Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt die Vorlage des Eckpunktepapiers aus der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur (BNetzA) über die Festlegung zur Verteilung von Mehrkosten aus der Integration von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien (EE) vom 01.12.2023 und nimmt hierzu wie folgt Stellung.
Die Erneuerbaren-Energien-Kennzahl (EKZ) bildet das zentrale Instrument zur Ermittlung der Mehrbelastung der Netzbetreiber und soll der zur Wälzung berechtigende Indikator für eine hohe Belastung eines Verteilnetzes mit EE-Integrationskosten darstellen. Die Ermittlung erfolgt je Netzebene über die Differenz der installierten Erneuerbaren-Erzeugungsleistung (Summenleistung) der Ebene und der Redispatch-Mengen im Verhältnis zur zeitgleichen Jahreshöchstlast (JHL) der Ebene.
Durch die EKZ lässt sich also relativ einfach darstellen, ob die Erzeugung durch EE-Anlagen in bestimmten Zeiten die im Netz vorhandene Last und somit die Netzkapazität der Ebene über- steigt.
Der BEE bewertet die Methodik zur Ermittlung der EKZ grundsätzlich als nachvollziehbar und sieht die Netzzustandsdarstellung unter den im Vorschlag angegebenen Bedingungen adäquat. Den Abzug der abgeregelten Leistung bzw. der Redispatch-Mengen ist aus gesamtsystemischer Sicht zu begrüßen, insbesondere da so die Anreizsetzung zum Netzausbau im Modell implementiert wird. Dennoch sollte hier im weiteren Konsultationsprozess die Datengrundlage genau bestimmt und auf entsprechende Transparenz geachtet werden – die verwendeten Redispatchmengen sollten öffentlich zugänglich und verarbeitbar ausgewiesen werden.
Bei der Ermittlung der installierten EE-Leistung einer Netzebene weist der Vorschlag daraufhin, dass grundsätzlich auch die installierte Erzeugerleistung nachgelagerter fremder Netzbetreiber berücksichtigt werden sollte, da es auch zu Rückspeisungen über mehrere Ebenen hinweg kommen kann. Gleichzeitig wird die Einbeziehung nachgelagerter Netze aber abgelehnt, da eine Ermittlung für den Netzbetreiber anhand von Daten, welche dann auch öffentlich zugänglich sein müssten, „zu komplex“ sei.1 Der BEE stellt die Frage, warum hier nicht die Chance durch die BNetzA ergriffen wird, bereits existierenden Veröffentlichungspflichten nach §23c EnWG aufzugreifen bzw. deren Qualität endlich zu eruieren und die Durchsetzung des Gesetzes anzugehen. Ein Vorschlag wäre die Überführung der Daten in vollständig automatisiert verarbeitbarer Form in ein zentrales Register, ähnlich dem SMARD-System.
Die immer wieder im Vorschlag der BNetzA angeführte Überlegung möglichst wenig schwankende Kenngrößen zur Berechnung zu verwenden, ist im Hinblick mit Abstellung auf die JHL als Netzkapazitätsparameter zu hinterfragen. Besonders durch externe Verbrauchsschocks kann es zu von der Netzkapazität unabhängigen Netznutzungsverhalten kommen – der Nachfragerückgang im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stellt ein solches Ereignis in drastischer Art und Weise dar.
Die Ausschließlichkeit, welche die BNetzA der EKZ als geeigneten Parameter bescheinigt, ist aus Sicht des BEE stark anzuzweifeln. So geht die Behörde davon aus: „…, dass differenziertere Ansätze (z.B. nach EE-Technologien differenzierte EKZ) lediglich geringfügig weniger Unschärfen beinhalten würden, die zu dem merklich höheren Aufwand bei der Ermittlung der Kennzahl in keinem Verhältnis stünden“.2 Diese Argumentation wurde bereits pauschal – mit dem Verweis auf einen unverhältnismäßigen Mehraufwand - in dem den BNetzA-Vorschlag zugrundeliegenden Gutachten dargestellt, ohne diese mit entsprechenden wissenschaftlich fundierten Untersuchungen zu belegen.3 Die Wahl von möglichst gering volatilen Variablen ist nachvollziehbar, doch wie oben dargestellt ist die für die Berechnung der EKZ verwendete wesentliche Größe der JHL keinesfalls stationär.
Der BEE erkennt die Bemühung ein möglichst einfaches Modell zu entwickeln und die damit verbundene Verwendung einer EKZ grundsätzlich an, plädiert aber dafür die Eignung der zu verwendenden Eingangsgrößen, im weiteren Konsultationsprozess ergebnisoffen zu diskutieren.
Der Schwellenwert legt die Höhe des Anteils der EE-Leistung an der JHL fest, ab welchem eine besondere Kostenbelastung durch die Integration von EE-Anlagen unterstellt werden kann. Die Ermittlung unter Verwendung der im Vorschlag der BNetzA getroffenen Annahmen bzgl. des Mindestlast-Faktors (0,4) und des maximalen zeitgleichen Einspeiseleistungs-Faktor (0,7) ist nachvollziehbar und konsistent.
Dennoch wäre es im Sinne eines möglichst schwankungsarmen Modells ratsam, die angesetzte Schwelle von 200 Prozent der JHL abzustufen, um so auch die beabsichtigte Netzentgeltreduzierung stabil zu halten. Da Eingangsgrößen wie die JHL mitunter großen Veränderungen unterliegen können, kann auch die EKZ immer wieder um die 200 Prozentschwelle schwanken. Dies könnte zur Folge haben, dass der Netzbetreiber in einem Jahr wälzungsberechtigt (sinkendes Netzentgelt) ist und im darauffolgenden Jahr wiederum nicht. Die Beispielrechnungen weisen teilweise Netzentgeltreduzierungen von mehr als 15 Prozent aus. Gerade einkommensschwache Haushalte reagieren jedoch überproportional stark auf Kostenänderungen und wären durch solche Preisänderungen übermäßig betroffen. Eine Abmilderung dieser harten Schwelle mittels anteiliger Kostenwälzungsberechtigung in definierten Intervallen – bspw. 90 Prozent der zusätzlichen Kosten bei Erreichen eines JHL-Anteils von 195 % usw. - würde hier Mehrwert bringen.
Das Modell zur Ermittlung des individuellen Wälzungsbetrages und die zur Bestimmung des Anteils der EE-bedingten Mehrkosten getroffenen Annahmen - ein Einspeisefaktor von 0,7 und eines Mindestlastfaktor von 0,4 - scheinen grundsätzlich konsistent und schlüssig hergeleitet. Sicherlich würde bei der Bestimmung des Anteils der maximalen zeitgleichen Einspeiseleistung an der installierten EE-Erzeugungsleistung die Einbeziehung aller erneuerbarer Erzeugungstechnologien genauere Ergebnisse liefern, doch der BEE erkennt hier den Vereinfachungsgedanken im Sinne eines schlanken und effizienten Kostenermittlungsverfahrens an. Dennoch sollte beachtet werden, dass die im Vorschlag beschriebenen Faktoren keinesfalls als konstante Koeffizienten angesehen werden können ein Einspeisefaktor ist direkt abhängig von Veränderung der Einspeiseleistung.
Die Verwendung der öffentlich zugänglichen Daten von SMARD für die Ermittlung der Faktoren ist mit Blick auf ein möglichst transparentes Modell angemessen, doch sollten hier auch die Schwierigkeiten eines Top Down Ansatzes benannt werden. Die Netze der über 800 Verteilnetzbetreiber weisen alle äußerst heterogene Charakteristiken auf, welche mit den Daten der Übertragungsnetzbetreiber nicht zwangsläufig detailliert genug dargestellt werden. Vor dem Hintergrund, dass auch Verteilnetzbetreiber zur Veröffentlichung netzrelevanter Daten i.S.d.
§23c Abs. 3 EnWG verpflichtet sind, stellt sich hier die Frage, ob eine Kombination beider Datenquellen bzw. beider Ansätze zur Ermittlung der Faktoren nicht sinnvoller wäre.
Ebenfalls sollte die Dynamik innerhalb der Netze und der Erzeugung ausreichend abgebildet werden. Eine starre Fixierung der Faktoren auf einen festen Beobachtungszeitraum wie hier von 2019 bis 2022 ist aus Sicht des BEE nicht zielführend. Wie Eingangs dargestellt, wirken exogene Ereignisse, bspw. das wenig ertragreiche Windjahr 2021, stark verzerrend auf einen Einspeisefaktor, aber auch auf die abzuregelnde Menge im Gesamtsystem.
Um die Entwicklung der Netznutzung und die Dynamik der Erzeugung aus Erneuerbaren sachgerecht abzubilden, empfiehlt der BEE daher eine turnusmäßige Aktualisierung der beiden Faktoren – angelehnt an eine vorangegangene Regulierungsperiode sollten diese zukünftig in kürzeren Abständen festgesetzt werden.
Die Verringerung der Netzentgeltspreizung und damit verbundene Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher, die in Regionen leben, welche beim Ausbau der Erneuerbaren voranschreiten, ist vollumfänglich zu begrüßen und schafft einen starken Mehrwert für die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung. Die Verwendung der bereits gängigen und erprobten Umlage aus § 19 Abs. 2 S. 13 - 16 StromNEV schätzt der BEE dabei im Sinne der schnellen Umsetzbarkeit des neuen Wälzungsmechanismus positiv ein.
Der BEE befürwortet die Aktualisierung der in der Beispielrechnung verwendeten Daten (nun 2023) durch die BNetzA, bzw. die Neuberechnung der netzspezifischen beispielhaften Netzentgelte, da so ein wesentlich realistischerer Wirkungsbereich dargestellt werden kann.
Letztendlich muss der hier diskutierte Vorschlag jedoch als Übergangslösung verstanden werden. Der vorgeschlagene Mehrkostenermittlungsmechanismus und die Wälzung kann ausschließlich mittelfristig wirken, da nur bei einem begrenzten Umverteilungsvolumen das Ziel der anhaltenden und merklichen Kostenreduzierung beim Letztverbraucher erreicht wird. Es ist anzunehmen, dass mit steigendem EE-Ausbau mehr und mehr Netzbetreiber wälzungsberechtigt werden und so die Gesamtumlagebelastung der Endkunden steigt – der kostenminimierende Effekt des Wälzungsmechanismus würde so letztlich wieder aufgezehrt.
Mit diesem Ausblick und vor dem Hintergrund der dynamischen Netzentwicklung, ist es deshalb bereits jetzt anzuraten, eine wiederkehrende Überprüfung der Wirksamkeit des Umlagemechanismus ins Auge zu fassen und eine entsprechende Regelung aufzunehmen. Ebenso wichtig wäre es, bereits frühzeitig eine Prognose zur Entwicklung der Umlage- und EE-Kostenvolumina der nächsten Jahre zu errechnen.
Langfristig scheint hier die Einführung von bundeseinheitlichen Verteilnetzentgelten, analog zu den Netzentgelten auf der Übertragungsnetzebene, eine einfache und tragbare Lösung. Vor allem die dadurch entstehende dauerhafte Entlastung von Letztverbrauchern in den EE-Ausbauregionen könnte so auch dauerhaft zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung führen.
Das vorliegende Eckpunktepapier stellt aus Sicht des BEE nicht hinreichend dar, welcher Weg zur verteilungsgerechten Adressierung von Netzausbaukosten langfristig eingeschlagen werden soll. Die Überführung von Netzkosten in eine Umlage stellt eine Pfadentscheidung dar, die das Prinzip der Netzkosten nach Spannungsebenen schwächt. Eine solche umfassende politische Pfadentscheidung muss allerdings stärker diskutiert und vor allem kommuniziert werden und kann keine Einzelmaßnahme darstellen.
Der von der BNetzA geplante, umfassende und mehrstufige Konsultationsprozess mit der Branche und ihrer Vertreterinnen und Vertreter ist in diesem Zusammenhang sehr zu begrüßen. Der BEE empfiehlt jedoch, diesen Prozess durch einen spezifischen Branchendialog mit mehreren Workshops - ähnlich dem bereits stattfindenden Branchendialog zur Beschleunigung von Netz- anschlüssen im BMWK – zu begleiten. Die dort bisher gemachten Erfahrungen, insbesondere die schnelle Aufnahme von Positionen und Empfehlungen, sind überwiegend positiv zu bewerten.
Die Anforderungen an gerecht verteilte Netznutzungs- oder Netzinanspruchnahmekosten sind äußerst vielschichtig und haben aufgrund der besonders großen Empfängergruppe eine starke gesellschaftspolitische Wirkmacht. Daher sollte eine Ausarbeitung möglichst eng mit allen beteiligten Akteuren erfolgen.
Der BEE sieht die vorgestellte Übergangslösung überwiegend positiv und versteht den hier gemachten Vorschlag der BNetzA als Einladung an alle Stakeholder, gemeinsam an einer langfristigen Lösung zu arbeiten. Dahingehend möchten wir bereits hier einen gewissen Handlungsrahmen empfehlen. Langfristig sollte ein Netzentgelt systemdienlich und flexibilitätsanreizend sein sowie ein Steuersignal beinhalten, welches möglichst den Netzzustand und die EE-Einspeisung abbildet. Es muss sich in der langen Frist am regionalen Dargebot der EE orientieren. Weiter dürfen keine externen, zusätzlichen Probleme entstehen wie bspw. Bilanzabweichungen oder ein hoher Gleichzeitigkeitszustand. Es sollte mittels eines möglichst einfachen Tarifs für Endkundinnen und -kunden und die EVUs gebildet werden und in dem Aufwand in der Ermittlung begrenzt sein. Letztendlich muss eine vollumfängliche Transparenz der Komponenten und der Zugang zu allen zur Ermittlung verwendeten Daten frei und automatisiert verarbeitbar gewährleistet werden.
1 Vgl. hier RN 14.
2 S. RN 17.
3 Vgl. MELUND-Gutachten: Funktionsgerechtere Netzentgelte im Stromnetz – Ansätze zur Annäherung regionaler Entgeltniveaus der Consentec GmbH
Bewertung der geplanten Maßnahmen der Bundesregierung zum notwendigen Ausbau der Stromspeicherkapazitäten und deren Systemintegration
Bewertung des Konzeptes zur Reservierung von Netzanschlusskapazitäten des BMWK
Starker Handlungsdruck in der Umsetzung der einzelnen Energiebereiche hin zu einem klimaneutralen Energiesystem