Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Verfügbarkeit von Wasserstoff und zur Änderung weiterer rechtlicher…
28. Juli 2025
Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt, dass die Bundesregierung dem Wasserstoffhochlauf so schnell nach Beginn der neuen Legislatur neuen Schub verleihen will. Mit dem Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung der Verfügbarkeit von Wasserstoff und zur Änderung weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften (WassBG) beginnt die Umsetzung eines zentralen Vorhabens des Koalitionsvertrags. Das WassBG ist ein wichtiger Schritt, insbesondere um die Genehmigungsdauer von Projekten im Bereich Wasserstofferzeugung, -transport und -nutzung zu verkürzen.
Der BEE begrüßt, dass der Entwurf dem Einsatz von Wasserstoff „flankierend zu dem Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Klimaschutzziele und der Transformation der Industrie“ beimisst. Diese Einschätzung unterstreicht die Bedeutung von Wasserstoff für das Energiesystem und die deutsche Volkswirtschaft, die der BEE seit Jahren betont.
Des Weiteren decken sich die Ausführungen des Ministeriums mit denen des BEE darin, wonach „gerade die heimische Erzeugung von Wasserstoff [...] für das Erreichen der Klimaschutzziele und die damit verbundene Transformation der deutschen Wirtschaft essentiell“ ist. Dabei soll die Energieversorgung in Zukunft „maßgeblich auf erneuerbaren Energien und klimaneutralen Energieträgern wie insbesondere grünem Wasserstoff basieren“.
Diese grundlegenden Pfeiler der Wasserstoffpolitik der Bundesregierung und des WassBG begrüßt der BEE ausdrücklich. Heimisch erzeugter, grüner Wasserstoff bietet Deutschland erhebliche Chancen: Wachstum und Wertschöpfung für deutsche Unternehmen, eine höhere Kosteneffizienz im Energiesystem und mehr Unabhängigkeit von (fossilen) Importen.
An verschiedenen Stellen des Entwurfs sieht der BEE noch Verbesserungsbedarf. Des Weiteren weist der BEE darauf hin, dass es für den erfolgreichen Wasserstoffhochlauf neben der Erleichterung von Genehmigungen weitere Instrumente notwendig sind, die insbesondere die gesicherte Abnahme von grünem Wasserstoff stärken. Wir freuen uns auf die zukünftigen Vorschläge der Bundesregierung zu Quoten und Leitmärkten, die im Koalitionsvertrag angekündigt wurden.
Der BEE nimmt wie folgt Stellung.
Schwerpunkt Elektrolyse
Der Anwendungsbereich § 2 Abs. 1 umfasst einen sehr großen Teil der für den Wasserstoffhochlauf benötigten Anlagen. Wir begrüßen es sehr, dass auf der Erzeugungsseite weiterhin der Schwerpunkt auf Elektrolyseuren liegt und dass der Anwendungsbereich auch auf Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Kraftstoffen nicht-biogenen Ursprungs ausgeweitet wurde. Dadurch profitieren unter anderem Anlagen zur Herstellung von synthetischem Methan (Wasserstoff plus abgeschiedener Kohlenstoff aus Biomassenutzung).
Des Weiteren begrüßen wir es, dass die BEE-Forderung nach der Aufnahme von Verdichtern zur Befüllung von Wasserstoff-Trailern Eingang in den neuen Entwurf gefunden hat.
Aufnahme weiterer Anlagen und Leitungen in den Anwendungsbereich
Um den Hochlauf und die Nutzung aller erneuerbaren Gase in Deutschland zu stärken und das volle Potenzial der heimischen Erzeugung auszuschöpfen, sollte das WassBG die dafür nötigen Anlagen umfassen. Dazu zählen Anlagen zur Herstellung von biogenem Wasserstoff, von erneuerbarem Methan und Methanol sowie Anlagen zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 aus nachhaltiger Biomasse (BECC(U)S), einschließlich Nebenanlagen (z. B. lokale CO2-Speicher oder Transportinfrastruktur).
Aufgrund seiner zahlreichen Vorteile sollte biogener Wasserstoff auch von der Beschleunigung des WassBG profitieren. Biogener Wasserstoff kann mit konventionellen Techniken erzeugt werden und ist nahezu beliebig skalierbar. Er kann daher einen signifikanten Beitrag zum Wasserstoffhochlauf leisten. Bei der Erzeugung kann zudem entstehendes klimaneutrales CO2 abgeschieden werden und entweder zur Versorgung der Industrie genutzt (BECCU) oder dauerhaft gespeichert (BECCS) werden, wodurch sogar Negativemissionen möglich werden. Folglich sollte in die Liste in § 2 Absatz 1 neben „Elektrolyseuren zur Erzeugung von Wasserstoff“ auch „Anlagen zur Erzeugung von biogenem Wasserstoff“ aufgenommen werden.
Des Weiteren sprechen wir uns dafür aus, dass auch die dezentrale Einspeisung von Biomethan auf der Verteilnetzebene in den Anwendungsbereich von § 2 Absatz 1 fällt. Die dezentrale Einspeisung von Biomethan auf Verteilnetzebene reduziert den Bedarf von Methan aus vorgelagerten Hochdrucknetzen. Infolgedessen könnten einzelne Hochdruckleitungsstränge früher für die Wasserstoffversorgung genutzt werden, ohne dass Methanverbraucher auf unteren Netzebenen zwangsläufig nicht mehr versorgt werden können. So bleibt die Versorgung regionaler Endkunden mit Methan trotz Umstellung ausgewählter Leitungsstränge der Hochdrucknetze sichergestellt. Das WassBG sollte deshalb auch Infrastruktur und Anlagen zur Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz umfassen.
Im Bereich Mobilität ist die Zahlungsbereitschaft mitunter größer als in anderen Bereichen, weshalb viele Wasserstoffprojekte auf eine gesicherte Nachfrage im Verkehrssektor setzen. Wir empfehlen daher, auch diesen Teil der Wertschöpfungskette, insbesondere Wasserstofftankstellen und die dazugehörige Infrastruktur sowie Verflüssiger in den Anwendungsbereich des Gesetzes aufzunehmen. Die gesicherte Nachfrage aus Mobilitätsanwendungen kann viele Projekte zur finalen Investitionsentscheidung bewegen.
Formulierungsvorschläge:
§ 2 ist zu ergänzen um:
1. Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff und Anlagen zur Erzeugung von biogenem Wasserstoff
…
10. Wasserstoffleitungen
11. Infrastruktur und Anlagen zur Einspeisung von erneuerbarem Methan ins Gasnetz
12. Einrichtungen und Verdichter, die für den Betrieb von Anlagen oder Leitungen nach den Nummern 1 bis 11 erforderlich sind,
…
15. Wasserstofftankstellen und die dazugehörige Infrastruktur
Klarstellung zur Definition von „erneuerbaren Kraftstoffen nicht-biogenen Ursprungs“
Es ist rechtlich unklar, ob mit der Bezeichnung „erneuerbare Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs“ Wasserstoffderivate generell in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen oder nur diejenigen, die als Brenn- bzw. Kraftstoff eingesetzt werden. Es sollte klargestellt werden, dass grundsätzlich alle Wasserstoffderivate adressiert werden, unabhängig von ihrem Einsatzzweck.
Wir begrüßen, dass der Entwurf vorsieht, große Teile der entlang der Wasserstoffwertschöpfungskette zum Einsatz kommenden Anlagen und Technologien ins überragende öffentliche Interesse zu stellen. Dadurch kann die Fertigstellung von Anlagen und Leitungen nach § 2 Absatz 1 erheblich beschleunigt werden. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass von dieser rechtlichen Besserstellung in erster Linie die auf Erneuerbaren Energien basierende Erzeugung von Wasserstoff und die darauffolgende Wertschöpfungskette profitieren.
Erneuerbarer Wasserstoff bietet die größten Chancen für Deutschland im Hinblick auf Wachstum und Wertschöpfung. Mit zahlreichen Qualitäts- und Innovationsführern in diesem Bereich kann sich Deutschland eine gute Position im globalen Wettbewerb der Spitzentechnologien schaffen. Noch dazu kann die Erzeugung und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff die Energiesystemkosten erheblich reduzieren, da der Abregelungs- sowie Netzausbaubedarf sinkt. Dies wird durch die rechtliche Besserstellung gemäß § 4 berücksichtigt.
Die Anforderung an Elektrolyseure, mindestens 80 Prozent ihres benötigten Stroms aus Erneuerbaren Energien zu beziehen, ist im neuen Entwurf nicht mehr enthalten. Wir plädieren dafür, weiterhin sicherzustellen, dass Elektrolyseure beim Strombezug über das Netz zu systemdienlichem Verhalten angeregt werden. So können sie ihre Vorteile für das gesamte Energiesystem bestmöglich ausspielen.
Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Installation von Elektrolyseuren, die aus betriebswirtschaftlichen Optimierungsgründen als Grundlast betrieben werden, zu einer Erhöhung des Strombedarfs bei geringer Verfügbarkeit von Erneuerbaren Energien führt. Zur Deckung dieses Bedarfs müssten dann fossile Kraftwerke hochgefahren werden. Eine solche Fehlsteuerung würde zu potenziell hohen volkswirtschaftlichen Mehrkosten führen und sollte vermieden werden.
Wichtig ist außerdem, dass Elektrolyseure dort gebaut werden, wo sie eine systemdienliche Wirkung entfalten können. Um dies sicherzustellen, sollten verschiedene Anreizsysteme ineinandergreifen. Zum einen sollte der Spielraum genutzt werden, den die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten in den Vorgaben des Delegierten Rechtsakts 2023/1184 zur Einführung eines geeigneten Standortkriteriums eingeräumt hat. Zum anderen sollte die Ausgestaltung der Baukostenzuschüsse immer die systemdienliche Verortung von Elektrolyseuren zum Ziel haben. Des Weiteren ist die an Systemdienlichkeitskriterien zu knüpfende Entfristung der Netzentgeltbefreiung über das Jahr 2029 hinaus zu nennen, sowie die Umsetzung der in § 96 WindSeeG für den Zeitraum bis 2028 vorgesehenen Ausschreibungen für systemdienlich mit Elektrolyseuren erzeugten grünen Wasserstoff.
Um die Verwendung von grünem Wasserstoff in schwer elektrifizierbaren Sektoren zu fördern, müssen die Anreizsysteme insbesondere auf der Nachfrageseite gezielt ausgestaltet und erweitert werden. Zu diesen Sektoren zählen, wie oben bereits beschrieben insbesondere der Industriesektor (z. B. Stahl,- Chemie- oder Zementindustrie), Teile des Verkehrssektors sowie in begrenztem Umfang die Rückverstromung.
Förderprogramme für die Transformation einzelner Sektoren wie Klimaschutzverträge oder CfD-Modelle können zu einer höheren Nachfrage beitragen. Des Weiteren plädieren wir für die Prüfung der verschiedenen im Koalitionsvertrag vorgeschlagenen Instrumente, wie Quoten oder Leitmärkte, um mehr Anreize auf der Nachfrageseite zu schaffen. Wir freuen uns auf die Vorschläge der Bundesregierung hierzu.
Außerdem muss sichergestellt werden, dass der CO2-Preis in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter ansteigt und so seine Signalwirkung entfalten kann. Jeder Euro pro Kilogramm spart staatliche Förderkosten ein und erhöht die Planungssicherheit für Industrie und Unternehmen.
Für Elektrolyseure ist derzeit im Regelfall ein Bebauungsplan erforderlich. Dieser Prozess nimmt ca. 1,5 bis zwei Jahre Zeit in Anspruch. Um eine ausreichende Beschleunigung beim Ausbau der Elektrolyseurskapazitäten zu erreichen, ist es daher erforderlich, dass ergänzend zu den im vorliegenden Entwurf des WassBG vorgeschlagenen Verfahrensbeschleunigungen eine Änderung des Bauplanungsrechts in den §§ 35, 249a BauGB erfolgt.
§ 249a BauGB enthält bereits Sonderregelungen zu § 35 BauGB über die Zulässigkeit von Vorhaben zur Herstellung und Speicherung von Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien. Der Gesetzgeber hat hier eigenständige Tatbestände normiert, durch die Wasserstoffspeicher per gesetzlicher Fiktion („gilt“) als privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 BauGB eingestuft werden. Die aktuelle gesetzliche Regelung schränkt die praktische Umsetzung von Wasserstoffprojekten jedoch erheblich ein. Innerhalb der baurechtlichen Vorgaben, insbesondere der Flächenbegrenzung auf 100 Quadratmeter sowie der maximal zulässigen Höhe von 3,5 Metern, ist ein sinnvoller Ausbau nicht möglich. Dies steht im Widerspruch zu den politischen Zielsetzungen im Rahmen der Energiewende.
Der BEE regt daher eine gesetzliche Ergänzung des § 35 Absatz 1 BauGB an, um Wasserstoffprojekte als privilegierte Vorhaben im Außenbereich anzuerkennen. Zudem wird eine grundlegende Überarbeitung bzw. Neufassung des § 249a BauGB vorgeschlagen, um die baurechtlichen Rahmenbedingungen an die tatsächlichen Erfordernisse einer sinnvollen Wasserstoffproduktion anzupassen.
Formulierungsvorschläge:
Ergänzung des § 35 Absatz 1 um eine neue Nummer 11 BauGB (neuer Text in fett):
„Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es […]
11. der Umwandlung von elektrischer Energie in Wasserstoff nach Maßgabe des § 249a dient.“
Neufassung des § 249a BauGB (neuer Text in fett):
(3) bis (5): Entfallen.
Um die Systemdienlichkeit der grünen Wasserstoffproduktion zu gewährleisten, sind sinnvolle Strombezugskriterien von großer Bedeutung. Die derzeitigen Anforderungen führen jedoch zu höheren Strombezugskosten, die für Elektrolyseurbetreiber eine betriebswirtschaftliche Herausforderung darstellen. Die Bundesregierung sollte daher einen Rechtsrahmen schaffen, der Anreize für eine systemdienliche Fahrweise setzt und gleichzeitig betriebswirtschaftlich attraktiv ist, um Investitionen in Elektrolyseure anzureizen.
Angesichts des derzeit stockenden Wasserstoffhochlaufs in Deutschland sollte sich die neue Bundesregierung auf europäischer Ebene für die Weiterentwicklung der aktuellen Vorgaben zu den Strombezugskriterien für grünen Wasserstoff einsetzen.
Aus Sicht des BEE können neben den aktuell gültigen Kriterien, die die verpflichtende Kopplung an einzelne EE-Anlagen vorsehen, auch eine strommarktorientierte Fahrweise von Elektrolyseuren geringe Emissionen und eine hohe Integration von EE in das Stromsystem sicherstellen. In diesem Zusammenhang sollte die Bundesregierung darauf hinwirken, dass das Kriterium der stündlichen CO2-Intensität als zusätzliche Erfüllungsoption für den Strombezug auch für den grünen Wasserstoff Anwendung findet.
Der BEE plädiert dafür, auf der Seite der Wasserstoffproduktion den flexiblen Stromverbrauch aus EE-Anlagen durch Elektrolyseure hinter demselben Netzverknüpfungspunkt zu ermöglichen.
Hierzu sollte beispielsweise die „starre Proportionalität” in § 21b EEG für Lieferungen außerhalb des öffentlichen Netzes auch außerhalb der unmittelbaren räumlichen Nähe aufgehoben und die Teilnahmefähigkeit der Elektrolyseure im Rahmen des § 13k EnWG („Nutzen statt Abregeln“) in seiner jetzigen Form verstetigt werden. Neben der Ermöglichung der flexiblen Fahrweise von Elektrolyseuren ist es wichtig, bestehende Förderinstrumente auf der Erzeugungsseite umzusetzen und ggf. zu erweitern. Dies gilt beispielsweise für die bereits erwähnte Entfristung der Netzentgeltbefreiung, die an Systemdienlichkeitskriterien zu knüpfen ist, sowie die Umsetzung von Ausschreibungen für systemdienlich mit Elektrolyseuren erzeugtem grünem Wasserstoff nach § 96 WindSeeG.