Logo des BEE e.V.

Webseitensuche

Filteroptionen:

bunte Graphen auf blauer elektronischer Tafel
Positionspapier

Positionspapier von BEE und MISEREOR zu den Herausforderungen der Energiewende in Zeiten des russischen Krieges gegen die Ukraine

1. April 2022

Gefährdungen des europäischen Energiesystems proaktiv begegnen jetzt das Richtige und Notwendige tun.

Seit eineinhalb Monaten herrscht Krieg in Europa. Erschüttert blicken wir auf das unermessliche Leid, das Russlands Angriff über die Bevölkerung der Ukraine bringt. Gleichzeitig müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Europas Energiepolitik der letzten Jahrzehnte die Abhängigkeit unserer Energieversorgung von Importen fossiler Energieträger aus Putins Russland deutlich verschärft hat. Es droht nach der bereits seit Herbst andauernden Kostenkrise der fossilen Energien nun auch eine Versorgungskrise. Die Energieversorgung in der EU und insbesondere Deutschlands basiert heute in großem Umfang auf Gas, Öl und Kohle aus Russland. Der konsequente Ausbau regenerativer Energiequellen, um unser Energiesystem gemäß den klimapolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts aufzustellen, ist zwar mit dem „Fit for 55-Paket“ auf dem Weg, muss aber angesichts die ser neuen Krise stark beschleunigt werden. Diese Energieimporte haben bereits über viele Jahre dazu beigetragen, russische Oligarchen zu bereichern und gleichzeitig das russische Regime zu stärken. Deshalb ist das REPowerEU-Paket der EU-Kommission zu begrüßen, das eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien in der EU beinhaltet und das Ambitionsniveau für den Ausbau der Erneuerbaren bis 2030 auf mindestens 45 Prozent weiter anhebt.

Angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine bekommt diese Abhängigkeit eine zusätzliche Dramatik. Sie wird von vielen Entscheidungsträger*innen in Deutschland und Europa als so hoch eingeschätzt, dass ein Importstopp für Öl, Kohle, besonders aber für Gas aus Russland wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Verwerfungen mit sich bringen würde. Der politische Druck angesichts des fortschreitenden Krieges wächst, die Sanktionsliste durch ein Embargo auf Energie-Importe zu erweitern. Das Europaparlament hat jüngst für ein komplettes Embargo von Kohle, Öl und Gas aus Russland gestimmt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die EU-Mitgliedsstaaten angesichts der sich verschärfenden Situation in der Ukraine verhalten. Da gleichzeitig die Preise fossiler Energieträger auf den Weltmärkten und damit auch die Preise für Treibstoff und Heizenergie für die Verbraucher*innen in der EU massiv steigen, versuchen Regierungen europäischer Länder unter Hochdruck, die ökonomischen Belastungen für Bürger*innen und Unternehmen durch zusätzliche Milliardenprogramme sowie durch eine Diversifizierung der Herkunftsländer bei Erdgas und Gesetzes- und Maßnahmenpakete für die beschleunigte Energiewende zu lindern.

Die Weltmarktpreise betreffen jedoch auch viele Länder des Globalen Südens, deren durch die Corona-Pandemie bereits überstrapazierte Staatshaushalte solche Entlastungsprogramme überhaupt nicht leisten können. Zudem steigt der Druck auf viele Länder des Globalen Südens, in denen in den letzten Jahren bereits große Erdgas- und teilweise auch Erdöl-Lagerstätten aufgespürt wurden (u. a. Mozambique, Tanzania und Somalia), diese jetzt auch rasch zugunsten des Energiehungers des Globalen Nordens auszubeuten. Dabei sind die Schlussfolgerungen der Klimawissenschaft aus dem aktuellen IPCC-Bericht klar: mit Blick auf das 1,5°-Ziel muss die Masse der fossilen Rohstoffe in der Erde bleiben. Besonders die Länder des Globalen Südens brauchen die langfristige Perspektive, eine nachhaltige Entwicklung auf Basis heimischer Erneuerbarer Energien in ihren Ländern zu gestalten, ohne die fossilen Lager auszuschöpfen. In dieser Verantwortung stehen auch die Länder, die jetzt fossile Energiepartnerschaften jenseits von Russland suchen. Der kürzlich im Auswärtigen Amt durchgeführte „Berlin Energy Transition Dialogue“ hat unter Beteiligung dutzender internationaler Regierungsdelegationen die vielfältigen Möglichkeiten für eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche globale Energiewende diskutiert. Hier stehen die Industrieländer in besonderer Verantwortung. Die G7-Präsidentschaft Deutschlands sollte dazu einen Beitrag leisten.

 

Gerade jetzt müssen öffentliche Finanzen zielgerichtet zur Beschleunigung des Ausbaus heimischer Erneuerbarer Energien eingesetzt werden, so dass diese „Friedensenergien“ einen schnellen und deutlichen Beitrag zur Energiesouveränität der Länder, zur dauerhaften Bezahlbarkeit und gleichzeitig zur Annäherung an das 1,5°-Klimaziel leisten können. MISEREOR und der BEE schlagen konkrete Maßnahmen vor, die kurzfristig den Verbrauch fossiler Energieträger in allen Sektoren senken und den schnellstmöglichen Ausbau Erneuerbarer Energie vorantreiben:

  • Mit ambitionierten Sofortmaßnahmen muss das Osterpaket der Bundesregierung im parlamentarischen Verfahren nachgebessert und das Sommerpaket auf den Weg gebracht werden, um den Ausbau der regenerativen Energieträger in allen Sektoren zu beschleunigen. Während die Feststellung des Vorrangs aller Erneuerbaren Energien in der Schutzgüterabwägung hilft, die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen, können Bürgerenergie und kommunale Beteiligung noch weiter gestärkt werden. Die im Kabinettsentwurf angelegten Solarzielewerden nur zu erreichen sein, wenn die Bundesregierung die Eigen- und Direktversorgung mit Solarstrom deutlich attraktiver macht und ausreichend Flächen bereitstellt. Auch eine unbürokratische Mieterstromregelung ist überfällig.
  • Der angehobene Ausbaupfad bei der Windenergie an Land ist wichtig, dieser Zubau benötigt jedoch auch Flächen und beschleunigte Genehmigungsverfahren.
  • Für die nachhaltige Bioenergienutzung als stabilisierendes Element im Energiemix fehlen bislang ebenso Perspektiven wie bei der Wasserkraft und der Geothermie. Dabei ist jede Kilowattstundeerneuerbar erzeugter Energie derzeit für den Ersatz der fossilen Importe notwendig.
  • Das Strommarktdesign muss entsprechend der im Koalitionsvertrag vereinbarten „Plattform Klimaneutrales Stromsystem“ endlich an die Welt der Erneuerbaren Energien angepasst werden.
  • Unbedingt notwendig sind deutliche Signale der Bundesregierung, den guten Willen der Bevölkerung, den eigenen Konsum für den Frieden einzuschränken, nach Kräften zu fördern und vor allem jene Bevölkerungsgruppen, die überproportional viel Energie verbrauchen, zu einer sparsamen Haltung anzuregen. Kommunikationskampagnen, Förderprogramme für energiesparende Haushaltsgeräte, eine umfassende Mobilitätswende und der Umstieg auf effiziente, erneuerbare Heizungstechnologien sind aus unserer Sicht geeignete Methoden, um den gesellschaftlichen Rückhalt für Energieeffizienz und -einsparung zu stärken. Gesonderte Maßnahmen benötigen ökonomisch schwache Haushalte.
  • Die Länder des globalen Südens brauchen auch in dieser Krise unsere solidarische Unterstützung für den Aufbau ihrer Energiesouveränität unabhängig von fossilen und nuklearen Energieträgern.
  • Wir fordern die Bundesregierung auf, im Kontext dieser akuten Krise auch Ihren Verpflichtungen und Versprechen für internationale Klima- und Energiegerechtigkeit verstärkt nachzukommen.

Die Zeit ist reif für rasches und entschlossenes Regierungshandeln!

Verwandte Artikel

25.03.2022
Außenansicht des Gebäudes des Bundeswirtschaftsministeriums BMWK
Erneuerbare Energien ermöglichen Energieunabhängigkeit in Deutschland

Der heute im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorgestellte Fortschrittsbericht fasst zusammen, wie die Energieabhängigkeit von…

Mehr lesen
09.03.2022
Europäisches Parlamentsgebäude im Hintergrund mit Flaggen der mitgliedsstaaten im Vordergrund vor blauem Himmel
REPowerEU: BEE begrüßt Pläne zur Reduzierung der Abhängigkeit von Russischem Gas und Beschleunigung der Energiewende

Die Europäische Kommission hat in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung ein Maßnahmenpaket zur Reduzierung der Abhängigkeit von russischen…

Mehr lesen
25.02.2022
Windräder Solarkollektoren und Stromleiter vor einem Himmel bei Sonnenaufgang
Kohle oder Atom sind keine Alternativen zu russischem Erdgas – BEE warnt vor energiepolitischem Rückwärtsgang

Sicherung der Energieversorgung gerät in den Fokus angesichts des russischen Großangriffs auf die Ukraine und der bestehenden Abhängigkeit von…

Mehr lesen

Logo des BEE e.V.
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
EUREF-Campus 16
10829 Berlin
Telefon: +49 30 275 8170 0
Telefax: +49 30 275 8170 20
E-Mail: info(at)bee-ev.de

Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.

Als Dachverband vereint der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) Fachverbände und Landesorganisationen, Unternehmen und Vereine aller Sparten und Anwendungsbereiche der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Bei seiner inhaltlichen Arbeit deckt der BEE Themen rund um die Energieerzeugung, die Übertragung über Netz-Infrastrukturen, sowie den Energieverbrauch ab.

Der BEE ist als zentrale Plattform aller Akteur:innen der gesamten modernen Energiewirtschaft die wesentliche Anlaufstelle für Politik, Medien und Gesellschaft. Unser Ziel: 100 Prozent Erneuerbare Energie in den Bereichen Strom, Wärme und Mobilität.

Cookies