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Positionspapier

Einigung zur Kraftwerksstrategie

18. März 2024

1 Auf einen Blick

Der Gesetzgeber sollte die bisher bekannten Punkte der Kraftwerkstrategie (KWS) weiterentwickeln und jetzt vor allem kosteneffiziente Erneuerbare Flexibilitätspotentiale berücksichtigen und mobilisieren. Bis 2030 sind 38 GW zusätzliche Erneuerbare Flexibilitätspotentiale erschließbar. Diese dezentrale Backup-Struktur passt am besten zu den fluktuierenden Erneuerbaren, ist klimafreundlich und auch kostengünstiger. Kurzum: die Kraftwerksstrategie muss zu einer Flexibilitätsstrategie weiterentwickelt werden.

» Flexibilisierte Biogasanlagen können durch Erhöhung der installierten Leistung und zusätzliche Gas- und Wärmespeicher kurzfristig weitere 6 GW Kapazität bis 2030 kostengünstig und technisch verlässlich (ohne zusätzlichen Einsatz von Biomasse) zur Verfügung stellen. Weitere mittel- und langfristige Potentiale, bis zu insgesamt 24 GW Kapazität bis 2045, sind durch stärkere Flexibilisierung und dadurch Streckung der Biomasse erschließbar.

» Durch den weiteren Ausbau der Wind- und Solarkraft werden wir künftig zudem insgesamt deutlich weniger Residuallast benötigen. Das benötigte Backup muss jedoch stärkere Schwankungen bewältigen können. Dies spricht für eine dezentrale Backup-Struktur als Partner der fluktuierenden Erneuerbaren.

» Die KWS muss noch im ersten Halbjahr 2024 von technologieübergreifenden Speicherstrategien flankiert werden, deren Punkte schnellstmöglich gesetzgeberisch umzusetzen sind. Neben der bereits im Entwurf bekannten Stromspeicherstrategie, sind weitergehende Speicherstrategien für Wärme und H2-Speicher notwendig.

» Die regional insbesondere in Süddeutschland stark verankerte Wasserkraft leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und Netzstabilität auf der Verteilnetzebene. Zusätzlich könnten durch eine flexible Stauraumbewirtschaftung kurzfristig ca. 1 – 2 GW an Flexibilität im Bestand geschaffen werden. Bei Nutzung der Modernisierungs-, Altstandort-, und Ausbaupotenziale könnten langfristig weitere ca. 3 – 3,5 GW Flexibilität bereitgestellt werden.

» Die Einigung der KWS sieht Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungen für die Errichtung und den Betrieb von Elektrolyseuren vor. Diese müssen einhergehen mit dem Abbau regulatorischer Hemmnisse für alle erneuerbaren Flexibilitäten.

» Um systemische Flexibilitäten anzureizen, muss der Gesetzgeber den regulatorischen Rahmen des Strommarktdesigns neu ausrichten. Dazu zählt vor allem die Überführung des bisherigen zeitlichen Förderdesigns für Erneuerbare Energien über einen fixen Zeitraum von 20 Jahren in eine Mengenförderung.

» Auch die Geothermie kann einen wichtigen Beitrag zur Stromerzeugung leisten und bietet zudem die Möglichkeit zur gleichzeitigen Wärmeerzeugung.

 

2 BEE-Einordnung der KWS-Eckpunkte

Die Bundesregierung hat sich am 05.02.2024 auf Eckpunkte einer KWS verständigt.1 Diese wurden mit dem Schriftbericht des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ergänzt, welche dem Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Bundestages vorgelegt wurden. Die Einigung beinhaltet, dass neue Kraftwerkskapazitäten im Umfang von bis zu 4 mal 2,5 GW als H2-ready- Gaskraftwerke kurzfristig auszuschreiben sind. Damit rückt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) von dem bisherigen Plan ab, 24 GW Leistung an neuen Wasserstoff- bzw. „H2-ready“-Erdgaskraftwerken anzureizen.2 Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt die Reduzierung der im Rahmen der KWS auszuschreibenden Kapazitäten von 24 auf 10 GW. Der Verband vertritt jedoch nach wie vor die Ansicht, dass ein dezentrales Back-up aus Erneuerbaren Energien, Speichern und Sektorenkopplungstechnologien kostengünstiger, systemdienlicher und klimafreundlicher Flexibilitäten zur Verfügung stellen kann, als es durch den alleinigen Fokus auf H2-Großkraftwerke möglich ist.3

Die bisherigen Überlegungen müssen daher unter Einbeziehung der Überlegungen zum zukünftigen Strommarkt zu einer Erneuerbaren „Flexiblitätsstrategie” weiterentwickelt werden. Der BEE zeigt im Folgenden nochmals auf, welche Erneuerbaren Flexibilitätspotenziale im Einzelnen kurz- bis mittelfristig erschließbar sind. Diese Erwägungen zu einer dezentralen Backup-Struktur sollten nach Ansicht des BEE in den Fokus der Überlegungen der Bundesregierung gerückt werden. Der BEE wird die weitere Ausgestaltung der KWS eng begleiten und die Ausgestaltung der geplanten Ausschreibung durch konkrete Maßnahmenvorschläge flankieren.

Nicht zuletzt aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimatransformationsfonds und den begrenzten haushalterischen Mitteln hat der Gesetzgeber richtigerweise die Notwendigkeit erkannt, kosteneffiziente Lösungen in den Fokus zu nehmen und betont dies ebenso in dem Einigungspapier. Der BEE plädiert daher erneut dafür, die kostengünstigen Potenziale der Erneuerbaren bereits in der geplanten Ausschreibung zur KWS zu berück- sichtigen und nicht erst ein im Jahr 2028 in Kraft tretender Kapazitätsmechanismus.

Nur so kann der von der Bundesregierung geplante Kohleausstieg unter Sicherung von kostengünstigen Strompreisen vollzogen werden. Insbesondere die Bioenergie kann kurzfristig bereits bis 2030 6 GW zusätzlich installierte Leistung zur Verfügung stellen. Flankiert durch eine schnelle gesetzgeberische Umsetzung der Speicherstrategie(n) und eine Veränderung des regulatorischen Rahmens des Strommarktdesigns, können weitere Potenziale durch sog. Überbauung kurzfristig gehoben werden, indem zusätzliche Speicher Biogas für Zeiten ohne oder mit wenig Sonnenenergie vorhalten. Die Wasserkraft kann kurzfristig etwa 1 – 2 GW flexible Leistung bereitstellen, mittel- bis langfristig könnten zusätzliche Flexibilitätspotenziale im Umfang von etwa 3 –3,5 GW systemdienlich gehoben werden. Auch die Geothermie kann einen relevanten Beitrag von 3 GW bis 2050 leisten. Laut Berechnungen des BEE und der kürzlich veröffentlichten Studie können bei der richtigen Weichenstellung zusätzliche Speicherpotentiale gehoben werden in der Größenordnung von 14 GW im Segment der Großbatteriespeicher bzw. 13 GW im Heimspeichersegment. Bis 2030 sind also 38 GW zusätzliche Erneuerbare Leistung möglich, wenn die Bundesregierung die richtigen Weichen stellt (Siehe Grafik, S.4).

In seinem Thesenpapier zu ursprünglichen Entwürfen zur KWS hatte der BEE vor Überkapazitäten an H2-Ready-Gaskraftwerken gewarnt, die erhebliche energiewirtschaftliche Risiken mit sich gebracht hätten.4 Auch mit einem geringeren Ausschreibungsvolumen besteht aus Sicht des BEE weiterhin die Gefahr, dass es bei falscher Ausgestaltung des Ausschreibungsdesigns der Gasgroßkraftwerke zu größeren Netzproblemen, vermehrter Abregelung von Grünstrom und insgesamt höheren volkswirtschaftlichen Mehrkosten kommt. Hier muss der Gesetzgeber schnellstmöglich die Details der gesetzgeberischen Umsetzung mit den Verbänden konsultieren, insbesondere im Hinblick auf Standortauswahl und die Betriebsweise. Dies gilt auch in Bezug auf die „Systemdienlichkeit“, die vom Gesetzgeber beim Hochlauf der grünen heimischen Wasserstoffwirtschaft in Betracht gezogen werden soll. Das Design der KWS ist von zentraler Bedeutung und hat erhebliche Wechselwirkung mit dem Ausbau anderer Flexibilitäten und letztlich der Erneuerbaren Energien.

Die Bundesregierung hat sich in der Einigung auch auf die Einführung eines Kapazitätsmechanismus in dem ab Jahr 2028 verständigt. Ein Vorschlag soll bis zum Sommer 2024 erarbeitet werden. Der BEE nimmt diese Entscheidung zur Kenntnis und plädiert mit Nachdruck für die Berücksichtigung bzw. Ausrichtung auf Erneuerbare Flexibilitäten, insbesondere kleinerer, dezentraler Einheiten, bei der Ausarbeitung eines Kapazitätsmechanismus. Ob ein solches Instrument tatsächlich alle zur Verfügung stehenden Flexibilitäten kosteneffizient und technologieoffen anreizen kann und wie es in geltendes EU-Recht eingebettet werden kann, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab. Der BEE empfiehlt schnellstmöglich eine enge und fachlich fundierte Abstimmung mit den Verbänden.

Abb. 1:    Neue H2-ready Gaskraftwerke in der Kraftwerksstrategie und zusätzliche Erneuerbare Flexibilitätspotenziale (ohne Bestandsanlagen)5

 

3 Kosteneffiziente Erneuerbare: Flexibilitätspotentiale in der KWS berücksichtigen

3.1 Flexibilisierte Biogasanlagen: 6 GW sichere Kraftwerkskapazität bis 2030 kurzfristig anreizen

Zum jetzigen Zeitpunkt kommen 84 TWh Energiemenge aus Biogas in 5,9 GW Stromerzeugungs- kapazitäten zum Einsatz. In Zukunft können Biogasanlagen über eine Flexibilisierung des Einsatzes ihre Kraftwerkskapazitäten deutlich steigern. Möglich ist dies ohne eine Ausweitung der Biogasproduktion, d.h. ohne die Biomassebedarfe auszuweiten. Durch eine Überbauung von Blockheizkraftwerken und den Bau von Gas- und Wärmespeichern können Biogasanlagen eine höhere elektrische Leistung bereitstellen. Verschiebt man ihre Verstromung in Zeitfenster, in denen Wind- und Solarenergie nicht ausreichend Strom produzieren, reduziert sich der Bedarf anderer Kraftwerkskapazitäten, die in diese Zeiträume überbrücken sollen. Hinzu kommen neue Biogas- und Biomethan-BHKW sowie Holzheizkraftwerke, die zusätzlich den Bedarf in der Wärmeversorgung abdecken.

Die daran angeschlossenen Wärmenetze können im Übrigen weitere Flexibilität bereitstellen, weil Strom in Zeiten hohen Aufkommens von Wind und Solarstrom in Form von Wärme zwischengespeichert wird, was den Strombedarf in Zeiten hohen Wärmebedarfs verringert. Laut Berechnungen des Fachverbandes Fachverband Biogas e.V. (FVB) kann durch eine Flexibilisierung des heutigen Bestandes die Stromerzeugung aus Biomasse damit auf 24 GW verlässliche Kapazi- tät bis 2045 gesteigert werden.6 Bis 2030 können die heute bestehenden Biogasanlagen 12 GW gesicherte Kapazität zur Verfügung stellen – das bedeutet 6 GW an zusätzlichen Kraftwerkskapazitäten. Diese stehen dem Energiesystem als „low-hanging fruits“ bis 2030 zur Verfügung, um die Dekarbonisierung des Stromsektors voranzutreiben und zügig flexibilisierte Kapazität zur Deckung der Residuallast zur Verfügung zu stellen. Die Flexibilisierung der Bioenergie stellt eine No-Regret Maßnahme dar und bedarf keiner zusätzlichen stofflichen Bedarfe.

Bei der richtigen Anreizsetzung kann der flexibilisierte Biogaskraftwerkspark einen beträchtlichen Anteil der bis 2030 benötigten Kraftwerkskapazitäten decken. Entsprechend weniger teure H2-ready Gaskraftwerke müssten neu errichtet werden, um die Residuallast in diesen Stunden zu decken.7 Auch Holzheizkraftwerke sind ein wichtiges Element in einer dezentralen Struktur erneuerbarer gesicherter Leistung.

3.2 Speicherlösung ganzheitlich vorantreiben, Hürden abbauen

Das BMWK hat im ersten Quartal 2024 eine breit angelegte Speicherstrategie angekündigt, in der Strom-, Wasserstoff- und Wärmespeicher adressiert werden. Der erste Teil dieser Speicherstrategie, die Strategie zu Stromspeichern, wurde den Verbänden bereits zur Konsultation gegeben. Obwohl die Stromspeicherstrategie viele sinnvolle Maßnahmen zum Ausbau der Strom- speicherkapazitäten beinhaltet, greift der Entwurf aus Sicht der Erneuerbaren Verbände noch immer zu kurz. Als Brücke bzw. als „energiewirtschaftliche Zeitmaschinen“ ermöglichen Speicher die zeitliche Verschiebung zwischen Erzeugung (aus regenerativen Energien) und Verbrauch. Der rasante Zubau bei Heimspeichern und auch in der Elektromobilität lassen einen weiteren schnellen Hochlauf und eine weitere erhebliche Kostensenkung erwarten. Diese zentrale Rolle in der Bereitstellung von Flexibilitäten gilt es als dritte Säule der Energieversorgung zu berücksichtigen.

Der BEE und der Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW) machen in ihren Stellungnahmen verschiedene Vorschläge zur Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen für Stromspeicher.8 Dazu gehört eine Standardisierung der Baukostenzuschüsse, die lediglich für solche Speichersysteme erhoben werden sollten, die eine negative Wirkung auf den Netzausbau haben. Um den notwendigen schnellen Hochlauf auch von Power-to-Heat-Anlagen und Elektrolyseuren zu gewährleisten, sollte darüber hinaus auch eine dauerhafte Befreiung von doppelten Netzentgelte für diese wichtigen Flexibilitäts-Technologien erfolgen. Die Befreiung sollte bei diesen Technologien zusätzlich an die Netzdienlichkeit des Strombezugs geknüpft werden. Dies gewährleistet sowohl eine netzdienliche geografische Lage der Anlage als auch eine netzdienliche Fahrweise bzw. zeitliche Nutzung des Stroms.

Daneben ist es besonders wichtig, den regulatorischen Rahmen so anzupassen, dass Speicher gleichzeitig mehrere Funktionen erfüllen können, wie z.B. die Eigenbedarfsoptimierung und die Erbringung von Systemdienstleistungen. Dafür ist eine Aufhebung der Ausschließlichkeitsanforderungen (nach § 19 Abs. 3 EEG und der § 13 Abs. 4 InnAusV) notwendig sowie weitere regulatorische Erleichterungen. Der Gesetzgeber sollte insgesamt die Möglichkeiten von Speichern am Strommarkt teilzunehmen verbessern und netzdienliches Verhalten stärker Anreizen (also z.B. auch die Ein- und Ausspeicherung von Windstrom).

Auch wenn das enorme Potential von Speichertechnologien seitens des Gesetzgebers zunehmend anerkannt wird, wird die Marktdynamik noch immer unterschätzt. Eine kürzlich vorgelegte Studie von Frontier Economics zeigt beispielsweise auf, dass alleine Großbatterien ihre Kapazität bis 2030 bis zu 15 GW / 57 GWh ausweiten könnten.9 Großspeicher können im Strommarkt Netzkosten und Marktpreise stabilisieren. Auch das Heimspeichersegment weist eine enorme Dynamik auf: Alleine 2023 wurde eine kumulierte Speicherkapazität von 4,6 GWh installiert, was einem Zuwachs von 153 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.10 Die Wachstumspotential aller Speichertechnologien gilt es zu entfesseln und schnellstmöglich systemdienlich zur Verfügung zu stellen.

3.2 Erneuerbare Flexibilitätspotenziale der Wasserkraft heben

Auch die stetig verfügbare, planbare und flexibel steuerbare Wasserkraft kann einen wichtigen Beitrag zur Flexibilisierung der Erzeugerseite in einem neuen Strommarktdesign leisten. Abgeleitet aus den Ergebnissen einer Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) für Bayern11 können nach Berechnungen des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) deutschlandweit zu den bereits bestehenden Kapazitäten in Speicher-, Pumpspeicher- und Laufwasserkraftwerken kurz- bis mittelfristig durch eine flexible Stauraumbewirtschaftung der Laufwasserkraftwerke zusätzliche Flexibilitäten von rund 1 – 2 GW bereitgestellt werden (Minuten- und Primär-Reserveleistung).

Diese Potenziale ließen sich technisch relativ einfach und kostengünstig erschließen, indem steuerbare Wehrklappen zur Nutzung der ohnehin vorhandenen natürlichen Abflussschwankungen zur flexiblen Stauraumbewirtschaftung genutzt würden. Dies wäre wasserwirtschaftlich und gewässerökologisch unbedenklich umsetzbar. Dabei ließe sich dieses Flexibilisierungspotenzial bereits durch eine dynamische Nutzung der Stauziele von +/- 10% erreichen, die den Berechnungen einheitlich zugrunde gelegt wurden.

An vielen Standorten gehen diese Potenziale sogar noch deutlich darüber hinaus. Bei Nutzung der insgesamt noch vorhandenen Potenziale der Wasserkraft in Deutschland (Reaktivierung und Modernisierung von Altstandorten, Gewässerausbau)12 könnte die Wasserkraft weitere Flexibilitätsleistung im Umfang von 3 –3,5 GW zur Verfügung stellen13. Dies zeigen u. a. aktuelle Zwischenergebnisse einer derzeit an der TU Braunschweig in Erarbeitung befindlichen wissen- schaftlichen Studie zu den Wasserkraftpotenzialen in Deutschland. Diese zusätzlichen Potenziale könnten mittel- bis langfristig erschlossen werden.

Voraussetzung dafür ist jedoch die Entwicklung einer in sich konsistenten und langfristig ausgerichteten Wasserkraft-Strategie analog zu den anderen Erneuerbaren Technologien und eine deutliche Verbesserung der genehmigungsrechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Wasserkraft. Im Zuge der voranschreitenden Automatisierung und Digitalisierung der Netze werden die dezentralen Wasserkraftanlagen künftig für mehr Flexibilität sorgen und sind insbesondere auf der Verteilnetzebene netzdienlich und kostensenkend einsetzbar14.

3.3 Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung für alle Erneuerbaren Flexibilitäten erleichtern

In dem Einigungspapier wurde festgehalten, dass bestehende „Hemmnisse für die Errichtung und den Betrieb von Elektrolyseuren” abgebaut werden sollen, „um insbesondere den Zubau von Elektrolyseuren zu beschleunigen, die systemdienlich betrieben werden sollen”. Des Weiteren soll es keine weitere „Doppelbelastung von Abgaben und Gebühren auf Strom zur Speicherung und Elektrolyse geben”, um die Nutzung von Überschussstrom uneingeschränkt zu ermöglichen. Der BEE begrüßt die regulatorischen Erleichterungen und den Abbau von Hemmnissen für Elektrolyse und Erneuerbare Speicher. Diese sind unabdingbar für den Hochlauf der heimischen grünen Wasserstoffwirtschaft ebenso wie den Roll-out von Batteriespeichern in der Breite der Energiewirtschaft (wie in Kapitel 2.2). Diese müssen nun schnellstmöglich Eingang in die Gesetzgebung, wie z.B. in das BauGB, BImSchG etc. finden.

Darüber hinaus plädiert der BEE für regulatorische Erleichterungen für den Bau und Betrieb von allen flexiblen und steuerbaren Erneuerbaren Energien. Es ist nicht verständlich, wieso der Gesetzgeber Planungs- und Genehmigungsverfahren für die in der KWS enthaltenen Gaskraftwerke beschleunigen möchte, während immer noch vorhandene Hemmnisse beim Bau und Betrieb Erneuerbaren flexibler Erzeugungstechnologien und Speichertechnologien bestehen bleiben.15

3.4 Strommarktdesign für Flexibilitäten fit machen, Mengenförderung einführen

Angesichts des geplanten massiven Ausbaus von Wind und PV häufen sich zukünftig Zeitfenster, in denen das Stromangebot die Nachfrage übersteigt und als Resultat die Strompreise gegen null oder darunterfallen. In diesen Zeiträumen erhalten die Anlagenbetreiber nach §51 EEG keine Vergütung, was die betriebswirtschaftliche Grundlage und somit den Erneuerbaren Ausbau gefährdet. Zusätzlich führen diese niedrigen Strompreise zu fallenden Marktwerten von Wind und PV-Anlagen, entziehen also den Anlagenbetreibern die betriebswirtschaftliche Grundlage auch im Weiterbetrieb ohne Förderung. Vor diesem Hintergrund muss das Förderregime so weiterentwickelt werden, dass die intelligente Fahrweise von allen Erneuerbaren-Energien-Anlagen in höherpreisigen Zeitfenstern systematisch angereizt wird. Der BEE plädiert daher für eine Umstellung von einer Zeit- auf eine Mengenförderung.16

Neben einer Reform des Fördermechanismus ist es notwendig, die regulatorischen Rahmen des Strommarktdesigns derart umzugestalten, dass zusätzliche verbrauchs- und haushaltsnahe Flexibilitäten gehoben werden können und netzdienliches Verhalten angereizt wird. Im Rahmen der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) befinden sich hierzu verschiedene Optionen in der Diskussion. Hierzu gehören eine bivalente Fahrweise von Speichern, die unter Voraussetzungen systemdienlicher Rückeinspeisung helfen können, Lastspitzen zu decken und Stromnetze zu entlasten. Die Potentiale von Speichertechnologien erhöhen sich mit zunehmender Sektorenkoppelung durch die fortschreitende Elektrifizierung von Wärme, Industrie und Verkehr (siehe Punkt 5)).

Die Potentiale der Flexibilisierung des Verbraucherverhaltens („Demand-Side-Management“) gilt es ebenfalls durch einen intelligenten Mechanismus zu bündeln. Elektrolyseure könnenin einer netz- und marktdienlichen Fahrweise erheblich zur Netzstabilität und zur Senkung von Netzkosten beitragen und den Bedarf an Großkraftwerken mindern. Die Umsetzung des Nutzen-Statt-Abregeln-Instruments (§13k EnWG) sollte mit Hochdruck durch die BNetzA und die Übertragungsnetzbetreiber und in enger Abstimmung mit den Verbänden vorangebracht und sinnvoll ausgestaltet werden. Auch können haushaltsnahe Flexibilitäten über dynamische Netzentgelte und dynamische Strompreise gehoben werden.

3.5 Geothermieausbau vorantreiben

Auch Thermalwasser kann zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Eine wirtschaftliche Stromerzeugung kann in Abhängigkeit vom Arbeitsmittel ab Temperaturen von 100°C erfolgen. Geothermie-Stromkraftwerke haben nicht nur eine netzstabilisierende Wirkung, sondern geben überdies regelmäßig den Anstoß für die Realisierung geothermischer Wärmeprojekte, da eine Wärmeauskopplung technisch einfach umgesetzt werden kann. Zusammengenommen beläuft sich die installierte elektrische Leistung gegenwärtig auf 46 MW. Die Bruttostromerzeugung lag in 2022 bei 245 Mio. kWh. Durch den starken Anstieg der Aufsuchungsgenehmigungen ist davon auszugehen, dass zukünftig deutlich mehr Strom mittels Geothermie bereitgestellt wird. Die Geothermie kann bis 2050 laut BEE-Strommarktanalyse insgesamt 3 GW zur Verfügung stellen.17

 

 

1 Siehe BMWK - Einigung zur Kraftwerksstrategie

2 Siehe Pressemitteilung des BMWK vom August 2023. Davon sollten jeweils 4,4 GW Hybrid- und- Sprinterkraftwerke gebaut werden, die von Beginn an mit Wasserstoff betrieben werden sollten. Die Grundlage für die H2-betriebenen Kraftwerke wurde bereits per Verordnungsermächtigung im EEG 2023 angelegt und wurden vom BEE in der BEE-Stellungnahme zum Referentenentwurf der EEG-Novelle 2023 kommentiert.

3 Grundlage hierfür sind die Berechnungen der BEE Studie Klimaneutrales Stromsystem. Laut der Studie können andere Optionen wie Bioenergie- und flexible KWK-Anlagen, Netzausbau, Speicher und ein flexibles Verbraucherverhalten („Demand-Side-Management“) abdecken („Reformszenario“). Gemäß den Szenarioberechnungen kann der Bedarf an neuen H2-Gaskraftwerken von 9,7 GW im Basisszenario durch sinnvolle Maßnahme im Reformszenario auf 0,1 GW deutlich reduziert werden.

4 Siehe BEE-Thesenpapier zur geplanten Kraftwerksstrategie der Bundesregierung.

5 Erklärung: Diese Grafik beruht auf den Daten der BEE-Strommarktstudie. Auf Grundlage des Reformszenarios, welches die optimale Ausnutzung der Erneuerbaren Flexibilitäten unterstellt, lassen sich die oben dargestellten Zahlen an zusätzlichen Erneuerbaren Flexibilitätskapazitäten zusammenfassen (siehe BEE-Strommarktstudie, S. 179). Aufgrund der enormen Marktdynamik beim Ausbau von Stromspeichern wurde der Ausbau von Großbatterien auf Datengrundlage der kürzlich erschienenen Studie von Frontier Economics 2024 extrapoliert.

6 Siehe die detaillierte Ausführung des Hauptstadtbüro Bioenergie in seiner Stellungnahme zum Osterpaket, S.10.

7 Siehe BEE Studie Strommarktdesign. Laut BEE-Strommarktstudie können andere Optionen wie Bioenergie- und flexible KWK-Anlagen, Netzausbau, Speicher und ein flexibles Verbraucherverhalten („Demand-Side-Management“) abgedeckt werden kann („Reformszenario“).

8 Für weitere Details und Forderungen siehe die BEE-Stellungnahme und die BSW-Stellungnahme zum Entwurf für eine Stromspeicher-Strategie des BMWK.

9 Siehe Studie von Frontier Economics 2024.

10 Siehe Studie: Stromspeicher-Inspektion 2024 der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin.

11 Forschungsstelle für Energiewirtschaft (Hrsg.): Endbericht Flexibilisierung der Laufwasserkraftwerke in Bayern – Potenzialabschätzung der flexibel einsetzbaren Leistung in Laufwasserkraftwerken in Bayern, München, Mai 2013.

12 Seidel, C., Ostermann L.: Analyse des ausbaubaren Wasserkraftpotenzials in Deutschland, Technische Universität Braunschweig, Institut für Statik und Dynamik, in Bearbeitung, Frühjahr 2024.

13 Seidel, C.: Mögliche Flexibilisierungspotenziale der Wasserkraft in Deutschland, Technische Universität Braunschweig, Institut für Statik und Dynamik, WasserWirtschaft Nr. 10-2017, S. 41-45.

14 Bergische Universität Wuppertal, Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik: Netztechnischer Beitrag von kleinen Wasserkraftwerken zu einer sicheren und kostengünstigen Stromversorgung in Deutschland; Studie vom 10.7.2018.

15 Dies betrifft zum Beispiel die regulatorischen Hemmnisse für Biomethan und Bioenergie, siehe Stellungnahme des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB) Positionspapier zum Abbau regulatorischer Hemmnisse für die Bioenergie sowie Sofortmaßnahmen zum Ausbau der Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz

16 Siehe BEE-Stellungnahme zur Umstellung des Fördermechanismus von einer Zeit in eine Mengenförderung.

17 Siehe BEE Studie Strommarktdesign, S. 247

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