Stellungnahme zum Regelungsentwurf zur Fortentwicklung des sogenannten Redispatch 2.0 der Bundesnetzagentur
17. Juni 2025
Der BEE begrüßt:
Der BEE kritisiert:
Der BEE empfiehlt:
Der Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. dankt für die Möglichkeit zur Stellungnahme bzgl. der Weiterentwicklung des sogenannten „Redispatch 2.0 (BK6-23-241)“.
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) sollte im fortschreitenden Verfahren sowohl die technische und organisatorische Umsetzbarkeit durch die Anlagenbetreiber bei der Überführung von Anlagen in das Planwertmodell als auch die praktischen Herausforderungen der Direktvermarkter berücksichtigen. Ohne ausreichende Schnittstellen, Vorlaufzeiten und Rücksicht auf wirtschaftliche Implikationen droht eine praxisferne Umsetzung, die die Marktprozesse und Investitionssicherheit gefährdet.
Die Anlage 2 zum Bilanziellen Ausgleich von Redispatch-Maßnahmen (BilAReM) ausgebarbeiteten Regelungen ersetzen die Regelungen der vorangegangen Festlegungen gemäß § 13a EnWG. Dafür werden die allg. gültigen Begriffsdefinitionen dargelegt und die für die Bilanzierungsmodelle - Planwert- und Prognosemodell – anzuwenden Regelungen beschrieben, sowie die Berechnungsmethodik der Ausfallarbeit bei Anlagen unterschiedlicher Erzeugungstypen festgesetzt.
Die Pflichten zur Datenbereitstellung und Netzbetreiberkoordinierung – Anforderungen an die Übermittlung von Daten an den Anschlussnetzbetreiber und massengeschäftstaugliche elektronische Kommunikation - werden formuliert.
Die Überführung von Anlagen im Verteilnetz in das Planwertmodell soll gemäß dem Festlegungstenor vorrangig im Rahmen von Abstimmungsprozessen zwischen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) und Verteilnetzbetreibern (VNB) erfolgen. Aus Sicht des BEE sollte jedoch ausdrücklich ergänzt werden, dass eine solche Überführung nur unter der Voraussetzung der technischen und organisatorischen Umsetzbarkeit aus Sicht des Anlagenbetreibers erfolgen darf.
Insbesondere für Anlagen, die vorrangig zur Deckung von Eigenverbrauch und nicht zur Einspeisung elektrischer Energie ins Netz errichtet und eingesetzt werden, besteht bzgl. der Prognoseerstellung durch den Anlagenbetreiber bzw. die Meldung von Nichtverfügbarkeiten ein erheblicher zusätzlicher Planungsaufwand. Gleichzeitig sind die zu erwartenden Mengen des Stromverkaufs bzw. die Einspeisung anteilig, verhältnismäßig gering und eine Abregelung im Sinne des Redispatches vergleichsweise ineffizient.
In der Praxis übernehmen Direktvermarktungsunternehmen regelmäßig die Marktrollen des Einsatzverantwortlichen (EIV) und des Betreibers der Technischen Ressource (BTR) für die jeweiligen Anlagenbetreiber. Diese Marktpartner müssen zunächst in der Lage sein, die für das Planwertmodell erforderlichen Prozesse und Systemanpassungen aufzubauen.
Bundesweit nicht einheitlich geregelte Schnittstellen und Prozesse führen zu erheblichem Aufwand beim Direktvermarkter. Sofern diese Schnittstellen (noch) nicht existieren und etabliert sind, darf ihnen nicht zusätzlich der Aufwand der Überführung ins Planwertmodell und die Spitzabrechnung zugemutet werden. Ohne ausreichende Vorlaufzeit und enge Abstimmung besteht das Risiko, dass eine technisch saubere und wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung nicht gewährleistet werden kann. Der BEE empfiehlt daher zur Abbildung dieser Übergangsphase die Aufnahme einer Tenorziffer 8:
„Die Tenorziffern 5, 6 und 7 sind bundeseinheitlich bei allen Verteilernetzbetreibern umzusetzen. Solange die Umsetzung der Anforderungen der Tenorziffern 5, 6 und 7 nicht erfolgt ist, dürfen Anlagen im Prognosemodell verbleiben und die Pauschalabrechnung anwenden.“
Durch den Wegfall der Pauschalabrechnung und der damit notwendig werdenden Beschaffung anlagenspezifischer Wetterdaten oder anderweitiger Bestimmung theoretisch möglicher Einspeiseleistung entsteht insbesondere bei Eigenverbrauchsanlagen ein unverhältnismäßiger Mehraufwand. Für diese - dem Redispatch nur selten zur Verfügung stehenden Anlagen - sollte die Pauschalabrechnung weiterhin angewendet werden können.
Zwar sieht der Festlegungsentwurf vor, dass Wünsche eines Anlagenbetreibers zur freiwilligen Überführung ins Planwertmodell berücksichtigt werden sollen. Es fehlt jedoch eine klare Regelung für den umgekehrten Fall – also, wenn ein Anlagenbetreiber oder sein Direktvermarkter gegen eine Überführung spricht, etwa aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen oder wirtschaftlicher Nachteile.
Aus unserer Sicht ist es daher dringend erforderlich, die Perspektiven von Anlagenbetreibern und Direktvermarktern systematisch in die Ausgestaltung der Umstellungsprozesse einzubeziehen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Anforderungen des Planwertmodells nicht an der Realität der Marktprozesse und der technischen Infrastruktur vorbeigehen.
Eine frühzeitige Einbindung aller betroffenen Akteure – insbesondere der Direktvermarkter als zentrale Schnittstelle zwischen Markt und technischer Umsetzung – ist daher unerlässlich, um eine praxistaugliche, reibungslose und wirtschaftlich tragfähige Umsetzung des Planwertmodells sicherzustellen.
Insgesamt sollten Netzbetreiber zur zeitnahen und korrekten Veröffentlichung von RD-Regelungen verpflichtet werden. Dies würde den Gesamtprozess beschleunigen Eine Verschleppung der Abrechnungsprozesse kann gerade für kleinere Akteure zu Liquiditätsproblemen führen. Auch nachträgliche Anpassungen bereits abgestimmter Erstaufschläge führen zu vermeidbaren Abstimmungsprozessen zwischen Anlagenbetreibern bzw. BTR und Netzbetreibern, welche im Extremfall Liquiditätsengpässe bei Ersterem verursachen können.
Für die Anlagen, die (übergangsweise) im Prognosemodell verbleiben, sollten Netzbetreiber die Wetterdaten, die sie zur Berechnung des Erstaufschlags verwenden, mit der Übermittlung des Erstaufschlags an den EIV mitteilen.
Aktuell erhalten EIV die Erstaufschläge für Redispatch-Abrechnungen für Anlagen im Prognosemodell bzw. Duldungsfall vom Netzbetreiber. Der EIV (meist Direktvermarkter) leitet diese Erstaufschläge mit kurzer Überprüfungsfrist an den BTR weiter. Diese überprüfen die Ausfallarbeit anhand der realen Wetterdaten der Anlage. Wenn der EIV bzw. BTR für die Überprüfung auch direkt auf die Wetterdaten des Netzbetreibers zugreifen könnte, würde die Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit der Daten verbessert werden und eine Einigung bezüglich des Erstaufschlags könnte schneller erzielt werden. Der Netzbetreiber verfügt ohnehin über "seine" Wetterdaten, da er sonst keine/n Ausfallarbeit/Erstaufschlag ermitteln könnte.
Der BEE begrüßt die Stammdatenpflege (z. B. SR, TR, EIV, BTR, Abrechnungsverfahren usw.) über das Marktstammdatenregister. Die Änderung stellt eine Vereinfachung und Standardisierung der Stammdatenpflege dar. Die genannten Daten liegen in der Regel für jede Erzeugungsanlage, insbesondere bei Windenergieanlagen, vor.
Der BEE begrüßt ausdrücklich, dass die Selbstversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien (EE) und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) nun als separates Datum im Kontext der Nichtbeanspruchbarkeiten aufgeführt wird. Diese Klarstellung kann zu mehr Transparenz im Prozess beitragen und verdeutlicht die Relevanz der Eigenversorgung im Rahmen der Netzsteuerung.
Allerdings möchten wir darauf hinweisen, dass die Selbstversorgung mit EE- und KWK-Strom bereits in der ursprünglichen Festlegung BK6-20-061 als Form der Nichtverfügbarkeit berücksichtigt wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen tatsächlichen Mehrwert die separate Kennzeichnung bietet, wenn bereits bestehende Meldungen in der Praxis oft nicht berücksichtigt werden.
Auf Basis zahlreicher Rückmeldungen aus den im BEE organisierten Fachverbänden zeigt sich, dass viele Netzbetreiber die Meldungen zur Nichtbeanspruchbarkeit systematisch nicht anerkennen oder ignorieren. Trotz mehrfacher Übermittlung entsprechender Informationen durch Anlagenbetreiber bleibt häufig eine Reaktion der Netzbetreiber aus, und eine spürbare Verbesserung des Prozesses ist bisher nicht festzustellen. Für die betroffenen Betreiber bedeutet dies einen erheblichen Mehraufwand bei gleichzeitig fehlender Handlungssicherheit.
In dieser Situation bleibt den Anlagenbetreibern oft keine andere Option, als wiederholt auf die Nichtverfügbarkeit hinzuweisen – mit dem Risiko, dass diese dennoch nicht in die Netzführung einfließen. Damit wird das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Prozesse untergraben und ein zentraler Gedanke der marktseitigen Verantwortung konterkariert.
Der BEE bezweifelt daher, dass die Einführung eines separaten Datenfeldes allein zu einer Verbesserung der Umsetzung führt, solange es an klaren Vorgaben zur Behandlung dieser Informationen fehlt. Aus unserer Sicht ist es unerlässlich, dass die Bundesnetzagentur verbindliche Sanktionsmechanismen gegenüber Netzbetreibern definiert, die die Nichtbeanspruchbarkeitsmeldungen systematisch missachten. Nur so kann sichergestellt werden, dass gesetzlich verankerte Rechte auf Eigenversorgung sowie die dahinterstehenden Investitionsentscheidungen nicht durch mangelnde Umsetzungspraxis entwertet werden.
Darüber hinaus regen wir an, flankierende Maßnahmen wie z. B. ein standardisiertes Monitoring, eine zentrale Erfassungsstelle oder einen unabhängigen Beschwerdemechanismus zu prüfen, um die Einhaltung der Vorgaben künftig transparent nachvollziehen und bei Bedarf korrigieren zu können.
Neben der begrüßenswerten Möglichkeit, die Selbstversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien und KWK von Redispatchprozessen auszunehmen, sollte aus Sicht des BEE ein weiterer Schritt erfolgen: Die Einführung eines zusätzlichen Nichtbeanspruchbarkeitsdatums für die „Selbstversorgung mit Wärme“.
Insbesondere bei Biomasseanlagen ist es gängige Praxis, einen Teil der erzeugten Wärme zur Aufrechterhaltung des eigenen Anlagenbetriebs zu nutzen. Diese Wärme wird nicht vermarktet, sondern stellt einen integralen Bestandteil des technischen Eigenbedarfs dar.
Da die Wärmeproduktion im Rahmen der KWK stets untrennbar mit der Stromerzeugung verbunden ist, kann eine vollständige Abregelung der Stromproduktion im Redispatchfall schwerwiegende Auswirkungen auf die Wärmewirtschaftlichkeit und sogar auf die Betriebssicherheit der Anlage haben. Ohne Möglichkeit, die Selbstversorgung mit Wärme kenntlich zu machen, droht hier eine unangemessene Einschränkung des Anlagenbetriebs, die den energie- und klimapolitischen Zielen – insbesondere im Bereich der effizienten KWK-Nutzung – zuwiderläuft.
Das vorgeschlagene Datum sollte es Anlagenbetreibern ermöglichen, gegenüber dem Netzbetreiber transparent zu machen, dass bestimmte Wärmemengen für den eigenen Betrieb zwingend benötigt werden – und damit verbunden auch ein Mindestmaß an Stromerzeugung zur Koppelproduktion erforderlich ist.
Eine solche Regelung würde insbesondere KWK-Anlagenbetreibern mit hohem Eigenwärmebedarf Planungssicherheit geben und dabei helfen, Redispatchmaßnahmen praxistauglich umzusetzen, ohne den sicheren und effizienten Betrieb der Anlage zu gefährden.
Die Bundesnetzagentur stellt für die Ermittlung des Korrekturfaktors für Windenergieanlagen das sogenannte “Wind-Bin-Verfahren" zur Diskussion, um die Genauigkeit des Korrekturfaktors zu verbessern. Das "Wind-Bin-Verfahren" stellt nach Auffassung mehrerer Betriebsführer (Marktrolle BTR) im BWE keine Verbesserung zur bisherigen Methodik der Korrekturfaktorberechnung dar.
Das Wind-Bin-Verfahren ist für BTR mit erheblichem Umsetzungsaufwand und Kosten verbunden, welche nach unserer Einschätzung nicht im Verhältnis zur geringfügig präziseren Berechnung des Korrekturfaktors stehen. Die bisherige Berechnung auf Grundlage der Leistungskennlinie, die der WEA-Hersteller dem Betreiber bzw. Betriebsführer vertraglich zur Verfügung stellen muss, ist nachvollziehbar und hat sich in der Praxis bewährt. An dieser Berechnungsmethodik sollte weiterhin festgehalten werden.