht zuletzt die schwelende Energiepreiskrise, die zuletzt zu erheblichen Verwerfungen am Strommarkt führte und sich in höheren Preisen für Endverbraucher äußerte, unterstreicht den Reformbedarf des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Zu den vorgenommenen Änderungen, die zum Großteil positiv zu sehen sind, äußert sich der BEE in Kapitel 1.
Des Weiteren wiederholt der BEE einige seiner in der Stellungnahme vom 09. Februar 2021 bereits geäußerten Anmerkungen zum allgemeinen Reformbedarf hinsichtlich der Nutzungsvoraussetzungen für Bioenergie und Wasserstoff, die der Versorgungssicherheit und der schnellen Umsetzung der Energiewende dienen 1. Diese Vorschläge werden in Kapitel 2 formuliert. Für Stromspeicher-, Photovoltaik- und Bioenergie-relevante Themen verweist der BEE auf die gesonderten Stellungnahmen des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW)2 und des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB).3
Schließlich bringt der BEE in Kapitel 3 im Sinne der Versorgungsicherheit eine weitere Empfehlung zur Verbesserung der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) ein, die im Zusammenhang mit der EnWG Novelle steht.
Im Allgemeinen begrüßt der BEE die Änderungen im EnWG, die der Transparenz und der verbesserten Kommunikation zwischen Netzbetreibern dienen. In Nachfolgenden bringt der BEE einige wichtige Anmerkungen in die laufende Diskussion zur Reform des EnWG ein:
Der BEE begrüßt den Vorschlag, dass nicht nur die mittel- und langfristigen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, sondern auch die klimapolitischen Zielsetzungen in den zukünftigen Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan einfließen müssen.
In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass sich die Übertragungsnetzbetreiber in der Vergangenheit klar über derartige gesetzliche Vorgaben hinweggesetzt haben. Der aktuell diskutierte „Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2037 mit Ausblick 2045, Version 2023“ sieht beispielsweise vor, dass die Stromproduktion aus Biomasse bis zum Jahr 2037 um 67% im Vergleich zu dem aktuellen Wert abnehmen wird. Ein solche Annahme lässt sich in keiner Weise aus dem EEG 2021 ableiten, da hier bereits Ausschreibungsvolumina für Biomasse festgelegt werden, die eine Fortführung der Strommengen in etwa auf dem heutigen Niveau sicherstellen sollen.
§12a Abs. 1 EnWG sollte deshalb nach Satz 2 um folgenden Satz ergänzt werden:
„Dabei muss insbesondere sichergestellt werden, dass die politischen Zielsetzungen, welche für die einzelnen Technologieformen bei der Erzeugung von Strom gelten, in angemessener Weise berücksichtigt werden.“
Nur so kann sichergestellt werden, dass die Simulationen nicht auf Ergebnissen einzelner Studien basieren, welche ggf. im Interesse bestimmter Stakeholdergruppen stehen, sondern auch den politischen Willen des Gesetzgebers berücksichtigen. Insbesondere Aspekte wie Ausbaupfade etc. sind Ergebnis von demokratisch getroffenen Entscheidungen, welche nicht durch die Betreiber von Übertragungsnetzen mit Regelzonenverantwortung vernachlässigt werden dürfen.
Sichergestellt werden muss darüber hinaus jedoch auch, dass die Erreichung der vorgegebenen Klimaschutzziele nicht nur über “externe” Pfade (außerhalb der Bundesrepublik) erreicht werden können, die einen verhältnismäßig schwachen Ausbau der Flexibilitäts- und EE-Kapazitäten im Inland sowie eine starke Importabhängigkeit von Strom- und Energiemengen von anderen Staaten annehmen. Die gesamte Bandbreite der Szenarien im Entwurf des Szenariorahmens 2023 - 2037 der Übertragungsnetzbetreiber entspricht bisher dieser Art von Entwicklungspfad. Dringend notwendig wäre es hingegen, ein Szenario aufzunehmen, das einen “internen” Pfad (Energiesouveränität) darstellt und indem auf einen stärkeren Flexibilitäts- (insb. Elektrolyse und PtH-Technologien) und höheren EE-Ausbau in Deutschland (insbesondere auch Stärkung der Rolle der Bioenergie im Stromsektor) fokussiert wird. Nur im Rahmen eines solchen Szenarios kann Deutschland seine Ziele aus eigener Kraft erreichen und sich aus der Abhängigkeit von der energiepolitischen Vorgehensweise anderer Länder lösen.4
Bei der Berücksichtigung der Netzanschlussbegehren in §14d sollten Netzbetreiber bei der Netzverträglichkeitsprüfung von Einspeisebegehren für regelbare marktgesteuerte Einspeiser (bspw. flexible BHKW, die mit Biogas, oder Biomethan betrieben werden) von einem Betrieb in Zeiten geringer EE-Einspeisung ausgehen. Wenn eine bestehende Biogasanlage für einen Leistungszubau ein solches Netzanschlussbegehren stellt, ist in der Regel von einer Entlastung der Netze auszugehen. Ablehnungen sollten daher vom Netzbetreiber begründet werden.
Laut § 38 Absatz 2 und 3 darf der Grundversorger nun bei der Ersatzversorgung (die ersten drei Monate) einen Aufschlag für erhöhte Vertriebskosten bzw. erhöhte Beschaffungskosten berechnen. Der Aufschlag soll sich auf die Beschaffungskosten der entsprechenden Börsenprodukte begrenzen. Zusätzlich darf der Grundversorger - ohne Fristeinhaltung - das Preisniveau der Ersatzversorgung zum Ersten eines Kalendermonats jeweils neu anpassen. Die Gleichpreisigkeit zwischen Ersatz- und Grundversorgung wird somit aufgehoben.
Einerseits ist es gerechtfertigt, aufgrund der höheren Beschaffungskosten für Grundversorger im Falle einer kurzfristigen des Wechsels in die Ersatzversorgung, die Kosten an die Endkunden weiterzugeben, da sonst - wie zuletzt geschehen - die Grundversorger in eine wirtschaftliche Schwierigkeit geraten. Andererseits gilt es zu bedenken, dass Endkunden die höheren Kosten ggfs. nicht ohne weiteres leisten können. Auch darf der Wegfall der Frist nicht zu sprunghaften monatlichen Anpassungen der Ersatzversorgungspreise führen. Gleichwohl stellt die Ersatzversorgung die Ausnahme dar und ist zeitlich beschränkt. Endkunden sind also gegebenenfalls nur vorübergehend höheren Preisen ausgesetzt, bevor sie dann in die Grundversorgung fallen. Die Flexibilität in der Preisanpassung, die dem Grundversorger in der Ersatzversorgung eingeräumt wird, gilt es jedoch auch bei Anpassungen nach unten, d.h. bei niedrigen kurzfristigen Beschaffungskosten, sicherzustellen. Sinkt das Strompreisniveau in der kurzfristigen Beschaffung wieder, so müssen diese Änderung auch bei dem Endverbraucher ankommen. Der BEE fordert daher diesen Umstand ebenfalls im Gesetzestext zu verankern.
Der BEE hat in seiner Stellungnahme zum “Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht” vom 09.02.2021 verschiedene Kritikpunkte eingebracht.5
Einige der in der genannten Stellungnahme aufgeführten Kritikpunkte sind noch immer aktuell. Insbesondere die gesetzlichen Vorgaben zur Regulierung von Wasserstoffnetzen und zur Ausgestaltung von Netzentgelten im Bereich der Wasserelektrolyse bedürfen weiterhin dringend einer Anpassung. Die entsprechenden Änderungsvorschläge bzw. Anpassungsbedarfe sind deshalb unten noch einmal aufgeführt.
Der BEE begrüßt die in diesem Paragrafen eindeutig formulierte Trennung zwischen Erzeugung/Verbrauch und Netzbetrieb. Die geforderte Entflechtung sollte jedoch auch vollständig auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erfolgen.
Eine wichtige Grundlage der Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit von Wasserstoffinfrastrukturen ist eine Prüfung von Angebot und Nachfrage. Bei der Prüfung des Angebots von Wasserstoff sollte im Blick behalten werden, dass der Markthochlauf von Wasserstoff kein Selbstzweck ist, sondern der Erreichung der Klimaziele dient. Der Aufbau von Wasserstoffinfrastruktur sollte sich deshalb an der Verfügbarkeit von Grünen Wasserstoff orientieren.
In Absatz 4 dieses Paragrafen sollte darüber hinaus klargestellt werden, dass durch die Umrüstung einer Erdgasinfrastruktur zu einer Wasserstoffinfrastruktur, die im EnWG und der Gasnetzzugangsverordnung festgelegte vorrangige Einspeisung von Biogas in Gasnetze nicht ausgehebelt wird und weiter Bestand hat.
Der BEE sieht die Gefahr, dass der Fall des Marktversagens von den Netzbetreibern als Vorwand genommen wird, um die klare Trennung zwischen Netz und Erzeugung/Speicherung aufzubrechen und auch selbst Power-to-Gas-Anlagen, wie beispielsweise Elektrolyseure, zu betreiben.
Unter dieser Maßgabe sieht der BEE die Ausführungen in § 28q Absatz 2 kritisch. Es muss sichergestellt sein, dass Netzbetreiber nicht selbstständig Elektrolyseure projektieren und betreiben und gleichzeitig (in Ausübung ihrer Pflicht als Netzbetreiber) verpflichtende Anforderungen für diese Tatbestände definieren. Letzteres würde eine unzulässige Diskriminierung Dritter bedeuten.
§ 118 Abs. 6 S. 7 EnWG regelt, dass Anlagen, in denen durch Wasserelektrolyse Wasserstoff erzeugt oder in denen Gas oder Biogas durch wasserelektrolytisch erzeugten Wasserstoff und anschließende Methanisierung hergestellt worden ist, nicht von den Netzentgelten befreit werden. Dieser Satz sollte erweitert werden und festlegen, dass Elektrolyseure, Power-to-HeatAnlagen und andere Sektorenkopplungstechnologien von den Netzentgelten befreit werden oder zumindest nur eine reduzierte Abgabe zu leisten haben, wenn sie sich auf ein Netzsignal hin netzdienlich verhalten.
Über die Änderungen im EnWG hinaus sieht der BEE einen wichtigen Änderungsbedarf hinsichtlich der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) im Sinne der Versorgungssicherheit. In der GasNZV galt bislang für den Anschluss von Anlagen zur Produktion Erneuerbarer Gase wie Biomethan und Wasserstoff ein Deckel für die Beteiligung des Anlagenbetreibers an den Kosten des Netzanschlusses (250.000 € für den ersten Kilometer Leitung inkl. der Einspeiseanlage; jenseits des ersten Kilometers erfolgte dann eine Aufteilung im Verhältnis ¼ für den Anlagenbetreiber und ¾ für den Netzbetreiber; § 33 Abs. 1 GasNZV). Seit Herbst 2021 wendet die Bundesnetzagentur (BNetzA) den Kostendeck el für die meisten neuen Netzanschlussprojekte dergestalt an, dass bei Projekten mit einer Anschlussleistung von mehr als 1 km alle Kosten im Verhältnis ¼ (Anlagenbetreiber) zu ¾ (Netzbetreiber) aufzuteilen sind, wobei auch die Kosten für die Einspeiseanla ge nicht mehr auf 250.000 € gedeckelt sind, was zu massiven Zusatzkosten für den Anlagenbetreiber führt. Es sollte ein elementarer Bestandteil des Klimaschutzsofortprogramms sowie der Diversifizierung der Gasversorgung sein, die heimische Produktion von er neuerbaren Gasen anzureizen, z.B. durch die Umrüstung von Biogasanlagen auf die Gaseinspeisung oder die Errichtung von Elektrolyseuren. Aus diesem Grund sollte mit der laufenden Novelle des Energiewirtschaftsrechts auch die GasNZV geändert und der Beteilig ungsdeckel in seiner bisherigen Form wiederhergestellt werden.
1 Siehe hierzu auch die BEE Stellungnahme „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht“
2 Siehe Stellungnahme des BSW
3 Siehe Stellungnahme des HBB
4 Siehe hierzu auch die BEE-Stellungnahme zum Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber zum Szenariorahmen 2023 - 2037
5 Siehe hierzu auch die BEE Stellungnahme „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht“
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