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Stellungnahme

Stellungnahme zu vom § 12h EnWG zur marktgestützten Beschaffung von Systemdienstleistungen

10. September 2020

Vorbemerkungen

Am Montag, den 14. September 2020 übermittelte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und weiterer energierechtlicher Vorschriften an den Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) und gab Frist zur Stellungnahme bis Donnerstag, den 17. September 2020, 17:00 Uhr.

Grundsätzlich begrüßt der BEE die Bemühungen der Bundesregierung zu einer Fortschreibung des EEG, um Lösungen für die stark steigende Nachfrage an Strom aus erneuerbaren Energien und zur Erreichung der nationalen und europäischen Klimaschutzziele zu finden.

Der BEE merkt jedoch an, dass für die Länder- und Verbändeanhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf eine Frist zur Prüfung von 72 Stunden erneut sehr knapp bemessen ist. Dies entspricht in keiner Weise den zeitlichen Maßgaben, die für die Beteiligung von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden in einem geordneten demokratischen Verfahren notwendig wären und erschwert eine ausführliche Stellungnahme. Dies wird der komplexen Materie nicht gerecht und stellt einen vermeidbaren Fehler dar.

Folgend bewertet der BEE mit dieser Stellungnahme den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des EEG und weiterer energierechtlicher Vorschriften und benennt den notwendigen Anpassungsbedarf.

Zudem verweist der BEE für vertiefende technologiespezifische Ausführungen auch auf die im Rahmen der Verbändeanhörung eingereichten Stellungnahmen seiner Mitgliedsverbände.

 

Marktbasierte Beschaffung der gesamten Blindleistung

In der Vergangenheit haben Netzbetreiber von Anlagenbetreibern gefordert, Blindleistung bereitzustellen und diese - ohne Rechtsgrundlage - kostenlos an Netzbetreiber abzugeben. Wir bitten den Gesetzgeber, durch eine Änderung des geplanten § 12h EnWG sicherzustellen, dass Netzbetreiber in Übereinstimmung mit dem EU-Recht zumindest zukünftig verpflichtet werden, grundsätzlich die gesamte Blindleistung marktbasiert zu beschaffen.

Anlagen mit einer Anlagenleistung von über zehn Megawatt (MW) sind nach § 13 a Absatz 1 EnWG verpflichtet, die Blindeistungseinspeisung gegen eine Vergütung anzupassen. Für Anlagen < 10 MW sind die Anforderungen in den technischen Anschlussregeln (TAR) vom Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) definiert. Diese bauen auf den vorher bestehenden Regelungen wie u.a. der BDEW Mittelspannungsrichtlinie auf und setzen gleichzeitig die Anforderungen des europäischen „Network Code Requirements for Generators“ (RfG) um. Im Gegensatz zur Möglichkeit der Bereitstellung (Blindleistung), ist jedoch weder die verpflichtende Abgabe von Blindarbeit noch die Vergütung im RfG europarechtlich geregelt. Die TAR sind seit 2019 in Kraft und haben den Blindleistungsstellbereich im Vergleich zu den vorherigen Regelungen erweitert, was zu zusätzlichen Wirkarbeits-Verlusten bei den Anlagenbetreibern führt. Die Erneuerbaren-Energien-Verbände haben dieser Erweiterung nur unter der Maßgabe zugestimmt, dass zeitgleich ein Rahmen für die Vergütung der Blindarbeit geschaffen wird. An dieser Stelle sollte verhindert werden, dass sich Netzbetreiber auf Kosten von Betreibern von regenerativen Stromerzeugungsanlagen wirtschaftlich optimieren, indem diese Blindarbeit nicht vergütet wird, aber der Netzbetreiber keine entsprechende Blindarbeit bei größeren konventionellen Anlagen mit einer entsprechenden Vergütung beschaffen muss.

Im Rahmen der daraufhin etablierten Blindleistungskommission, die vom Wirtschaftsministerium einberufen wurde, haben die Netzbetreiber jedoch eine Vergütung der Blindarbeit innerhalb der Vorgaben der TAR abgelehnt. Es ist allerdings europarechtlich vorgegeben, dass Netzbetreiber Systemdienstleistungen wie Blindleistung ab dem 31.12.2021 marktbasiert beschaffen müssen. Deshalb möchte das BMWi die europarechtlichen Vorgaben, allerdings stark verkürzt, in den § 12 h EnWG überführen. Danach wird die BNetzA die Festlegung der Beschaffungssysteme übernehmen.

Der aktuelle Vorschlag des § 12 h gibt der BNetzA darüberhinaus die Möglichkeit, statt einer eigenen Festlegung die Betreiber von Übertragungs- und Verteilernetzen mit der Spezifikation von zukünftigen technischen Anforderungen in diesem Bereich zu betrauen und diesen Vorschlag anschließend „nur“ zu genehmigen. Sollte die BNetzA davon Gebrauch machen, hätte eine Akteursgruppe, welche sich in der Vergangenheit auf Kosten der Anlagenbetreiber zum Teil optimiert hat, einen entscheidenden Einfluss auf das zukünftige Marktsystem. Anlagenbetreibern und deren Verbänden wird hingegen nur ein Anhörungsrecht gewährt. Sie werden deshalb das Verfahren wohl kaum beeinflussen können. Dieses Vorgehen würde bedeuten, dass eine einzelne Gruppe von Stakeholdern ermächtigt würde, einen rechtlichen Rahmen zur eigenen Optimierung und zulasten der Netznutzer zu schaffen. Aus Sicht der Erneuerbaren-Energien-Verbände ist diese Situation nicht akzeptabel.

Inakzeptabel ist dabei insbesondere, dass in dem Entwurf nicht klargestellt ist, dass grundsätzlich die Beschaffung der gesamten Blindarbeit marktbasiert zu erfolgen hat. Für Netzbetreiber wäre es dann wirtschaftlicher, den derzeitigen Zustand beizubehalten, da man jetzt die Blindarbeit von den Betreibern ohne Vergütung erhält. Es steht zu befürchten, dass diese nur für zusätzliche Bedarfe ein marktbasiertes System aufbauen möchten, und dies auch nur, wenn dies wirtschaftlich effizient ist.

Wir bitten darum, dass der Gesetzgeber zumindest mittels der unten vorgeschlagenen Gesetzesänderung regelt, dass der gesamte Blindstrombedarf marktbasiert zu beschaffen ist.

Derzeit werden die Kosten der Bereitstellung von Blindarbeit auf die Anlagenbetreiber verlagert. Zudem kann die Bereitstellung von „nicht vergüteter“ Blindarbeit nicht diskriminierungsfrei erfolgen. Denn je nach Netzausbauzustand und Lage der EE-Anlage im Netz ist der Bedarf an Blindarbeit unterschiedlich hoch und würde daher zu unterschiedlich hohen Kostenbelastungen bei verschiedenen Anlagenbetreibern führen. Diese Kosten sind nicht selbst verursacht und in der Planung nicht abschätzbar, was die Wirtschaftlichkeitsberechnung erschwert.

Wir schlagen daher vor § 12 h wie folgt zu ändern:

 

BEE Vorschlag 1:

„(1) Betreiber von Übertragungsnetzen mit Regelzonenverantwortung und Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen sind verpflichtet, für ihr jeweiliges Netz in einem transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren die gesamten folgenden Systemdienstleistungen zu beschaffen, soweit diese für einen sicheren, zuverlässigen und effizienten Netzbetrieb erforderlich sind:

  1. Dienstleistungen zur Spannungsregelung,
  2. Trägheit der lokalen Netzstabilität,
  3. Kurzschlussstrom,
  4. dynamische Blindstromstützung,
  5. Schwarzstartfähigkeit und
  6. Inselbetriebsfähigkeit.

Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen haben diese Systemdienstleistungen nur zu beschaffen, soweit sie diese in ihrem eigenen Netz benötigen und die Systemdienstleistungen nicht bereits durch die Betreiber von Übertragungsnetzen mit Regelzonenverantwortung für das gesamte Netz beschafft werden. Die Verpflichtung nach Satz 1 und 2 gilt nicht für Systemdienstleistungen aus vollständig integrierten Netzkomponenten.“

 

BEE Vorschlag 2: einfügen in Absatz 3 (Ergänzung fett):

Dies schließt Anbieter erneuerbarer Energien, dezentraler Erzeugung, von Laststeuerung und Energiespeicherung sowie Anbieter ein, die in der Aggregierung tätig sind. Die Vergütung für die Netzkomponente, die die erforderlichen SDL am günstigsten an dem jeweils benötigten Ort erbringen kann, muss kostendeckend sein.

Zudem sollte die BNetzA aufgefordert werden, auf die bestehenden Arbeiten und Erkenntnisse (Konsens der Blindleistungskommission, Beschaffungsmodelle der Gutachter im Rahmen des Projekts „SDL - Zukunft“) auzubauen. Ein entsprechender Hinweis sollte zumindest in der Begründung zu § 12 h aufgenommen werden.

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