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Stellungnahme

Stellungnahme zur Konkretisierung der Reichweite energiewirtschaftlich relevanter Mess- und Steuerungsvorgänge

5. April 2023

Einleitung

Am 13.02.2023 hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie definiert, welche Daten als besonders schutzwürdige energiewirtschaftlich relevante Daten unter einen speziellen Schutz fallen und nur über ein vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziertes Smart-Meter-Gateway (SMGW) verarbeitet und übermittelt werden dürfen und welche Daten als sogenannte betriebliche Daten auch über andere WAN-Verbindungen ausgetauscht werden dürfen.

Zwar deutet die BNetzA in ihrem Positionspapier an, dass der hierin diskutierte Themenkreis bei Bedarf in ein förmliches Festlegungsverfahren überführt werden könnte. Bis dahin jedoch stellt das vorliegende Positionspapier das einzige Dokument dar, an dem sich der Markt hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der energiewirtschaftlichen Daten orientieren kann. Es ist aus diesem Grund von umso größerer Relevanz.

Im Folgenden wird der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) zunächst die im Positionspapier gemachten Angaben und die sich daraus ergebenden Konsequenzen kritisch bewerten und anschließend konstruktive Vorschläge für die weitere Vorgehensweise machen.

 

1. Kritische Bewertung der im Positionspapier gemachten Angaben

Laut BNetzA-Positionspapier umfassen die energiewirtschaftlich relevanten Daten gemäß § 19 Abs. 2 MsbG „sowohl direkte als auch mittelbare Steuersignale, wie z.B. Preissignale, die in den Systemen des Anschlussnutzers/Anschlussnehmers als Auslöser einer Steuerungshandlung hinterlegt sein können.“ Das bedeutet, dass jede Kommunikation mit einer Anlage, die auch nur mittelbar Einfluss auf Steuerungshandlungen hat, als energiewirtschaftlich relevant eingestuft wird.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass PV-Anlagen, Wärmepumpen, Speicher oder Wallboxen in der Niederspannung heute stets komplexe Optimierungen auf Basis einer Vielzahl von Wetterdaten, Preisdaten, zugesagten Netzdienstleistungen, Berücksichtigung von Benutzervorgaben (z.B. zeitliche Einschränkungen) etc. vornehmen, um ihre Einsatzentscheidungen zu treffen.

Daher müsste bei Anwendung der im Positionspapier gemachten Vorgaben eine kaum abzuschätzende Menge an Daten über das SMGW übermittelt und verarbeitet werden.

Verschärft würde dieses Problem ab 2025 durch die perspektivische Ausstattung von EE-Anlagen > 100 kW Leistung mit SMGW. In größeren Leistungsbereichen sind neben Verbrauchern und PV-Anlagen auch zunehmend Biogas- oder Windenergieanlagen von den Anforderungen betroffen. Die komplexen Direktvermarktungsmodelle inkl. der zunehmenden Erzeugungsflexibilität erfordern zuverlässige und umfangreiche Steuerungsmöglichkeiten.

Unter den Geltungsbereich der energiewirtschaftlich relevanten Daten, die über ein SMGW laufen müssten, würden bei der beschriebenen Auslegung des Begriffs sowohl Kommunikationsdaten im Rahmen der Direktvermarktung als auch Softwareupdates fallen, da ein mit einem Update verbundener Neustart (an/aus-Befehl) eine Schalthandlung darstellt.

Auch die beliebten "Apps", die heute zum kostenlosen Standard jedes Systems gehören, wären in ihrer jetzigen Form nicht mehr möglich, da der Zugriff bisher in der Regel über die Portale der Hersteller (vom Anlagenbetreiber beauftragte Dritte im Sinne des Positionspapiers) erfolgt.

Negativ betroffen wären zudem virtuelle Kraftwerke, die laufend und innerhalb kürzester Zeit Daten austauschen müssen. Die Anbindung von EE-Anlagen, die aktuell (national und international) sicher in bestehende virtuelle Kraftwerke eingebunden sind, wäre auf dieser Grundlage zukünftig nicht mehr möglich!

Zwar wird die einfache Fernsteuerung von Anlagen über SMGW – im Sinne von an/aus-Befehlen - seit Jahren erprobt, aber selbst dieser Bereich wird nach Wissen des BEE noch von keinem Messstellenbetreiber erfolgreich im Massengeschäft umgesetzt. Eine darüber hinaus gehende Datenkommunikation aller energiewirtschaftlich relevanten Daten wurde nach unserem Kenntnisstand noch gar nicht erprobt. Es ist deshalb nicht absehbar, ob die für den gelegentlichen Austausch von Zählerdaten definierte IT-Architektur der SMGW dafür überhaupt geeignet ist.

Die 900 grundzuständigen Messstellenbetreiber sind darüber hinaus weder organisatorisch noch fachlich dafür aufgestellt, die Kommunikationsanforderungen sämtlicher Hersteller von EE-Anlagen in verschiedenen Größenklassen und basierend auf unterschiedlichen Technologien, Speichern, Wallboxen und Wärmepumpen über SMGW umzusetzen – hier wird im Positionspapier die technische Realität ignoriert.

Nach 15 Jahren Stillstand bei der Übermittlung von Messwerten droht deshalb bei Umsetzung der von der BNetzA in ihrem Positionspapier vorgeschlagenen Auslegung sogar ein Rückschritt bei der Steuerung von Anlagen. Sehr viele Produkte und Dienstleistungen, die bereits am Markt verfügbar sind, müssten ihre Daten über das SMGW senden. Dies würde eine Neuentwicklung nur für den deutschen Markt nach sich ziehen. Somit würde der deutsche Markt für viele Hersteller uninteressant und diese würden sich auf andere Märkte fokussieren. Im weltweiten Wettlauf um die Technologie-Führerschaft im Cleantech-Bereich können wir uns solche Fehler nicht mehr leisten.

Die praktische Anwendung würde zudem getätigte Investitionen in die Zukunft in nicht unerheblicher Höhe entwerten und teure technologische Neuentwicklungen mit noch unbekannten Betriebskosten notwendig machen. Dies wird die benötigte Transformation der Energielandschaft weiter verzögern und die Kosten für die Verbraucher erhöhen.

 

2. Konstruktive Vorschläge für die weitere Vorgehensweise

In dem seit 2019 angestoßenen intensiven Standardisierungsprozess (Task Force Smart Grid, AG Gatewaystandardisierung) wurde erkannt, dass die ausschließliche Kommunikation über das SMGW nicht praxistauglich ist und sich auf die absolut notwendigen Steuerungshandlungen zum gesicherten Netzbetrieb beschränken muss.

In der Task Force Smart Grid von BMWK und BSI hatte man sich auf ein Stufenmodell geeinigt, um nach und nach die noch fehlenden Standardierungsbedarfe zur Anbindung der Komponenten zu adressieren und Lösungen zu finden.

Entsprechend wurde die Systemarchitektur angepasst (Abbildung 1) und die „Technische Richtlinie 5“ - BSI-TR-03109-5 „Mindestanforderungen an Komponenten im HAN des SMGW“ - entwickelt, um eine sichere Anbindung von z. B. Steuerungseinrichtungen oder Energie-Management-Systemen an das SMGW (2. WAN-Schnittstelle) zu definieren. Die TR 5 hätte finalisiert und noch im Jahr 2022 im Ausschuss Gatewaystandardisierung beschlossen werden sollen.    

Abbildung 1: Anpassung der Systemarchitektur gem. TF Smart Grid

Darüber hatte man sich in den Standardisierungsgremien mit breitem Konsens auf die Leistungsbegrenzung mittels einer „Hüllkurve“ (Plim) als technisch sinnvolles und tragfähiges Konzept geeinigt. Mit diesem Konzept wäre auch ein klarer Verantwortungsübergang am Netzanschluss gegeben und damit eine saubere Trennung zwischen Markt und Netzbetrieb realisiert. Über das intelligente Messsystem ist die Einhaltung der netzbetrieblichen Vorgaben leicht zu überwachen und Fehlverhalten kann erkannt und daraufhin adäquat, auch kurzfristig, reagiert werden.

Das Positionspapier der BNetzA fällt hinter diese Ergebnisse weit zurück und ignoriert den intensiven und von allen Seiten konstruktiv begleiteten Lösungsfindungsprozess. Es bedeutet einen deutlichen technischen Rückschritt und würde, auch durch die einhergehende Notwendigkeit zur Erhöhung der Systemkomplexität, zu einer erheblichen Verzögerung bei der Digitalisierung der Energiewende führen.

Die BNetzA sollte aus diesen Gründen die gemachten Vorgaben zurücknehmen und bei der Definition des Begriffs der energiewirtschaftlichen Daten das oben erwähnte, bereits in den Standardisierungsgremien im Konsens gefundenen Konzept der Hüllkurve aufnehmen. Somit müssen Steuerbefehle nicht über das SMGW übermittelt werden. Anlagenbetreiber, deren Dienstleister und Dritte können innerhalb der Hüllkurve frei agieren.

 

Kontakt:
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
EUREF-Campus 16
10829 Berlin

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Geschäftsführer, BEE e.V.
wolfram.axthelm(at)bee-ev.de

Florian Widdel
Referent für Digitalisierung, Sektorenkopplung und Energienetze, BEE e.V.
florian.widdel@bee-ev.de

Maria Roos                                                                           
Referentin Solartechnik, BSW e.V.
roos(at)bsw-solar.de

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Florian Widdel
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Referent für Digitalisierung, Sektorenkopplung und Energienetze


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