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Stromtrasse auf einem grünen Feld bei Sonnenaufgang
Stellungnahme

Stellungnahme zum zweiten Entwurf für den Netzentwicklungsplan Strom 2037

20. November 2023

Vorbemerkungen

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt die Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen der Konsultation des Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2037 mit Ausblick 2045, Version 2023. Grundsätzlich ist die Beteiligung der Stakeholder in mehreren Bearbeitungsschritten (Entwürfen) gelungen und positiv zu bewerten.

Allerdings fanden zentrale Kritikpunkte, die der BEE in seiner Stellungnahme vom April 2023 zum ersten Entwurf des NEP zum Szenariorahmen, dem Marktmodell sowie zur Netzanalyse anführte, keine Berücksichtigung im hier zugrundeliegenden zweiten Entwurf des NEP. Dies ist äußert kritisch einzustufen, bildet der NEP doch eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen im Netzausbau und der Energiewende. Daher werden in der folgenden Stellungnahme erneut die aus Sicht des BEE kritischen Punkte aufgezeigt und eigene Empfehlungen dargestellt.

Der BEE fordert die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) und die BNetzA dazu auf, die im Folgenden näher betrachteten Einwände und Punkte zu prüfen und bei der Entwicklung dieses NEP berücksichtigen. Die sich auf den Szenariorahmen beziehenden Kritikpunkte sollten spätestens bei der Konsultation des nächsten Szenariorahmen im Jahr 2024 Berücksichtigung finden.

 

1 Szenariorahmen

Der BEE begrüßt grundsätzlich die Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung im NEP 2037, welche durch die Novellierung des §12 a EnWG erfolgte. Mit den drei Szenarien A, B und C für die Jahre 2037 und 2045, kann der vorliegende NEP somit zum ersten Mal ein Stromübertragungsnetz für ein klimaneutrales Energiesystem in Deutschland abbilden.

Grundlage für das im NEP betrachtete Energiesystem und die folgenden Netzanalysen bildet der vorab erarbeitete Szenariorahmen. Der BEE hat bereits in seiner Stellungnahme zum ersten Entwurf des NEP ausdrücklich auf die teils fehlerhaften Annahmen im Bereich der Erneuerbaren Erzeugung, des Stromverbrauchs und auch der Flexibilitäten hingewiesen. Diese Kritik wurde - wie dem zweiten Entwurf nun zu entnehmen ist – mehrfach von Konsultationsteilnehmern geteilt und angebracht. So wurde bspw. die Verwendung des zugrundeliegende Wetterjahres 2012 als veraltet kritisiert. Extremwetterlagen und auch der Faktor Kühlung sollten neben der Wärme stärker einbezogen werden. Die Verfasser des NEP haben diese Einreichungen jedoch nicht berücksichtigt, sondern geben nur den wagen Ausblick, die Berücksichtigung solche Ereignisse bei folgenden Modellierungen zum nächsten NEP zu prüfen. Der BEE fordert hier ein, bei der Entwicklung des nächsten Szenariorahmens für einen folgenden NEP, die vom BEE in seinen Stellungnahmen zum Szenariorahmen sowie zum ersten Entwurf des NEP gemachten Anmerkungen und Einwände stärker zu berücksichtigen, um so eine ordentliche Basis für die Entwicklung des Netzmodells zu ermöglichen.1

Im Weiteren soll, sofern im vorliegenden zweiten Entwurf zum NEP erfolgt, auf Anpassungen und Änderungen der Ausbaupfade der Erneuerbaren Erzeugung, beim Stromverbrauch, bei der Einbindung von Flexibilitäten sowie auf diesbezügliche immer noch aktuelle Kritikpunkte aus den BEE-Stellungnahmen zum Szenariorahmen sowie zum ersten Entwurf des NEP eingegangen werden.

1.1 Ausbaupfade für die Erneuerbaren Energien

1.1.1 Biomasse

Der BEE wies daraufhin, dass Bioenergie deutlich flexibler auf Basis höherer installierter Leistung (Überbauung) eingesetzt werden könnte und auch sollte, um genau in den Zeitfenstern, in denen vor allem dargebotsabhängige EE wenig einspeisen, einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen. Dafür müsste nicht mehr Biomasse verstromt werden, sondern diese nur flexibler eingesetzt werden. Leider wurde diesem Kritikpunkt bislang keine Rechnung getragen. Zwar wurde anerkannt, dass dieser Komplex ein strittiges Thema ist, allerdings bleiben die Verfasser bei Ihrer Position – der systemische Nutzen sei in anderen Bereichen wie der Wärmeerzeugung oder Ressourcengewinnung (Kohlenstoff) höher. Dieses Vorgehen ist aus Sicht des BEE nicht nachvollziehbar, da bereits aufgezeigt werden konnte, wie ein stärkerer Flexibilisierungspfad der Bioenergie es ermöglichen könnte, noch höhere steuerbare Leistungen dezentral in Deutschland einzusetzen und somit den Bedarf und die volkswirtschaftlichen Kosten der ansonsten benötigten Wasserstoffkraftwerke und ihrer Infrastruktur entsprechend zu reduzieren.

Auf Basis der Entwicklung der Volllaststunden der Bioenergie in den vergangenen acht Jahren, was auch ein Maß der Flexibilität darstellt, lässt sich zudem die Annahme einer Volllaststundenreduktion auf lediglich 3.000 h/a nicht nachvollziehen. Bei einer Überbauung um den Faktor 4 in 2037 bzw. von 6 in 2045 könnten die Volllaststunden hingegen auf 2.000 h/a bzw. 1.000 h/a fallen (s. Abbildung 1).

Abbildung 1: Entwicklung der Volllaststunden der Bioenergie

Die politischen Zielsetzungen aus den Ausbaupfaden des EEG 2023, dem Koalitionsvertrag der amtierenden Regierungsparteien oder den Eckpunkten der Nationalen Biomassestrategie legen nahe, dass es auch in Zukunft ein Potential für Biomasse im Stromsektor geben wird. Gestützt werden diese Annahmen durch die Tatsache, dass auch der REPowerEU Plan in der Bioenergie einen zentralen Baustein für die Erreichung der von der EU anvisierten Ziele zur Diversifizierung der europäischen Energieversorgung sieht.

Die im Entwurf des Netzentwicklungsplans getroffene Annahme, der Bioenergieanlagenpark würde zukünftig deutlich geringere Volllaststunden aufweisen, unterstützt der BEE, wie bereits dargestellt, hingegen grundsätzlich. Nach Ansicht des BEE werden daraus jedoch falsche Schlüsse bezüglich der Entwicklung der installierten Leistung und der erzeugten Strommenge abgeleitet. Die Verringerung der Volllaststunden bildet ab, dass Biomassekraftwerke zukünftig flexibel und strommarktorientiert betrieben werden. Auch der BEE begrüßt eine Flexibilisierung des Bioenergieanlagenparks. Auf Basis von Wirtschaftlichkeitsberechnungen, politischen und energiewirtschaftlichen Erwägungen als auch auf Basis von bisherigen Erfahrungswerten ist davon auszugehen, dass eine Flexibilisierung, d.h. eine Reduktion der Volllaststunden, ohne eine Verringerung der erzeugten Strommenge, sondern mit einer Erhöhung der installierten Leistung (bei gleichbleibender Strommenge) einhergeht. Um diesen Umstand abzubilden, muss bei angenommenen 3.000 Volllaststunden ab 2037 im Netzentwicklungsplan ein Anstieg der installierten Leistung auf ca. 15 GW angesetzt werden.

Irritierend ist die Annahme eines umfassenden Rückbaus an Biomassekraftwerken auch vor dem Hintergrund, dass gleichzeitig der Bedarf an Erdgas- bzw. Wasserstoffkraftwerken nach Einschätzung der ÜNB stark zunehmen wird, was zu einer Leistungssteigerung in diesem Erzeugungssegment in allen Szenarien führt. Doch auch mit Biomassekraftwerken würde eine Technologie zur Verfügung stehen, die flexibel am Strommarkt eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zu den geplanten Erdgaskraftwerken, sind Biomassekraftwerke bereits heute erneuerbar sowie nachhaltig und bedürfen keiner langwierigen Genehmigung und Umrüstung, die beim Ausbau von neuen Erdgas- bzw. Wasserstoffkraftwerken notwendig wäre. Zudem entfällt auch, gerade im Hinblick auf die Wasserstoffkraftwerke die entsprechende Entwicklung der benötigten Infrastruktur.

1.1.2 Wind Onshore

Der BEE hält den beschleunigten Ausbau der Onshore-Kapazitäten auch aufgrund der Unwägbarkeiten beim Aufbau der Offshore-Kapazitäten für äußerst wichtig. Es wurde empfohlen, den Brutto- und Nettozubau getrennt auszuweisen, um so das Repowering in den Szenarien besser bewerten zu können. Ebenso wurden die veranschlagten Volllaststundenwertewerte (VLH) als zu niedrig bewertet.

Der Szenariorahmen sowie die mit dessen Vorgaben arbeitenden Entwürfe zum NEP weisen hierbei nur VLH zwischen 2.300 h/a bis 2.450 h/a aus. Der BEE konnte hingegen zeigen, dass im Rahmen eines Normalwindjahres bereits mit Nabenhöhen oberhalb von 140 m Höhe deutschlandweit im Mittel höhere VLH erzielt werden können, als es der NEP bis 2045 vorsieht (2.653 h/a für 2030, 2.770 h/a für 2040 und 2.851 h/a für 2050).2

Abbildung 2: Volllaststunden Wind Onshore im Szenario C, je Bundesland p.a.

Hervorstechend war – und sind bedauerlicherweise nach wie vor - vor allem die extrem hohen Abweichungen der VLH der südlichen Bundesländer (Bayern und Baden-Württemberg). Diese weisen mit im Mittel nur rund 1.650 h/a unrealistisch niedrige VLH auf. Basierend auf den realen Einspeisungswerten von bayerischen und baden-württembergischen Windenergieanlagen (WEA) mit einer Nabenhöhe von über 140 m haben diese Anlagenstandorte im Mittel im Jahr 2020 fast 2.200 Volllaststunden erreicht.

Auch ein innersystemischer Vergleich der länderspezifischen VLH mit den durchschnittlich ermittelten VLH des NEP weist deutliche Abweichungen auf. So ergeben sich in Szenario C für die Prognosejahre 2037/2045 bereits Abweichungen zum mittleren VLH-Wert für Gesamtdeutschland von rund 745 h/a bzw. 750 h/a für Baden-Württemberg und 690 h/a bzw. 726 h/a für das Bundesland Bayern (vgl. Abbildung 2). Diese deutliche Spreizung – nahezu um den Faktor 2 der mittleren Abweichung - erscheint bei Vergleich mit den benachbarten Bundesländern Hessen und Rheinland-Pfalz, welche ebenfalls nicht optimale Windbedingungen mitbringen, unplausibel.

Der BEE kritisiert, dass keiner der aufgezeigten Punkte aufgegriffen wurde und fordert eine grundlegende Überarbeitung der technischen Annahmen zum Einspeiseverhalten von Onshore-Windenergieanlagen.

Begrüßenswert ist hingegen die generelle Nicht-Berücksichtigung von bestehenden bundeslandspezifischen Abstandsregelungen wie bspw. die 10H-Regelung in Bayern. Es bleibt ohnehin fraglich, wie lange individuelle Restriktionen in der Ausweisung und Flächennutzung angesichts des raschen Ausbaubedarfs im Onshore-Bereich Bestand haben werden.

1.1.3 Wind Offshore

Der Ausbaupfad der installierten Leistung von offshore Windenergieanlagen bzw. der installierten Leistung wurde im Vergleich zum ersten Entwurf des NEP 2023 beibehalten. Der BEE begrüßt grundsätzlich die Annahme der zusätzlichen Kapazitäten, jedoch muss hier abermals die Gefahr von höheren Abschattungseffekten angeführt werden. Ebenso sollte zukünftig das zusehends erschwerte Investitionsumfeld berücksichtigt werden. So ist bereits in Ländern mit weitaus höher gesteckten Ausbauzielen im offshore-Bereich ein Rücklauf der Ausschreibungen zu beobachten – vgl. hierzu die jüngsten Nullrunden im Offshore- Ausschreibungsverfahren in Großbritannien.

1.1.4 Photovoltaik

Der BEE begrüßt, dass der 2. Entwurf zum NEP 2037 weiterhin eine Anhebung der angenommenen Zahlen zum PV-Ausbau erwartet (ca. 350 GW in 2037, 400 bis 450 GW in 2045).

Das angenommene Ambitionsniveau entspricht in etwa den Zahlen, die in der vom BEE in Auftrag gegebenen und von den Fraunhofer IEE und ISE durchgeführten Strommarktdesignstudie als realistisch angenommen werden (ca. 450 GW in 2045/2050).

1.1.5 Wasserkraft

Die erneuerbare Stromerzeugung aus Wasserkraft wird im vorliegenden NEP-Entwurf in einer Größenordnung von insgesamt 5,3 GW installierter Leistung mit weitestgehend konstanter Entwicklung unterstellt. Der BEE hat bereits die geringe Wachstumsrate der installierten Leistung innerhalb der letzten 18 Jahre anerkannt, jedoch erscheint die Annahme eines Rückbaus in diesem Bereich eher unrealistisch. Insbesondere die Wertigkeit der Stromerzeugung aus Wasserkraft muss zukünftig betrachtet werden und rechtfertigt die Rolle der Erzeugungstechnologie. Diese bemisst sich nicht nur an der Höhe der installierten Leistung und ihrem Anteil an der Stromerzeugung insgesamt, sondern vielmehr an deren Qualität und hohen Bedeutung für das Erneuerbare Energiesystem der Zukunft. Insbesondere das hohe spezifische CO2-Einsparpotenzial, die stetige und verlässliche Verfügbarkeit sowie die Bereitstellung von schneller und flexibler Regelenergie, Momentanreserve, Notstromreserve, Blindleistung tragen zu einem kostengünstigen Versorgungssystems der Zukunft bei. Der BEE spricht sich daher erneut für eine stärkere Berücksichtigung der Wasserkraft aus und bittet, dass diese Kritik im nächsten Szenariorahmen Berücksichtigung findet.

1.2 Stromverbrauch

Der BEE begrüßt die Steigerung des angenommenen Stromverbrauchs im Vergleich zum NEP- Entwurf (2022), welcher nun in etwa dem Niveau der vom BEE in Auftrag gegebenen und von den Fraunhofer IEE und ISE durchgeführten Strommarktdesignstudie entspricht. Der BEE weist darauf hin, dass der zur Berechnung und Darstellung der räumlichen Verteilung des Stromverbrauchs (private Haushalte sowie bei Gewerbe, Handel und Dienstleistungen) verwendete Top-Down-Ansatz auf Basis der Daten der statistischen Landesämter und Stromverbrauchsprofilen nach wie vor ungeeignet scheint.

Aus Sicht des BEE sollte für den nächsten Szenariorahmen bzw. einen zukünftigen NEP überprüft werden, ob diese Berechnungsmethodik eine gewünschte Genauigkeit erzielt, oder ob man von Anfang an durch Nutzung aktueller Netzdaten auf Umspannwerksebene potenziell zu genaueren Ergebnissen kommen würde.

1.3 Flexibilitäten

1.3.1. Wasserstoff und Elektrolyse

Der BEE begrüßt, dass im vorliegenden Entwurf zum Netzentwicklungsplan ein Szenario mit einer höheren angenommenen inländischen Elektrolyse-Kapazität von 80 GW aufgenommen wurde (Szenario A 2045). Diese Elektrolyseleistung stellt eine eindeutige Verbesserung des Ambitionsniveaus gegenüber den Annahmen des NEP-Entwurfs des vergangenen Jahres dar. Durch die damit realisierten Wasserstoffmengen können laut dem NEP ein „signifikanter Anteil des innerdeutschen Wasserstoffbedarfs … über heimische Wasserelektrolyse“ gedeckt werden. Dies ist auch eine der zentralen Botschaften der Strommarktdesignstudie des BEE im letzten Jahr.

Der oben genannte Wert liegt jedoch immer noch unter dem Wert von 100 GW, der in der vom BEE in Auftrag gegebenen und von den Fraunhofer IEE und ISE durchgeführten Strommarktdesignstudie für 2045 / 2050 als realistisch angenommen wird. Bei Setzung eines entsprechenden regulatorischen Rahmens ist das Potential zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Deutschland mittel- bzw. langfristig sehr hoch. Es sollten hier dringend alle Möglichkeiten zum Hochfahren der inländischen Elektrolyse-Kapazitäten genutzt werden, da heimisch produzierter Wasserstoff nicht nur die Importabhängigkeit drastisch verringert, sondern dem Energiesystem zu-gleich als Flexibilität zur Verfügung steht.

Die Annahme der Begrenzung der inländischen Elektrolyseleistung auf 50 GW in den Szenarien B und C 2045 ist zudem grundsätzlich problematisch. Eine Realisierung von lediglich 50 GW Elektrolyseleistung in 2045 hätte das Fehlen dringend benötigter Flexibilität im Energiesystem zur Folge. Dies würde zu einem starken Anstieg negativer Strompreise führen, was sich wiederum direkt auf die nach §51 EEG nicht geförderten Energiemengenanteile auswirkt. In der Konsequenz würde es zu einer deutlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien-Anlagen und damit zu einem Rückgang bei deren Ausbau kommen (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Übersicht über die Entwicklung nicht vergütungsfähiger Strommengen in Folge geringerer Flexibilität basierend auf der BEE-Strommarktdesignstudie (Basisszenario 2050)

Neben der Einführung eines Szenarios mit höherer Elektrolyseleistung (Szenario A 2045) begrüßt der BEE, dass die Standorte für Elektrolyse so gewählt werden sollen, dass sie

„möglichst wenig belastend auf die Übertragungsnetze wirken“, d.h. vor allem „offsite“ an Standorten mit hohen EE-Überschüssen. Auch dies stellt eine Verbesserung gegenüber dem NEP-Entwurf dar. Hier wurde noch mit größeren Teilen an „Onsite“-Elektrolyse gerechnet.

Der BEE sieht „eine umfassend ausgebaute Wasserstoffinfrastruktur“ bis 2037, wie im NEP angenommen, zwar als sinnvoll an, doch hält der BEE dies für sehr ambitioniert

1.3.2 Demand Side Management

Die im vorliegenden NEP-Entwurf angenommen Potentiale von Demand Side Management-Maßnahmen (zwischen 5 und 7,2 GW in 2037 und zwischen 8,9 und 12,0 in GW in 2045) bewertet der BEE als nicht realistisch.

Für den Industriebereich, der den überwiegenden Teil des Flexibilitätspotentials durch DSM-Maßnahmen ausmacht, nimmt die BEE-Strommarktdesignstudie einen Wert von 7,9 GW an - wovon bis 2050 allerdings nur maximal 50 % aktiviert werden können.

Auch der Ariadne-Report „Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045“ nimmt für das- Jahr 2050 lediglich ein DSM-Gesamtpotential von 9,1 GW an.

Im vorliegenden NEP-Entwurf „wird unterstellt, dass viele Stromverbraucher flexibel auf die Angebots- und Nachfragesituation am Strommarkt reagieren und ihren Verbrauch entsprechen anpassen können.“ Der BEE verweist hierbei darauf, dass es sich dabei nur um Flexibilität handelt, wenn die Lastanpassung der Endkunden vor der Strompreisermittlung stattfindet. Andernfalls handelt es sich hierbei nicht um eine Flexibilität, sondern um eine Inflexibilität, da die Energieversorgungsunternehmen den veränderten Lastverlauf zu ihrer Fahrplanprognose am Vortag (Day Ahead Markt) künstlich mit Intradaymengen (Intradaymarkt) ausgleichen müssen.

Der BEE hält das unterstellte Potenzial im NEP3 für zu optimistisch, gerade auch vor dem Hintergrund der §14a ENWG-Thematik und der Begrenzung der Nutzbarkeit von Flexibilitäten aufgrund der Auslastung der Verteilnetze.

1.3.3 Fernwärme

Die Bereitstellung von Fernwärme erfolgt gemäß dem vorliegenden NEP-Entwurf zukünftig nicht mehr vordergründig über die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) von Kraftwerken. Neben der Wärmeerzeugung durch erneuerbare Energien wie Geo- oder Solarthermie und Biomasse soll 2037 etwa ein Drittel und 2045 zwischen 40 – 50 % der Fernwärme durch Großwärmepumpen und Elektroheizer erzeugt werden.

In der vom BEE in Auftrag gegebene und von den Fraunhofer IEE und ISE durchgeführte Strommarktdesignstudie wird hingegen herausgestellt, dass Großwärmepumpen bei Implementierung der vorgeschlagenen Reduktion der Stromnebenkosten für Power-to-Heat-Anlagen bereits 2030 einen deutlich größeren Beitrag zur Deckung des Wärmedarfs liefern können (47 %) und dabei vorrangig den Einsatz von Gaskesseln und zu einem kleineren Anteil den von KWK-Anlagen substituieren. Auch Elektrodenkessel können bei Setzung der richtigen Rahmenbedingungen in 2040 (14%) und 2050 (19%) deutlich höhere Anteil an der Fernwärmeerzeugung übernehmen.

Insgesamt können Power-to-Heat-Anlagen (PtH) bei richtiger Anreizsetzung (siehe „Reformszenario“ der vom BEE in Auftrag gegebene und von den Fraunhofer IEE und ISE durchgeführte Strommarktdesignstudie) bereits ab 2030 eine wichtigere Rolle einnehmen als im vorliegenden NEP-Entwurf dargestellt. Hierbei sollten neben der KWK-Anlagenflexibilisierung über Elektrodenkessel u.a. auch Windwärmesysteme als besonders investitionsarme und akzeptanzfördernde Technologie zum Einsatz kommen. Die derzeitige Annahme zu geringer Mengen dieser Arten von PtH-Anlagen führt im Energiesystem zum Fehlen dringend benötigter Flexibilität und sollte deshalb korrigiert werden.

1.4 Gaskraftwerke

Der Bedarf an Erdgas- bzw. Wasserstoffkraftwerken wird nach Einschätzung der ÜNB stark zunehmen, was sich in der Annahme zeigt, dass die installierte Leistung dieser Kraftwerke von aktuell 26,3 GW auf über 38 GW in Szenario A 2037 ansteigen soll. Sämtliche anderen Szenarien gehen ebenfalls von einer deutlichen Steigerung der installierten Leistung in diesem Erzeugungssegment aus.

Begründet wird dies mit der Aussage in Kapitel „2.6. Modellierung konventioneller Kraftwerke“, dass konventionelle Kraftwerke „als regelbare Erzeugungseinheiten weiterhin fester Bestandteil eines klimaneutralen Stromsystems“ seien. Diese Aussage irritiert vor dem Hintergrund, dass gleichzeitig ein umfassender Rückbau an steuerbaren Biomassekraftwerken angenommen wird. Der Vorteil von Biomassekraftwerken ist zudem, dass diese sowohl eine Form der erneuerbaren Stromerzeugung darstellen, einen flexiblen Einsatz ermöglichen, welche nach Bedarf am Strommarkt eingesetzt werden kann, als auch mit heimischen Rohstoffen betrieben werden. Zudem sind bereits umfassende Erzeugungskapazitäten bei den Biomassekraftwerken in Betrieb und bedürfen keiner langwierigen Standortsuche bzw. Genehmigung, die beim Ausbau von neuen Erdgas- bzw. Wasserstoffkraftwerken notwendig sind.

Generell schätzt der BEE die Priorisierung von H2-Gaskraftwerken und H2-ready-Gaskraftwerken als nicht optimale Lösung ein. Angesichts eines immer noch nicht veröffentlichten Verfahrens für die bereits zum 15. Dezember diesen Jahres geplante erste Ausschreibungsrunde über 800 MW für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Grünem Wasserstoff nach §§ 39p,28g und 88f EEG 2023, bleibt abzuwarten, inwieweit der geplante Ausbau überhaupt im angestrebten Tempo voranschreiten kann.

Der BEE hat in diesem Zusammenhang in seiner von den Fraunhofer IEE und ISE durchgeführten Strommarktdesignstudie ermittelt, dass es bei Setzung des richtigen regulatorischen Rahmens (stärkere Überbauung der Bioenergie und Anschluss an die Gasspeicher über das Gasnetz; Ausbau aller anderen Flexibilitätsoptionen) möglich ist, im Jahr 2050 fast vollständig auf den Einsatz anderenfalls zusätzlich benötigter H2-Gasturbinen zu verzichten. Dies soll hier nicht das Optimum darstellen, doch zeigt es die Möglichkeiten des flexiblen Einsatzes von Biomasse.

Die Annahme im NEP, dass „der Einsatz von Erdgas und Wasserstoff zur Stromerzeugung … stets zu gleichen Grenzkosten“ erfolgt hält der BEE für nicht realistisch.

 

2 Marktmodell

2.1 Ländermodell und europäischer Energieaustausch

Deutschland entwickelt sich in den vorliegenden Szenarien des NEP-Entwurfs zu einem großen Netto-Stromimporteur in Europa. Dies wird insbesondere auf die vergleichsweise hohe inländische Stromnachfrage und die hohe installierte Leistung der erneuerbaren Energien im Ausland zurückgeführt. Die importierte Strommenge steigt von 2037 bis 2045 deutlich an und ist im Szenario C 2045 am größten. Insbesondere aus Frankreich, Österreich und Skandinavien werden in den Szenarien große Strommengen importiert.

Der BEE sieht diese Annahmen als nicht realistisch an. In seiner von den Fraunhofer IEE und ISE durchgeführten Strommarktdesignstudie verbleibt Deutschland bei Setzung der entsprechenden Rahmenbedingungen für Flexibilitäten und dem notwendigen EE-Ausbau wie auch bereits in den vergangenen Jahren in den Dekaden von 2040 und 2050 ein Stromexporteur.

Einen Teil der Erklärung könnten die sehr geringen angenommenen Volllaststunden im Windenergie Onshore Bereich sein. Würde man die realistischen Volllaststunden im Jahr 2045 im Windenergie Onshore Bereich von ca. 3.000 h/a ansetzen, so ergebe dies eine zusätzliche Einspeisung in Deutschland von über 100 TWh und könnte das im NEP ermittelte Importsaldo fast vollständig negieren.

Auffällig ist bei den Annahmen insbesondere der angenommene Nettoimport aus Österreich. Innerhalb der Vorstellung des NEP im April 2023 durch die ÜNB wurde mitgeteilt, dass dies vor allem aufgrund der Speichernutzung aus dem alpinen Raum hervorgerufen wird. Der BEE weist an dieser Stelle darauf hin, dass in einem solchen Falle die Nettobilanz „ausgeglichen“ sein sollte, da Energieüberschüsse nach Österreich gehen und dann über deren Flexibilitäten (Wasserspeicher) zu einem späteren Zeitpunkt wieder nach Deutschland fließen.

Der NEP stellt im Gegensatz zu den Langfristszenarien des BMWK auf eine deutlich geringere Interkonnektorenleistung ab. Da letztere in andere BMWK-Studien einfließt und auch die politische Entscheidungsbildung zur Energiewende beeinflusst, sieht es der BEE als zielführend an, dass es hier zu einer Abstimmung zwischen NEP und Langfristszenarien kommt. Andernfalls besteht die Gefahr von zwei unterschiedlichen Pfaden, einem politischen und einem technischen, zur Umsetzung der Energiewende.

 

3 Netzanalysen

3.1 Abstimmung mit den Verteilnetzbetreibern

Im vorliegenden Entwurf zum NEP 2023 wird angegeben, dass mit der zunehmenden Verbreitung kleiner, dezentraler Erzeugungsanlagen die Aufgaben und die Verantwortung der Verteilnetzbetreiber (VNB) wachsen und die Zusammenarbeit zwischen VNB und ÜNB intensiviert wurde. Wie genau und an welchen Stellen diese Zusammenarbeit im Rahmen der Ausarbeitung des NEP von statten gegangen ist, wird allerdings nur unzureichend geschildert.

Der BEE weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es verschiedene Stellen gibt, an denen eine gemeinsame Planung von Verteilnetzbetreibern (VNB) und Übertragungsnetzbetreibern netz- und volkswirtschaftlich von Vorteil sind. Wenn bspw. in Kapitel 5.1. darauf hingewiesen wird, dass bei der Errichtung neuer AC-Stromkreise immer die technische Notwendigkeit zur Kompensation der entstehenden Blindleistung besteht, dann kann auch eine Schnittstelle ÜNB-VNB als Quelle oder Senke für Blindleistung dienen.

Eine branchenübergreifende Arbeitsgruppe unter der Leitung der Deutschen Energie-Agentur (dena) und des Büros für Energiewirtschaft und technische Planung (BET) bestätigte bereits 2017, dass im Verteilnetz erhebliche zusätzliche Flexibilitätspotenziale („dezentrale Flexibilität“) lägen und durch eine bessere Auslastung der Bestandsnetze die volkswirtschaftlichen Kosten jährlich um 200 Millionen Euro gesenkt werden könnten.4

Der BEE spricht sich für einen kosteneffizienten Stromnetzausbau aus und appelliert daran, die Potenziale der Verteilnetze für eine stärkere Auslastung der Stromnetze unbedingt einzubeziehen.

Die Zusammenarbeit zwischen ÜNB und VNB sollte deshalb im zukünftigen NEP noch klarer dargestellt werden.

3.2 Optimale Auslastung der Bestandsnetze

Der BEE sieht es grundsätzlich positiv, dass der Netzentwicklungsbedarf durch die Integration, der in Kapitel 6.4.2. genannten innovativen Technologien auf das geringstmögliche erforderliche Maß begrenzt werden soll.

Die eingesetzten innovativen Technologien sollten jedoch nicht direkt von den ÜNB betrieben werden, sondern überall dort wo möglich marktlich beschafft werden, das Unbundling muss hier Anwendung finden. Dies gilt insbesondere für die genannten Netzbooster, die, falls großflächig von den ÜNB selbst betrieben, eine unzulässige Konkurrenz zu anderen, marktgestützten Flexibilitäten darstellen würden.

3.3 Integrierte Netzentwicklungsplanung

Parallel zur Netzentwicklungsplanung des Stromnetzes koordiniert die Bundesnetzagentur auch den NEP Gas. Alle zwei Jahre sind die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber verpflichtet, der Regulierungsbehörde einen integrierten Plan zum Netzausbau für Erdgas vorzulegen. Beide Prozesse werden bisher größtenteils separat voneinander geplant und genehmigt

Der BEE begrüßt, dass im vorliegenden Entwurf zum NEP explizit die Systementwicklungsstrategie genannt wird, deren Ziel die integrierte Systementwicklung ist. Auch wird aufgeführt, dass Annahmen wie Brennstoffpreise oder Kapazitäten von Erdgaskraftwerken aus dem Netzentwicklungsplan Gas übernommen werden, um eine einheitliche, sektorübergreifende Szenariobasis zu schaffen.

Die Integration steht jedoch aus Sicht des BEE erst am Anfang und sollte jetzt konsequent vorangetrieben werden. Wichtig ist dies beispielsweise im Zuge der aktuellen politischen Diskussion um die Kosten für steigende Wasserstoffmengen und Power-to-Gas-Standorte. Hierzu ist es aus Sicht des BEE wichtig, eine integrierte Strom- und Gasnetzplanung voranzubringen und Synergieeffekte zu heben. Eine systemintegrierte Planung würde es z.B. ermöglichen, besser abzuschätzen, ob eine neue HGÜ-Stromleitung tatsächlich errichtet oder doch auf das Gasnetz zum Wasserstofftransport ausgewichen werden kann.

Die Netzberechnungen der Strom- und Gasnetze unterschieden sich zudem weiterhin in ihrem Auftrag und in ihrer Zielstellung. Während Fernleitungsnetzbetreiber sich nur am Bedarf der Netznutzer orientieren und einen Betrachtungszeitraum von fünf bis zehn Jahren berücksichtigen müssen, simulieren die ÜNB die Klimaschutzziele, also konkret die Kraftwerksemissionen, als auch Annahmen zur Stromerzeugung, zum Verbrauch, zum Anteil der Energieträger und zur Sektorenkopplung. Der Planungshorizont im Strombereich ist dabei mit 15 bis 20 Jahren im Voraus wesentlich langfristiger und strategischer ausgelegt. Die Zielstellungen und Planungshorizonte der verschiedenen Netzentwicklungspläne sollte daher möglichst zügig angeglichen werden.

 

 

1 Vgl. BEE-Stellungnahme zum ersten Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber für den Netzentwicklungsplan Strom 2037 mit Ausblick 2045, Version 2023: https://www.bee-ev.de/service/publikationen-medien/beitrag/stellungnahme-zum-1-entwurf-der-uebertragungsnetzbetreiber-fuer-den-netzentwicklungsplan

2 Die Auswertung der realen VLH aller Anlagen in Deutschland erfolgte auf Basis der Wetterjahre 2020 und 2021.

3 Laut den NEP „wird dabei davon ausgegangen, dass in den Szenarien zwischen 50 % und 100 % der Einheiten flexibel und damit marktorientiert eingesetzt werden“.

4 Vgl. https://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/9209.

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Paul Jannaschk
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