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Metalltreppe in der Biogasanlage Wollbrandshausen von Nahem
Stellungnahme

BEE-Stellungnahme zum Green Paper des BMWK zur Transformation der Gas-/Wasserstoffverteilernetze

11. April 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Es sollte zielgerichtet untersucht werden, wo Wasserstoffnetze und wo Netze mit erneuerbarem Methan vorteilhaft sind. Diese Untersuchung sollte ein synergetisches Nebeneinander von nachhaltiger Wasserstoffinfrastruktur und Infrastruktur für erneuebares Methan zum Ziel haben.
  • Während mit der voranschreitenden Elektrifizierung der Gebäudewärme die Gasnachfrage von Haushalten und damit der Bedarf an Nieder- und Mitteldruck-Verteilnetzinfrastruktur in vielen Regionen zurückgehen wird, ist die Lage in den Hochdruck- und teilweise auch Mitteldruckverteilnetzen eine andere. Hier ist im Zuge eines Ausbaus der Fernwärme sowie des Kohleausstiegs sogar mit einem Anstieg der Zahl der Anschlussnehmer zu rechnen, da bspw. flexible Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen an diesen Druckstufen angeschlossen werden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Druckstufen ist eine differenzierte Betrachtung vonnöten.
  • Die Entscheidungen darüber, wie in einzelnen Bereichen des Gasnetzes vorgegangen wird, sollten im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung im Verbund mit einer übergeordenten Netzplanung getroffen werden.
  • Beim Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur sollten die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) dazu verpflichtet werden, für die in ihrem Netzgebiet liegenden, an das H2-Kernnetz angeschlossenen H2-Standorte zu prüfen, ob der Neubau der Anschlussleitung oder die Teilnutzung eines bestehenden Verteilnetzes kostengünstiger ist.
  • Die Bereitstellung der langfristig weiterhin benötigten Kohlenstoffe für bestimmte Industrieprozesse (z.B. in der Chemieindustrie) kann in Form von Biomethan über das Gasnetz zu den industriellen Abnehmern gebracht werden. Dafür sind keine zusätzlichen Investitionen notwendig. Ein Methan-Backbone auf der mittleren und hohen Druckstufe, an das regionale Biogasanlagen ihr Gas z.B. per Rohgassammelleitung liefern können, sollte deshalb unbedingt erhalten bleiben.
  • Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren die Biogasproduktion durch den verstärkten Einsatz von Substraten, die in keiner zusätzlichen Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion stehen, bis auf 130 TWh ausgeweitet werden kann. Das bei der Gasaufbereitung abgeschiedene biogene CO2 kann außerdem zur Defossilisierung von Produktionsprozessen in der Industrie, zur Produktion von synthetischem Methan oder der Bereitstellung von Negativemissionen verwendet werden.

 

Vorbemerkungen

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Green Paper des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zur Transformation der Gas-/Wasserstoffverteilernetze vom 14.03.2024 und nimmt zu den unten aufgeführten Konsultationsfragen wie folgt Stellung. Zu weiteren Ausführungen, die das Thema Biogas betreffen, verweist der BEE an dieser Stelle auf die Stellungnahme des Fachverbands Biogas e.V.1

 

1 Zu den Konsultationsfragen

1.1 Zu Frage 1

Wie lassen sich der Aufbau zukunftsträchtiger Netze für Wasserstoff bzw. Wärme mit der Umwidmung bzw. ggf. Stilllegung von Erdgasverteilernetzen optimal verknüpfen, so dass die Transformationskosten für alle Beteiligten minimiert werden?

Wie in einzelnen Bereichen des Gasnetzes vorgegangen wird, sollte sowohl vor Ort im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung entschieden werden, als auch im Rahmen einer übergeordneten Netzplanung, die auf die jeweiligen Wärmepläne aufbaut. Hierbei sollte immer geprüft werden, ob es für bestimmte Teile des Gasverteilnetzes möglich und sinnvoll ist, Erdgas durch erneuerbares Methan zu ersetzen.

Die Eingaben der kommunalen Wärmeplanung sollten im Netzentwicklungsplan für Wasserstoff berücksichtigt werden.

Beim Ausbau der Infrastruktur für Wasserstoff sollte zudem lokal darüber entschieden werden, inwieweit bestehende und umzurüstende Verteilnetze für H2-Anschlussleitungen genutzt werden können, um damit Kosten zu sparen. Die FNB sollten in diesem Zusammenhang dazu verpflichtet werden, für jeden ans H2-Kernnetz angeschlossenen H2-Standort zu prüfen, ob der Neubau der Anschlussleitung oder die Teilnutzung eines bestehenden Verteilnetzes die kos- tengünstigere Anschlussvariante ist.

1.2 Zu Frage 2

Welche Regelungen eines neuen Ordnungsrahmens für die Transformation von Gasverteilernetzen werden von betroffenen Stakeholdern als nötig erachtet und gibt es über die oben skizzierten Optionen weitere Themen, die bei der Anpassung des Ordnungsrahmens berücksichtigt werden müssen? Hinsichtlich welcher der vorgeschlagenen Regelungen bestehen Bedenken?

Einige Industriezweige benötigen unabhängig von der Art der Energieversorgung Kohlenstoffmoleküle als Grundstoff für Ihre Produktionsprozesse. Hier sind allen voran die 12 großen deutschen Chemieparks betroffen, die für Deutschland eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung haben, aber auch Raffinerien für SAF E-Fuels, also nachhaltiges Kerosin oder die Abluftbehandlung in z.B. Lackieranlagen.

Selbst wenn in Deutschland alle Energieversorgungsprozesse ohne Kohlenwasserstoffe organisiert werden könnten, blieben also Bereiche, in denen klimaneutrale Kohlenstoffmoleküle mindestens für die stoffliche Verwendung gebraucht werden.

Die Bereitstellung der langfristig weiterhin benötigten Kohlenstoffe kann dabei ohne zusätzliche Investitionen in Form von Biomethan über das Gasnetz zu den industriellen Abnehmern gebracht werden. Die stoffliche Nutzung von Biomasse steht zudem im Einklang mit der Nationalen Biomassestrategie.

Die obigen Ausführungen müssen beim Rückbau der Verteilnetze unbedingt beachten werden. Insbesondere muss beim Rückbau der Verteilnetze mindestens auf der mittleren und hohen Druckstufe ein Methan-Backbone erhalten bleiben, an das regionale Biogasanlagen ihr Gas z.B. per Rohgassammelleitung liefern können. Als Alternative zum teuren Rückbau macht es in Regionen mit hoher Biogasdichte daher Sinn, aufgegebene Verteilnetze auf unterer Druckstufe zu Rohbiogassammelleitungen umzufunktionieren, um dann zentral das Biogas aufzubereiten und in die mittlere Druckstufe einzuspeisen. Dies könnte die volkswirtschaftlichen Kosten der Überführung von Biomethan in das Gasnetz deutlich senken.

1.3 Zu Frage 3

Wie wird die Zukunft der Gasverteilernetze eingeschätzt? Überwiegen die Chancen oder wird es künftig vorrangig um Stilllegung und Rückbau gehen?

Mit der voranschreitenden Elektrifizierung der Gebäudewärme wird die Gasnachfrage von Haushalten und damit der Bedarf an Nieder- und Mitteldruck-Verteilnetzinfrastruktur in vielen Regionen zurückgehen. Insofern wird es in diesen Bereichen auch um einen teilweisen Rückbau der Infrastruktur gehen. Die zeitliche Entwicklung und der langfristige Bedarf weisen dabei regionale Unterschiede auf, abhängig von der regionalen Verfügbarkeit erneuerbarer Gase.

Das Hochdruck- und teilweise das Mitteldruckverteilnetz, an das Gaskraftwerke, kommunale Fernwärmeanlagen, Industriebetriebe und Biomethananlagen angeschlossen sind, sind nicht derartig stark von der Transformation des Gebäudesektors betroffen. Tatsächlich gibt es sogar gegenläufige Effekte: Im Zuge einer Elektrifizierung der Gebäudewärme, eines Ausbaus der Fernwärme sowie des Kohleausstiegs kann die Zahl der Anschlussnehmer am Hoch- oder ggf. Mitteldruckverteilnetz sogar steigen, da neue Gaskraftwerke und flexible Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen an diesen Druckstufen angeschlossen sind.

Im vorliegenden Green Paper wird nahezu an keiner Stelle zwischen den verschiedenen Druckstufen in den Verteilnetzen unterschieden. Dies führt zu einem verzerrten Bild des Bedarfs der Gasnetzinfrastruktur. Der BEE bittet hier dringend um eine differenziertere Betrachtung.

1.4 Zu Frage 8

Von welchen verfügbaren Mengen und welchem Preisniveau ist bei der Umstellung von Gasnetzen auf Biomethan bzw. synthetisches Methan im Zeitverlauf auszugehen und in welchem Umfang kann damit Erdgas in den Verteilernetzen substituiert werden?

Aktuell werden in Deutschland gut 90 TWh Biogas erzeugt, von denen 11 TWh als Biomethan ins Gasnetz eingespeist werden. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren die Biogasproduktion durch den verstärkten Einsatz von Substraten, die in keiner zusätzlichen Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion stehen, bis auf 130 TWh ausgeweitet und klassische Energiepflanzen teilweise ersetzt werden können.2

Das bei der Gasaufbereitung abgeschiedene biogene CO2 wiederum kann entweder zur Defossilisierung von Produktionsprozessen verwendet werden (z.B. in der Industrie, siehe Abschnitt 1.2.) oder für die Produktion von synthetischem Methan und/oder dauerhaft gespeichert werden, um Negativemissionen zum Ausgleich von nicht vermeidbaren Restemissionen zu erzeugen. Die Nutzung von biogenem CO2 für die Bereitstellung von Negativemissionen ist auch zentraler Bestandteil der entsprechenden Strategie des BMWK. Würde ein Teil der deutschen Gasversorgung auch langfristig über Biomethan gedeckt, ergäben sich so klimapolitische Synergieeffekte zwischen grüner Gasversorgung, Defossilisierung von Produktionsprozessen sowie der Bereitstellung von Negativemissionen.

 


1 https://biogas.org/edcom/webfvb.nsf/id/DE-SN-Green-Paper-fuer-die-Transformation-der-Gas-Wasserstoffverteilernetze

2 Siehe zu Details zur Berechnung des Biomassepotentials die Stellungnahme des Fachverbands Biogas e.V.

Portraitbild von Florian Widdel
Ansprechpartner*in

Florian Widdel
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Referent für Digitalisierung, Sektorenkopplung und Energienetze


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0151 17123009


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