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Stellungnahme

Stellungnahme zum Gesetzentwurf eines Kraftwerkssicherheitsgesetzes (KWSG)

28. November 2024

Vorbemerkungen

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 25. November 2024 den in Folge der bereits konsultierten Eckpunkte erwarteten Entwurf für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz zur Konsultation gestellt. Dieses ist als Umsetzung der Kraftwerksstrategie (KWS) vorgesehen und soll trotz des Bruchs der Ampel-Koalition noch in der laufenden Legislaturperiode in den Gesetzgebungsprozess überführt werden.

Die Erneuerbaren Energien (EE) sind systemsetzend für den Strommarkt der Zukunft. Im Jahr 2024 wird der Anteil der Erneuerbaren Energieträger am gesamten in Deutschland verbrauchten Strom (brutto) in die Nähe der Marke von 60 % ansteigen. Aus Sicht des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. (BEE) ist es unabdingbar, diesen Aufwärtstrend fortzuführen, um schnellstmöglich 100 % zu erreichen. Dies ist klima-, umwelt-, wirtschafts- und industriepolitisch geboten. Nur heimische Erneuerbare Energien liefern saubere, preiswerte und sichere Energie.

Zwar wächst der Zeit- und Handlungsdruck für die bereits im März 2024 angekündigte Kraftwerksstrategie stetig und wird durch die vorgezogene Bundestagswahl im Februar 2025 zusätzlich verstärkt. Dennoch sollten jetzt nicht ad hoc und ohne abgeschlossene fachliche Debatte Regelungen getroffen werden, die möglicherweise nicht zu den Erfordernissen einer dezentralen erneuerbaren Erzeugungsstruktur passen und vor allem bestehende Kapazitäten nicht ausreichend berücksichtigen.

Als Umsetzung der KWS benötigt das Kraftwerkssicherheitsgesetz eine Konkretisierung und Weiterentwicklung der KWS, um den komplexen Herausforderungen der Energiewende gerecht zu werden. Dabei ist von bestimmten, prämissenabhängigen Vorfestlegungen Abstand zu nehmen, solange nicht alle Prämissen sorgfältig geprüft sind. Der BEE hat bereits im März 2024 darauf hingewiesen, die erneuerbaren Potenziale quantifiziert und Lösungsansätze skizziert.

Die erneut sehr kurze Konsultationsfrist von weniger als 72 Stunden erschwert den Beteiligungsprozess für Verbände, deren Mitgliedern und andere relevanten Stakeholder enorm. Im Folgenden legt der BEE seine vorläufige Einschätzung des Gesetzesentwurfs dar, die sich auf Positionen zu den Vorhaben aus Artikel 1 (Kraftwerksausschreibungsgesetz) und Artikel 3 (Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes) beschränkt.

1 Artikel 1 – Kraftwerkeausschreibungsgesetz (KraftAusG)

1.1 Grundsätzliches

Die BEE-Strommarktdesignstudie hat deutlich gemacht, dass es bis 2030 einen Bedarf an gesicherter Energieerzeugungsleistung im Umfang von 45-47 Gigawatt (GW) gibt. Dieser Bedarf lässt sich unter Einbeziehung von bereits existierenden Anlagen decken. Damit wird der notwendige schnelle Ausbau Erneuerbarer Energien zur Erreichung des Ziels 100 % Erneuerbare Energien bis 2038 und der Klimaneutralität bis 2045 flankiert. Die vorgesehene Ausschreibung von 10,5 GW ohne Anforderung, diese vollständig mit erneuerbaren Kapazitäten zu decken, erfüllt die genannte Notwendigkeit nicht.

Insbesondere die Vorfestlegung auf eine einzelne Technologie oder einen einzelnen Brennstoff riskiert fossile Lock-Ins, hohe Strompreise aufgrund der zunächst nur begrenzten Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff und ein Ausbremsen der gesamten Energiewende. Die unzureichende Berücksichtigung bereits verfügbarer steuerbarer EE wie Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie ist eklatant. Eine Betriebskostenförderung für wasserstofffähige Gaskraftwerke muss brennstoffneutral mit den Alternativen Biomethan oder methanisierter grüner Wasserstoff ausgestaltet werden.

Da bis 2030 zusätzlich 38 GW an erneuerbarer Flexibilität (steuerbare EE, Kraft-Wärme-Kopplung, Batteriespeicher) möglich sind, ist insgesamt eine Weiterentwicklung der KWS in Richtung einer echten Flexibilitätsstrategie erforderlich. Darin müssen eine Wasserkraftstrategie, die Verabschiedung des Geothermiegesetzes und eine umfassende Speicherstrategie enthalten sein. Außerdem umfasst eine Flexibilitätsstrategie die Ausschöpfung der Energieeffizienzpotenziale von verstärktem Netzausbau, von regional verankerten Erzeugerstrukturen und von flexiblem Verbrauchsverhalten („Demand-Side-Management“). Ergänzend muss die Betriebswirtschaftlichkeit der EE-Anlagen im neuen Strommarktdesign gewährleistet werden. Bei der Ausschreibung von Kapazitäten zur Stabilisierung und Absicherung der Energieversorgung ist der Weg über die Schaffung dezentraler Flexibilitäten dem über einzelne Reservekraftwerke vorzuziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Reservekraftwerke mit fossilen Energieträgern betrieben werden.

Der BEE schlägt schlussfolgernd vor, das Kraftwerkeausschreibungsgesetz auszunehmen von einer überhasteten Gesetzgebung im Zuge der vorgezogenen Bundestagswahl und so zu überarbeiten, dass der Fokus des Gesetzes zugunsten von technologieoffenen Ausschreibungen für dezentrale, klimaneutrale Flexibilitäten verändert wird, die die Energiewende weiter voranbringen und fossile Abhängigkeiten abbauen. Weiterführende Forderungen finden sich in der BEE-Stellungnahme zum KWSG vom 23. Oktober 2024.

1.2 Detailanmerkungen

Zu §2:

Nach Punkt 1 schließt „anderer förderfähiger Wasserstoff“ auch kohlenstoffarmen Wasserstoff mit ein. Der BEE spricht sich für eine ausschließliche Förderung von grünem und damit CO2-freiem Wasserstoff aus.

Unter Punkt 40 ist beschrieben, dass der Umstieg von erdgas- auf wasserstoffbetriebene Kraftwerke auch erst nach der bisherigen Frist von 8 Jahren nach Inbetriebnahme möglich ist, sofern 6 Monate vor dem Umstieg keine Mitteilung des Wasserstoffnetzbetreibers nach §45 vorliegt. Da für diese Verschiebung kein zeitliches Ende vorgesehen ist, ermöglicht der Punkt einen unbegrenzten Weiterbetrieb von fossilen Erdgaskraftwerken. Der BEE lehnt dies aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem Ziel von 100 % Erneuerbare Energien bis 2038 ab.

Zu §5:

Die erlaubte Entfernung für ein neu zu errichtendes wasserstofffähiges Erdgaskraftwerk zu einer geplanten oder bereits existenten Wasserstoffleitung wurde gegenüber dem Eckpunktepapier von 20 auf 50 Kilometer heraufgesetzt. Der BEE sieht hier das erhöhte Risiko mangelnder Transportmöglichkeiten, wodurch der Kraftwerksbetrieb in vielen Fällen an fossiles Erdgas gebunden wäre, und plädiert für ein Beibehalten der maximalen Entfernung entsprechend dem Eckpunktepapier. Weiterführende Forderungen finden sich im BEE-Positionspapier zur Systemdienlichkeit von Wasserstoff, in dem neben der Standortwahl auch die Notwendigkeit zur schnellen Integration und Umsetzung der Netzentwicklungsplanung thematisiert wird.

Zu §6:

In Abs. 1 sind Ausnahmen für die Abkehr von fossilen Brennstoffen vorgesehen, sofern 90 % der CO2-Emissionen abgeschieden und gespeichert werden. Der BEE sieht die Verwendung von Carbon Capture and Storage und Carbon Capture and Utilization in der fossilen Energieerzeugung kritisch, da dies sowohl fossile Lock-Ins riskiert als auch die Kapazitäten dieser aufwendigen Technologien einschränkt, obwohl sie in bestimmten Wirtschaftszweigen, die ihre Prozesse nicht vollständig dekarbonisieren können, dringend benötigt wird.

Zu §13:

Der BEE bemängelt das Vorhandensein von genauen Zahlenwerten für die Höchstgrenzen. Zu §36:

Die Rückzahlungsverpflichtung gilt bei geförderten Anlagen hier nur für 70 % der Erzeugungsüberschüsse. Für Erneuerbare Energieträger lag dieser Wert mit 90 % in der Strompreiserlösabschöpfung signifikant höher. Der BEE hat schon mehrfach die Schaffung eines Level- Playing-Fields für alle Technologien gefordert, wofür an dieser Stelle eine Angleichung der Werte erforderlich wäre.

Zu §53:

Die Höhe der Pönale ist im Gesetzesentwurf angegeben als 900€/kWh, müsste jedoch lediglich 90€/kWh betragen. Der BEE bittet hier dringend um eine Korrektur.

1.3 Flexibilisierte Biogasanlagen

Zum jetzigen Zeitpunkt werden aus 5,9 GW Stromerzeugungskapazitäten in deutschen Biogasanlagen 84 TWh Energie gewonnen. Dieser Wert kann über eine Flexibilisierung des Einsatzes noch deutlich gesteigert werden, wobei eine Ausweitung der Biomassebedarfe nicht notwendig wäre. Möglich wäre dies durch eine Überbauung von Blockheizkraftwerken durch den Bau von Gas- und Wärmespeichern, eine Verschiebung der Verstromung in Zeitfenster mit niedriger Stromproduktion aus Wind- und Solarenergie. Zusätzlich können neue durch Biogas und Biomethan betriebene Blockheizkraftwerke sowie Holzheizkraftwerke den Bedarf in der Wärmeversorgung abdecken.

Bis 2030 können die heute bestehenden Biogasanlagen 12 GW gesicherte Kapazität zur Verfügung stellen, was zusätzlichen Kraftwerkskapazitäten in Höhe von 6 GW entspricht. Diese stehen dem Energiesystem zur Verfügung als No-Regret-Maßnahme ohne zusätzliche stoffliche Bedarfe, um die Dekarbonisierung des Stromsektors voranzutreiben und die Residuallast über zügig flexibilisierte Kapazität zu decken. Dadurch ließe sich lt. BEE-Strommarktdesignstudie eine beträchtliche Menge an teuer neu zu errichtenden H2-Ready-Gaskraftwerken einsparen. Auch Holzheizkraftwerke sind ein wichtiges Element in einer dezentralen Struktur erneuerbarer gesicherter Leistung. Dementsprechend spricht sich der BEE für die gezielte Anreizsetzung bei der Förderung des flexibilisierten Biogasanlagenparks aus.

2 Artikel 3 – Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG)

Das Potenzial der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) schätzt die BEE-Strom- marktdesignstudie auf circa 9 GW installierter elektrischer KWK-Leistung auf Basis von Wasserstoff und synthetischem Methan und 18-27 GW auf Basis von Biogas und fester Biomasse bis zum Zeitpunkt der erreichten Klimaneutralität.

KWK-Anlagen sind ein zentraler Bestandteil der kommunalen Wärmeplanung, basieren jedoch zumeist auf fossil betriebener Stromerzeugung in Verbindung mit Einspeisung in die Wärmenetze. Eine Eingliederung dieser Anlagen in die klimaneutral ausgestalteten Strom- und Wärmenetze der Zukunft stellt zeitlich und vom Umfang her eine große Herausforderung dar.

Für die zuverlässige und bruchfreie Defossilisierung der Kraft-Wärme-Kopplung braucht es als Erstes einen strommarktgeführten Betrieb anstatt der bisherigen wärmegetriebenen Fahrweise. Des Weiteren muss konventionelle KWK zunehmend mit Erneuerbaren Energien in Wärmenetzen kombiniert und die fossilen Anlagen auf erneuerbare Brennstoffe umgestellt werden. Die angeschlossenen Wärmenetze können im Übrigen weitere Flexibilität bereitstellen, weil die Wärme bei hoher Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom zwischengespeichert werden kann, was den Strombedarf in Zeiten von hohem Wärmebedarf verringert. Laut Berechnungen des Fachverbandes Biogas e.V. kann durch eine Flexibilisierung des heutigen Bestandes bis 2045 die Stromerzeugung aus Biomasse auf 24 GW verlässliche Kapazität gesteigert werden. Eine detaillierte Ausführung zu diesem Thema findet sich in der Stellungnahme zum Osterpaket des Hauptstadtbüro Bioenergie auf Seite 10.

Im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz braucht es eine Überarbeitung mit anschließender Verlängerung ab 2026 bis 2035. Die notwendige Überarbeitung betrifft vor allem die Fördersystematik, in der neue Zusagen nur noch an Anlagen mit einem Mindestanteil von EE-Wärme im angeschlossenen System vergeben werden und dieser Mindestanteil schrittweise auf 100 % erhöht wird. Dabei sollten alle Erneuerbare Energieträger inkl. Biogas, feste Biomasse, Biomethan, grüner Wasserstoff und grüne Wasserstoffderivate ohne Mengenbegrenzung angerechnet werden können. Zusätzlich werden Anreize für bestehende KWK-Systeme zur Integration höherer EE-Anteile benötigt. Diese und weitere Förderungen dürfen nicht der KWK-Umlage entspringen, sondern müssen durch den Bundeshaushalt finanziert werden. Weiterführende Forderungen finden sich im BEE-Positionspapier zum KWKG vom 4. November 2024.

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