Stellungnahme zur Anhörung von Dr. Simone Peter, geladene Sachverständige im Ausschuss für Klimaschutz und Energie am 06.12.2022, zum…
5. Dezember 2022
In der Kabinettssitzung vom 25.11.2022 hat die Bundesregierung (BReG) den Kabinettsentwurf (KabE) für ein „Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen“ beschlossen. Der Entwurf basiert auf der EU-Verordnung 2022/1854, welche es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Maßnahmen gegen die anhaltende Energie- und Versorgungskrise zu treffen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat auf dieser Grundlage in den letzten Wochen erste Entwurfsfassungen erarbeitet und letzte Woche schließlich den Referentenentwurf (RefE) für ein Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (Strompreisbremsegesetz – StromPBG) vorgelegt. Diesen - mit u.a. relevanten Änderungen im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) und dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) - hat der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) trotz der äußerst kurzen Frist von weniger als 24h in der Stellungnahme vom 23.11. ausführlich bewertet.1 Im Folgenden bewertet der BEE die letzte Fassung des Kabinettsentwurfs (KabE) vom 25.11. und zeigt den dringendsten Änderungsbedarf auf.
Als Vertretung der Erneuerbaren-Branche unterstützt der BEE ausdrücklich den kurzfristigen staatlichen Handlungsbedarf in dieser historischen Krise. Die Branche der Erneuerbaren Energien ist sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und möchte einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten. Bereits heute senken die Erneuerbaren in der fossilen Energiekrise die Strompreise. Zudem sind ausschließlich die Erneuerbaren Energien in der Lage, Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Energiepreisen sicherzustellen. Für den Ausbau der Erneuerbarer Energien bedarf es jetzt enormer Investitionen und eines Beschleunigungspakets. Laut Branchenschätzungen sind allein für den Ausbau der EE-Energien Wind-an-Land (sowie auf See), Photovoltaik und Bioenergie Investitionen von ca. 400 Mrd. Euro bis 2030 notwendig. Statt die im globalen Wettbewerb stehenden Investitionen weiter anzureizen, droht die Strompreisbremse jedoch zur Investitionsbremse und somit zu einer Ausbaubremse zu werden.
Nach wie vor bestehen erhebliche Zweifel, ob der Gesetzesentwurf der EU-Notfallverordnung und dem nationalem Verfassungsrecht entspricht.2 Der Gesetzesentwurf verletzt elementare Grundrechte insbesondere der Betreiber*innen von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und greift in Vertragskonstellationen Dritter ein. Es besteht daher die Gefahr, dass die geplante Erlösabschöpfung einer juristischen Überprüfung nicht standhält.
Vor diesem Hintergrund lehnt der BEE den vorgeschlagenen Ansatz der BReG entschieden ab und plädiert nach wie vor für eine steuerliche Lösung. Nachdrücklich zu kritisieren ist, dass die Umsätze Erneuerbarer Energien weitestgehend abgeschöpft werden sollen, anstatt wie bei Unternehmen im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich einen Teil des Unternehmensgewinns abzuschöpfen. Dies birgt das Risiko von Eingriffen in die betriebswirtschaftliche Grundlage der Marktakteure mit äußerst negativen Folgewirkungen für eben diese, aber auch für den Strommarkt an sich. Aus diesem Grunde wäre ein steuerlicher Abschöpfungsmechanismus, der am Gewinn einer Anlage ansetzt, wesentlich sinnvoller.
Sollte die Bundesregierung an dem vorliegenden Ansatz festhalten, bedarf es unbedingt einiger wichtiger Änderungen, damit der negative Effekt auf den Ausbau und das Investitionsklima der Strompreisbremse gemindert werden kann. Der BEE stellt im Folgenden den dringendsten Änderungsbedarf im StromPBG dar. Für weitere Details verweist der BEE auf seine erste Stellungnahme vom 23.11.2022 und für die ausführliche Bewertung der Änderungen im EEG und EnWG auf die Stellungnahmen des Bundesverbandes WindEnergie e.V. (BWE), des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB)3 und des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. (BSW).
Der vorliegende Entwurf sieht für die Stromerzeugung aus EE-Anlagen vor, 90 Prozent aller Strommarkterlöse oberhalb eines Referenzwertes („gestatteter Erlös“) abzuschöpfen, der der bisherigen Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 3 ct/kWh bei EE-Anlagen (7,5 ct/kWh bei Biogasanlagen) entspricht. Bei Windenergieanlagen und Solaranlagen ist der Sicherheitszuschlag ferner um 6 Prozent des Mittelwerts des jeweiligen energieträgerspezifischen Monatsmarktwertes erhöht (siehe § 16 StromPBG). Aufgrund der Abschöpfung fiktiver (d.h. nicht realisierter) Erträge statt Gewinne kommen auf Anlagenbetreiber erhebliche wirtschaftliche Härten zu. Liquiditätsprobleme, finanzielle Schäden und teilweise gar die Einstellung des Betriebes der Anlage können hier die Folge sein. Hinzu kommt, dass der Vorschlag der BReG bzw. des BMWK auf veralteten Zahlen beruht. Anlagenbetreiber sind bereits seit Monaten von den massiven Kostensteigerungen in der gesamten Wertschöpfungskette, wie für Bau und Logistik, Rohstoffe und Anlagenkomponenten, aber auch für Finanzierung und Direktvermarktung betroffen. Die Zinssteigerungen von 300 Prozent wirken sich massiv auf die Gesamtkosten aus. In den jeweiligen Branchen machen sich die einzelnen Kostensteigerungen wie folgt bemerkbar:
In der Summe ist die von der BReG vorgesehene Erlösobergrenze aufgrund der Kostensteigerungen nicht ausreichend, um den wirtschaftlichen Betrieb einerseits und Neuinvestitionen von EE-Anlagen andererseits zu gewährleisten.
Bioenergieanlagen produzieren zu Spitzenlastzeiten Strom, d.h. vor allem in hochpreisigen Zeitfenstern. Aktuell ersetzt Biomasse so in Stunden hoher Börsenstrompreise teures fossiles Erdgas zur Deckung der Spitzenlast und trägt somit zu einer Reduktion des Bedarfs an fossilem Erdgas bei. Eine Verzerrung dieser Strompreissignale kann so zu einem höheren Erdgasbedarf in Spitzenzeiten führen. Mit der im KabE vorliegenden Erlösobergrenze wird Bioenergieanlagen dieser Anreiz zur flexiblen Strombereitstellung genommen. Laut Absatz §16 Abs. 1 KabE soll die Differenz zwischen den „gestatteten Erlösen“ (anzulegender Wert zzgl. Sicherheitszuschlag) und den realen Spotmarkterlösen abgeschöpft werden. Damit würden auch die Erlöse aus einer flexiblen Stromproduktion nur zu 10 Prozent beim Anlagenbetreiber und dem Direktvermarkter verbleiben. Ein Anteil von 10 Prozent ist jedoch viel zu gering, um bei Anlagenbetreiber und Direktvermarkter die Kosten für eine flexible Fahrweise zu decken. In der Folge würde weniger Flexibilität bereitgestellt, mehr fossiles Erdgas zu Spitzenlastleistung verbraucht und die Versorgungskrise am Strommarkt somit verschärft werden.
In seiner aktuellen Form würde das StromPBG einen massiven Markteingriff darstellen. Mit dem vorliegenden Ansatz wären faktisch keine Festpreis-Marktmodelle (Kurzfrist-PPA, Terminmarkthandel, Industrie-PPA, Bürgergrünstrom, usw.) mehr möglich. Die im Entwurf des Strom- PBG vorgesehene Berücksichtigung von Langfristgeschäften ist auf die Vermarktung von konventionellen und steuerbaren Kraftwerken und nicht auf die Vermarktung von Strom aus Windenergie und Solaranlagen zugeschnitten. Hintergrund dessen sind die Annahmen zur Preissetzung im Terminmarkt, welche aufgrund diverser zusätzlicher Risiken und Kosten für volatile Erneuerbare Energien nicht zu erreichen sind.
Da Erneuerbare Energien sich in der Folge aus den Langfristmärkten zurückziehen müssten, würde die Strompreisbremse zu einer Verknappung der Angebotsseite auf den Terminmärkten führen. Ein verringertes Angebot würde die Strompreise auf den Terminmärkten in die Höhe treiben und somit zu mehr volkswirtschaftlichen Kosten für alle Endkund*innen, vor allem solche, die sich über PPA etc. langfristig Strom zu fixen Konditionen einkaufen wollen, führen.
Aufgrund der geplanten Regelung in der Strompreisbremse müssten die gestiegenen Kosten bei den Preisen für Endkund*innen durch den Staat wieder aufgefangen werden. Insgesamt würde dies den Sinn der Strompreisbremse, nämlich die hohen Stromkosten zu verringern, konterkarieren. Daher ist eine Regelung hinsichtlich der Langfristmärkte unbedingt geboten.
Der Referentenentwurf der Strompreisbremse sah als Stichtag für den Beginn der Strompreisbremse den 01.09.2022 vor. Im Gegensatz hierzu nimmt der vorliegende KabE nun den 01.12.2022 als Anfangsdatum für eine Erlösobergrenze. Der Entfall der Rückwirkung ist ein enorm wichtiges Zeichen an die Branche, dass ein Minimum an Investitions- und Planungssicherheit gewährleistet wird. Ein folgenschwerer Tabubruch konnte so vermieden werden. Dennoch bleiben weitere Unsicherheiten hinsichtlich des rechtlichen Rahmens des StromPBG bestehen:
Die Ausgestaltung der EU-Verordnung ist laut verschiedener Gutachten auch in der jetzt beschlossenen Kabinettsfassung nicht europa- bzw. verfassungskonform.4 Das StromPBG geht deutlich über den Rahmen der EU-Verordnung hinaus, welche eine Erlösobergrenze von 180 €/MWh ermöglicht. Es steht zu erwarten, dass von der Abschöpfung betroffene Unternehmen juristisch gegen die Vorschläge der BReG vorgehen werden. Dies führt zu erheblichen Rechtsunsicherheiten. Zudem sind aufgrund weiterer Unklarheiten hinsichtlich der Durch- und Umsetzung einzelner Paragraphen weitere Rechtsunsicherheiten im StromPBG angelegt. In seiner derzeitigen Ausgestaltung ist der Ansatz unter fachlichen Gesichtspunkten nach Meinung des BEE und seiner Mitgliedsverbände nach wie vor nicht umsetzbar. Er ist unausgegoren und droht ein fehler- und störanfälliges “Bürokratiemonster” zu werden, dessen Aufwand seinen vermeintlichen Nutzen umso mehr in Frage stellt.
Aus Sicht der Erneuerbaren Branche ist weiterhin zu kritisieren, dass mit dem vorliegenden Vorschlag Erneuerbare Zukunftsenergien gezielt schlechter gestellt werden als fossile Energien. Während letztere zumeist entweder ganz aus der Strompreisbremse ausgenommen, per Solidaritätsabgabe beteiligt werden oder über extrem hohe „zugestandene“ Stromgestehungserlöse (bei Kernkraftwerken bis zu 150 €/MWh) kaum abgeschöpft würden bzw. deutlich oberhalb ihrer realen Gestehungskosten, sollen die Erneuerbaren Energien den Löwenanteil der Aufkommensseite der Strompreisbremse stemmen. Dies schafft ein politisch fatales Signal und ein faktisches Missverhältnis.
Insgesamt führt die Strompreisbremse zu einer Beeinträchtigung des Investitionsklimas in Deutschland. Die über den EU-Rahmen hinausgehende Abschöpfung verunsichert die Branche und Investor*innen, welche massiv in den Ausbau Erneuerbarer Energien investieren sollten. Da der Abschöpfungsrahmen für Erneuerbaren Energien in Deutschland, verglichen mit anderen EU-Mitgliedsstaaten, nachteilig ausgestaltet werden soll, ist eine Abwanderung von EE-Investitionen ins Ausland die wohl unvermeidbare Folge.
Sollte die BReG an dem vorliegenden Ansatz festhalten, so ist es von zentraler Bedeutung den Rechts- und Marktrahmen so klar wie möglich zu halten.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf werden neben der Strompreisbremse weitere energierechtliche Bestimmungen vor allem im EEG und EnWG vorgenommen. Diese hat der BEE ebenfalls in seiner Stellungnahme vom 22.11 ausführlich kommentiert, ebenso wie die Fachverbände BWE5, BSW6 und der HBB7. Im Vergleich zum RefE ist bezüglich dieser Änderungen leider eine deutliche Verschlechterung zu konstatierten, welche der BEE sehr kritisch bewertet:
1
Siehe Stellungnahme des BEE vom 23.11.2022 www.bee-ev.de/service/publikationen-medien/beitrag/bee-stellungnahme-zur-formulierungshilfe-der-bundesregierung-zur-einfuehrung-einer-strompreisbremse.
2 Siehe aktualisiertes Gutachten der Kanzlei Raue zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfes https://bsw.li/3VEi9Uu.
3 Siehe Stellungnahme des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB) https://www.hauptstadtbuero-bioenergie.de/download_file/force/333/474.
4 Siehe Gutachten der Kanzlei Raue vom 28.11.2022. Sowie Gutachten "Grenzen der nationalen Ausgestaltung der Mehrerlösabschöpfung im Stromsektor" der Kanzlei Raue vom 20.10.2022. Sowie Gutachten “Verfassungsrechtliche Fragen zur Rückwirkung einer Gewinnabschöpfung” der Kanzlei von Bredow vom 21.10.2022
5 Siehe Stellungnahme des Bundesverbandes Windenergie e.V. (BWE) https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen/04-politische-arbeit/01-gesetzgebung/20221123_-_BWE-Stellungnahme_ReGEntwurf_EEG_u.a..pdf.
6 Siehe Stellungnahme des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. (BSW) https://www.solarwirtschaft.de/wp-content/uploads/2022/11/bsw_stellungn_stromPBG.pdf.
7 Siehe Stellungnahme des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB) https://www.hauptstadtbuero-bioenergie.de/download_file/force/333/474.
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) warnt vor der Einführung von Differenzverträgen, sogenannten Contracts for Difference (CfD), wie sie die…
„Ob die Bundesregierung ihre selbst gesteckten Ausbauziele erreichen wird, entscheidet sich in diesem Jahr“, so die Präsidentin des Bundesverbands…
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat heute ihren „Energy Technology Perspectives 2023“ Report veröffentlicht. Der Bundesverband Erneuerbare…
Vor einem Jahr hat Bundeswirtschaftsminister Habeck die Eröffnungsbilanz Klimaschutz vorgelegt und Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende…
Zum Jahreswechsel 2022/23 benennt der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) die wichtigsten Reformbedarfe zur Beschleunigung des Erneuerbaren…
Zum 1. Januar 2023 tritt die Initiative Energien Speichern e.V. (INES) dem Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) als Mitgliedsverband bei. Mit…
Der EU-Energieministerrat hat sich in dieser Woche im Rahmen der EU-Notfallverordnung (EU-NotfallVO) auf Genehmigungsbeschleunigungen für Erneuerbare…
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßt die politische Einigung zwischen dem Europäischen Parlament (EP) und dem Rat der Europäischen…
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat auf seiner zweiten Delegiertenversammlung weitere Satzungsänderungen zur Stärkung der…
„Die Koalitionsfraktionen haben den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG) überarbeitet und dabei auch einige…
Heute vor einem Jahr wurde die neue Bundesregierung vereidigt. „Der klare Klimakurs aus dem Koalitionsvertrag ist zu einem Hindernislauf geworden“, so…
Heute berät der Bundestagsausschuss Klimaschutz und Energie über das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG). Die Präsidentin des…
Verfügbarkeiten werden zunehmend zur “Leitwährung” im Strommarkt Weiter zu entwickelndes Strommarktdesign muss die Finanzierung von…
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat heute seine Stellungnahme zur Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Einführung einer…