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Stellungnahme

Stellungnahme zur Konsultation der Bestimmung des angemessenen finanziellen Ausgleichs nach § 13 a Abs. 2 EnWG

31. März 2022

1. Vorbemerkung

Zum Stichtag 01.10.2021 ist das Einspeisemanagement vom Erneuerbaren-Energien-Gesetz in das Energiewirtschaftsgesetz eingegliedert und in den Redispatch 2.0 überführt worden. Dadurch sind viele Anlagen der Erneuerbaren-Energie-Branche seit Ende 2021 von neuen Pflichten und Anforderungen betroffen, die bisher nur die konventionellen Erzeugungsanlagen betrafen.

Der BEE begrüßt grundsätzlich, dass auch EE-Anlagen > 100 kW im Redispatch 2.0 eingebunden werden, um bei der Umsetzung einer 100% Erneuerbaren Energieversorgung auch die Netzstabilität zu wahren. Jedoch erfordert die Diversität der Branche ein hohes Maß an unterschiedlichen Lösungen. Zurzeit stehen die Branche und ihren betroffenen Stakeholder noch vor zahlreichen Fragestellungen, die zeitnah geklärt werden müssen.  Insbesondere durch die hinzugekommenen Ausgleichsmechanismen, sowohl finanziell als auch bilanziell, bestehen in der Branche und seinen Stakeholdern viele offene Fragen, weshalb wir Sie bitten, die folgenden Aspekte im Rahmen der weiteren Diskussion aufzugreifen. 

Der BEE arbeitet gemeinsam mit weiteren Verbänden aus der Erneuerbaren-Energien-Branche an spartenübergreifenden Energiethemen. Deshalb verweist der BEE auf die Stellungnahme des Fachverbands Biogas „zur Konsultation der Bestimmung des angemessenen finanziellen Ausgleichs nach §13a Abs. 2 EnWG im Wege einer Festlegung nach §13j Abs. 1 S. 2 EnWG i.V.m. 29 Abs. 1 EnWG“, welche der BEE vollumfänglich mitträgt. 

 

2. Definition der „zusätzlichen Aufwendungen“ und „entgangene Erlöse“

Nach §13 a Abs. 2 Nr. 5 EnWG umfasst der finanzielle Ausgleich von Redispatch-Maßnahmen im Fall der Reduzierung der Wirkleistungserzeugung aus Anlagen nach § 3 Nummer 1 des EEG oder von KWK-Strom i. S. d. § 3 Absatz 1 des KWKG die entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen.

Praktikable Beispiele zu Aspekten wie „entgangene Einnahmen“ und „zusätzliche Aufwendungen“ sind nicht umfassend im aktuellen und gültigen „Leitfaden Einspeisemanagement – Version 3.0“ definiert und führen zu unterschiedlichsten Auslegungen in der Branche. Ein Beispiel hierfür ist die Zwischenspeicherung von Gas bei Biogasanlagen. Während einer Redispatch-Maßnahme kann Gas in gewissen Mengen zwischengespeichert werden. Ist das Speichervolumen jedoch erschöpft werden überschüssige Mengen abgefackelt, wodurch neben zusätzlichen Kosten auch eine vermeidbare Verschwendung von Gasmengen verbunden mit CO2-Emissionen entsteht. Da es keine klare Nachweisführung und nur wenig praktikable Beispiele gibt, würde der BEE eine praxisnahe und einheitliche Lösung sowie eine Ergänzung im Leitfaden befürworten. 

Weitere Details dazu können der Stellungnahme des Fachverbands Biogas entnommen werden.

Im Rahmen der neu definierten Anforderungen im Redispatch 2.0 werden komplexe Anforderungen und Pflichten an die Anlagenbetreiber gestellt, weshalb in den meisten Fällen eine Auslagerung auf externe Dienstleister als „Einsatzverantwortlichen“ und „Betreiber der Technischen Ressource“ erfolgen muss. Diese zusätzlichen Kosten werden durch die Dienstleister aufgrund der komplexen Anforderungen durch Marktkommunikationsprozesse und Abrechnungen der Redispatch-Maßnahmen in Rechnung gestellt und von den Anlagenbetreibern getragen. Hierbei handelt es sich jedoch um einen kausalen Zusammenhang in Verbindung mit den Netzengpassmaßnahmen, da ohne diese keine „zusätzlichen Aufwendungen“ – über die „entgangenen Erlöse“ hinaus – entstanden wären. 

Deshalb bittet der BEE um eine Klarstellung bzgl. der Definition der „zusätzlichen Aufwendungen“ und „entgangenen Einnahmen“ mit einem besonderen Fokus auf die Abrechnungsprozesse nach Redispatch-Maßnahmen und der dadurch entstehenden Mehrkosten.

Des Weiteren sind zukünftige Regelungen für den anteiligen Werteverbrauch der Anlagen, analog zu den konventionellen Kraftwerken, zu erlassen. Serienschaltungen von Anlagen oder das Absenken der Leistung von 100 % auf 0 % Leistung bei elektrischen Motoren kann zu deutlich höherem Verschleiß als im Regelbetrieb führen. Für die Bewertung solcher Werteverbräuche sind nur bedingt detaillierte Kennzahlen wie bei konventionellen Großkraftwerken vorhanden, wodurch der Verschleiß nur schwierig und aufwändig zu ermitteln ist. Hier sieht der BEE klaren Nachbesserungsbedarf, um die Verhältnismäßigkeit zu bewahren. 

Weitere Details dazu bitte der Stellungnahme des Fachverbands Biogas entnehmen. 

 

3. Eigenverbrauchs- und KWK-Anlagen

Durch Redispatch 2.0 sind auch kleinere EE-Anlagen > 100 kW im Netzengpassmanagement aufgeführt. Die Integration des kleinteiligen Anlagensegments von PV- und Biogasanlagen, welche nicht selten durch Einzelunternehmen oder private Betreiber geführt werden, bringt vermehrt KWK- und Eigenversorgungsanlagen in das Portfolio des Netzbetreibers. Diese zusätzlichen Anforderungen müssen berücksichtigt und definiert werden, da sonst, wie auch schon vermehrt berichtet, KWK-Anlagen abgeregelt werden und zu einem Stopp der geschützte Wärme- und/oder Stromversorgung führen. 

Eigenverbrauchsanlagen 

Eigenversorgungsanlagen spielen eine wichtige Rolle beim Ausbau der Photovoltaik, denn Gewerbe- und Industriebetriebe haben ein wachsendes Interesse an der eigenen Stromversorgung durch PV-Anlagen zur teilweisen Versorgung der betrieblichen Last, aber auch am Umstieg auf die Elektromobilität. Aber auch bei Biogasanlagen, vor allem bei landwirtschaftlichen Betrieben und in Verbindung mit Wärmeerzeugung, spielt der Eigenverbrauch eine wichtige Rolle. 

Bei der Berechnung des Redispatchvermögens durch den Netzbetreiber darf der Eigenverbrauch – also die aktuelle Last – nach Vorgaben der BMVO (EU-Strombinnenmarkt-VO) nicht mit einbezogen werden, sofern sie dem Netzbetreiber bekannt ist. 

Um dieses Recht wahrnehmen zu können, muss der Einsatzverantwortliche (EIV) des Anlagenbetreibers die Eigenverbrauchsmengen prognostizieren und dem Netzbetreiber als Nichtverfügbarkeit melden. Eine Prognose ist aber mit einer Unschärfe behaftet. Der EIV hat keine Kenntnis über die Betriebsplanung des Gewerbes – also die zu erwartende betriebliche Last -, sondern „nur“ aktuelle und historische Messdaten. Eigenverbrauch kann dann gut vorhergesagt werden, wenn er sich zyklisch gleichbleibend verhält bzw. wiederholt. Sobald der Eigenverbrauch mehr oder weniger „zufällig“ erfolgt, sinkt die Prognosequalität, weil er sich in der Regel aus einer Vielzahl an Stromverbrauchern vor Ort zusammensetzt. Nach Rückmeldungen aus der Branche kann man aus Sicht der Verbände sagen, dass Eigenverbrauch häufig schwer zu prognostizieren ist. 

Ein weiterer Punkt, der beim Schutz des Eigenverbrauchs berücksichtigt werden muss, sind die Stufen bei der Steuerung sowie insbesondere bei motorentechnischen Anlagen, wie z.B. Blockheizkraftwerken an Biogasanlagen, die technischen Restriktionen, denen Motoren aus technisch-physikalischen Gründen unterliegen. Es ist in der Regel nicht möglich ein BHKW in einen beliebig gewählten Teillastbereich zu fahren, sondern der technisch minimal mögliche Teillastbetrieb liegt bei ca. 50% der installierten Leistung des jeweiligen BHKW. Bei sehr vielen Bestandsanlagen lässt die Steuerung der Anlagen keine stufenlose Steuerung zu. Eine Umstellung auf stufenlose Steuerung wäre unverhältnismäßig, weshalb im EEG 2021 für Bestandsanlagen explizit stufenweise bzw. eine An/Aus Schaltung zugelassen ist. Gerade bei letzterer kann durch ein Eingreifen des Netzbetreibers eine Lastspitze entstehen, die zu einem höheren Leistungspreis führen könnte. Gerade zur Vermeidung dieses Szenarios setzen Betriebe Eigenversorgung ggfs. mit Speichern ein. Die dadurch entstehenden Kosten für den Betrieb müssten ermittelt und ausgeglichen werden. 

Um den Eigenverbrauch zu schützen, müssen beide Aspekte bei der Berechnung des Redispatch-Vermögens durch den Netzbetreiber berücksichtigt werden. Nach Ansicht der Verbände ist der Schutz des Eigenverbrauchs im aktuellen Redispatch Prozess nur unzureichend gewährleistet. 

Wird aber keine Regelung gefunden, die sicherstellt, dass Netzbetreiber die Erzeugungswirkleistung nur oberhalb des Eigenverbrauchs berücksichtigt, wird es in der Praxis dazu kommen, dass die Erzeugungsleistung unter die aktuelle Last abgeregelt wird, und für diese Phase Strom von einem zweiten, ggfs. auch mehreren (liefernden) Lieferanten bezogen werden, der die nicht genutzte Eigenerzeugung ersetzt.

Diese Menge muss ebenso ausgeglichen werden wie die entgangene Marktprämie, denn es gilt der Grundsatz, dass der Betreiber nicht schlechter gestellt wird, als wäre der Eingriff nicht erfolgt. Daraus ergeben sich nach Ansicht der Verbände zahlreiche offene Fragestellungen, die sowohl Auswirkungen auf die Bilanzkreise von Lieferanten betreffen, aber auch auf die Ermittlung der Ausgleichsarbeit. 

Es gibt noch keine Regelung, wie diese Ausfallarbeit in den unterschiedlichen Verfahren (Pauschal-, Spitz- oder Spitz-Light) bestimmt wird oder wie der zweite Lieferant eingebunden werden kann. Der betroffene zweite Lieferant ist in den Stammdaten bislang nicht vorgesehen, nimmt bislang nicht am Redispatch teil und ist in den bisher festgelegten Prozessen nicht enthalten.

Insbesondere bei der Pauschalabrechnung fällt es den Verbänden schwer, sich eine geeignete Methode vorzustellen. Muss dann auch der Verbrauch pauschalisiert werden? Im Spitz-(Light) Verfahren könnte eine Ausfallarbeit bestimmt werden, aber das Spitz-(Light)-Verfahren ist gerade für die vielen „kleinen“ Anlagen unverhältnismäßig. Auch müsste festgelegt werden, wie die Aufteilung auf mehrere Lieferanten erfolgen soll. Das betrifft auch die Bezugsbilanzkreise.  Es ergeben sich für Eigenverbrauchsanlagen also zahlreiche Folgefragen, die noch geregelt werden müssen. Das wichtigste ist aber die Vermeidung dieser Kosten durch eine geeignete Regel zum Schutz des Eigenverbrauchs.

KWK-Anlagen

Da der Fachverband Biogas ausführlich zu der Problematik bei KWK-Anlagen Stellung bezogen hat, wird für genauere Spezifikationen auf diese Stellungnahme verwiesen. Die Empfehlung nach einem pauschalen Verfahren, die Kosten für die Ersatzwärmebereitstellung sachgerecht abzurechnen, trägt der BEE vollumfänglich mit.

 

4. Fehlende Regelungen für den positiven Redispatch

Mit dem Redispatch 2.0 ergibt sich die Möglichkeit Netzengpassmanagement sowohl in positiver als auch in negativer Richtung durch erneuerbare Energien durchzuführen, da mit den flexiblem Biogasanlagen ein Hochfahren der Leistung möglich ist. Bereits im Sommer 2021 haben die Netze BW GmbH und die TransnetBW GmbH angekündigt Biogasanlagen zum positiven Redispatch heranziehen zu wollen.  Um diese Möglichkeit nutzen zu können, müssen die Ausgleichsmechanismen und der Umgang mit Opportunitätskosten für den positiven Redispatch klar geregelt werden. Auch die im Rahmen der Konsultation getroffene Aussage der BNetzA: „Nach vorläufiger Einschätzung der Beschlusskammer entstehen bei EE-Anlagen keine Marktopportunitäten“ kann an dieser Stelle nicht zugestimmt werden. Weitere Details zu Biogasanalgen bitte der Stellungnahme des Fachverbands Biogas entnehmen. 

 

5. Uneinheitliche Abrechnung von Redispatch-Maßnahmen

Im Redispatch 2.0 sind die Verteilnetzbetreiber mit der Verantwortung des Erstaufschlages beim Abrechnungsprozess nach der Festlegung der BK6-20-59 versehen worden. Zusätzlich haben bereits im Einspeisemanagement zahlreiche Anlagenbetreiber beklagt, dass die Entschädigungs- und Nachweismechanismen zwischen einzelnen Netzbetreibern stark variieren können. Maßgeblich für den Redispatch sind automatisierte und planungsbasierte Prozesse, welche uns auch in einem Stromsystem mit 100% erneuerbaren und volatilen Energieträgern die Netzstabilität gewährleisten sollen. Hierbei ist die Standardisierung von repetitiven Prozessen ein elementares Werkzeug. Deshalb spricht sich der BEE für die Veröffentlichung eines standardisierten Dokuments zur Abrechnung von Redispatch-Maßnahmen aus, dass durch die BK8 erstellt und bundesweit – sowohl für die Entschädigung von Redispatch-Eingriffen als auch für den Nachweis der zusätzlichen Aufwendungen bzw. ersparten Erträge – für den Markt bereitgestellt wird. Dieses Dokument würde auch eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der in Kapitel 2 aufgeführten Problematik stützen. 

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