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Positionspapier

Offener Brief zur Strompreisbremse

10. November 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Energie- und Versorgungskrise stellt Europa vor große Herausforderungen. Um angesichts der massiven Preissprünge am Strommarkt sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen zu begegnen, wurde Ende September eine Strompreisbremse auf EU-Ebene beschlossen, die von den Mitgliedsstaaten zeitnah umzusetzen ist.

Als Vertretung der Erneuerbaren-Branche zeigt sich der BEE solidarisch in dieser Krise und erkennt den staatlichen Handlungsbedarf an. Um die Strompreiskrise zu überwinden, müssen jedoch gleichzeitig die Weichen für eine Investitionsoffensive in die preissenkenden Erneuerbaren Energien gestellt werden.

Der aktuelle Vorschlag des BMWK zur Umsetzung der Strompreisbremse droht Investitionen in Erneuerbare Energien jedoch massiv auszubremsen. Er sieht einen umfassenden Eingriff in eine Reihe von Vermarktungsmodellen vor. Diese Eingriffe bedingen einen drastischen Vertrauensverlust der Marktakteure. Schon heute werden Investitionen gestoppt und Planungen angehalten. Viele Anlagenbetreiber bekommen inzwischen keine Direktvermarktungsverträge mehr angeboten.

Der Vorschlag des BMWK kommt in einer kritischen Phase der Energiewende. Ein jahrelanger Reformstau hat zu Investitionseinbrüchen, Produktionsrückgängen und dem Verlust zehntausender Arbeitsplätze in der Branche geführt. Vor diesem Hintergrund begrüßt der BEE die bisherigen Maßnahmen der Ampel ausdrücklich. Unterzeichnete Ausschreibungen und zurückgehende Genehmigungen zeigen jedoch weiteren erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Die Branche rechnet gemäß den Ausbauzielen bis 2030 im Strombereich mit Investitionen von 900 Mio. € in der Bioenergie, von rund 120 Mrd. € in die Photovoltaik und in gleicher Größenordnung nochmals in die Windkraft an Land. Die Offshore-Windbranche wird 150 Mrd. € in den Standort investieren. Diese Investitionen müssen bereits 2023 beginnen, um einen schnellen Markthochlauf und die ambitionierten Ziele zu erreichen. Eine neue Investitionsbremse darf es nicht geben!

Bestehende regulatorische Hemmnisse, z.B. in der Planung und Genehmigung, sowie massive Kostensteigerungen in der gesamten Wertschöpfungskette, wie für Bau und Logistik, Rohstoffe und Anlagenkomponenten, aber auch für Finanzierung und Direktvermarktung, erschweren den Anlagenzubau. Die Vergütungen aus den (wettbewerblichen) Ausschreibungen bieten aufgrund zu stark limitierter Höchstwerte keine ausreichende Basis mehr, wie deren Unterzeichnungen regelmäßig belegen. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass trotz wiederholter Mahnungen weiter an einem bürokratischen und Markt verzerrenden Konzept festhalten wird.

Der BEE warnt vor einer unsicheren Rechts-, Umsetzungs- und Marktlage, denn ein solches Vorgehen

  • wäre nicht europarechtskonform. Der vorliegende Vorschlag geht deutlich über den Rahmen der EU-Verordnung hinaus, die den 01.12 als Stichtag, eine Erlös-Obergrenze von 180 €/MWh sowie Technologieneutralität, Diskriminierungsfreiheit und Verhältnismäßigkeit vorsieht. Investitionen dürfen nicht gefährdet werden.
  • wäre verfassungswidrig, hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot), des Eingriffs ins Eigentumsrecht, der Ungleichbehandlung und der Rückwirkung bzw. Planungssicherheit, wie zwei Rechtsgutachten festgestellt haben;
  • würde zu massiven Verwerfungen auf dem Strommarkt führen. Besonders betroffen wären die Langfristmärkte (u.a. Terminmarkt, „Green“ PPA-Markt), bei denen eine Abwicklung von bereits geschlossenen Verträgen erforderlich würde. Es drohen finanzielle Schäden, Insolvenzen und Klagen. Auch Kommunen wären aufgrund von Gewerbesteuer-Neuberechnungen von Einnahmeausfällen betroffen;
  • würde einen enormen bürokratischen Mehraufwand bedeuten, der in dem geplanten Zeitrahmen nicht umsetzbar und extrem fehleranfällig wäre;
  • würde viele Marktakteure, die gestiegenen Kosten ausgesetzt sind oder Erlöse bereits reinvestiert haben, vor Liquiditätsprobleme stellen;
  • würde dem Investitionsklima in einer wirtschaftlich angespannten und vom globalen Wettbewerb gezeichneten Lage empfindlich schaden.

Wir plädieren deshalb dafür, einen zeitlich begrenzten Solidaritätsbeitrag zu prüfen. Dieser ist europarechtlich zulässig und würde sowohl Entlastungswirkung erzielen als auch Investitionssicherheit für den Erneuerbaren-Ausbau gewährleisten. Er wurde auch vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gefordert.

Der Koalitionsvertrag hat der Energiewende einen neuen Stellenwert eingeräumt. Die beherzte gesetzgeberische Arbeit hat der Erneuerbaren Energiewirtschaft Zuversicht und Mut gegeben. Wir wollen nicht, dass das Vertrauen der Branche in die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien beschädigt wird und fordern Sie im Namen unserer 30.000 Mitglieder auf, eine rechtskonforme, faire und praktikable Regelung einzutreten.

 

Für weitere Gespräche stehen wir jederzeit zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Simone Peter, Präsidentin, Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.

Hermann Albers, Vize-Präsident Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., Präsident Bundesverband Windenergie e.V.

Carsten Körnig, Vize-Präsident Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., Geschäftsführer Bundesverband Solarwirtschaft e.V.

Karl-Heinz Stawiarski, Vize-Präsident Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., Mitglied des Vorstands Bundesverband Wärmepumpe e.V.

Jan-Hinrich Glahr, Vize-Präsident Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., Vorsitzender Landesverband Berlin/Brandenburg

Hans-Peter Lang, Vize-Präsident Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., Präsident Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke e.V.

Horst Seide, Vize-Präsident Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., Präsident Fachverband Biogas e.V.

 

Portraitbild von Sandra Rostek
Ansprechpartner*in

Sandra Rostek
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Leiterin Politik


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