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Studie

Gutachten: Pläne der Bundesregierung zur Erlösabschöpfung sind rechtswidrig

12. Dezember 2022

Pläne der Bundesregierung zur Erlösabschöpfung sind rechtswidrig

Die Bundesregierung beabsichtigt, zeitnah die in Art. 6 bis 8 der Verordnung (EU) 2022/18541 („EU-NotfallVO“) vorgesehene Obergrenze für Markterlöse in nationales Recht umzusetzen. Die am 25. November 2022 im Kabinett beschlossene Formulierungshilfe für den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse („StromPBG-E“) und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen verstößt jedoch nicht nur gegen die zugrundeliegende EU-NotfallVO, sondern ist auch unvereinbar mit nationalem Verfassungsrecht und verletzt dabei elementare Grundrechte insbesondere der Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien.

 

I. Geplante Erlösabschöpfung stellt unzulässige Sonderabgabe dar

Wie bereits die gescheiterte Gasumlage dürfte nun auch die geplante Erlösabschöpfung in eine unzulässige Sonderabgabe umschlagen. Um eine kurzfristige Auszahlung der Entlastungen von den Übertragungsnetzbetreibern an die Versorger zu gewährleisten, sollen die finanziellen Mittel durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds („WSF“) vorfinanziert werden, vgl. § 25 StromPBG-E. Die Mittel, die (zeitversetzt) von den Erzeugern über die Übertragungsnetzbetreiber an den WSF zufließen, dienen letztlich der Rückzahlung der bei dem WSF aufgenommenen Mittel. Der WSF ist ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen (vgl. §§ 16 Abs. 5, 17 S. 1 StFG), so dass die abgeschöpften Gelder unmittelbar dem Staat zufließen. Zudem haftet die Bundesrepublik Deutschland für ein verbleibendes Defizit bei den Übertragungsnetzbetreibern, § 24 StromPBG-E. Damit ist eine Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand als Voraussetzung für das Vorliegen einer Sonderabgabe gegeben. Bezeichnenderweise ist im Konzeptpapier des Bundeswirtschaftsministeriums vom 8. November 2022 zur Ausgestaltung der Abschöpfung sogar ausdrücklich die Rede von „staatlichen Einnahmen“, die durch das Abschöpfungsinstrument generiert werden sollen. Sonderabgaben sind nach der Rechtsprechung des BVerfG2 jedoch nur unter engen Voraussetzungen zulässig, die hier nicht vorliegen. Insbesondere ist keine sogenannte Gruppennützigkeit gegeben. Damit ist gemeint, dass eine sachgerechte Verknüpfung bestehen muss zwischen den durch die Sonderabgabe entstehenden Belastungen und den Begünstigungen, die die Sonderabgabe bewirkt. Hier wird das Aufkommen zur Entlastung der Stromendkunden verwendet. Bei den durch die Erlösabschöpfung belasteten Stromerzeugern hingegen entsteht kein spezifischer Nutzen, der über ein allgemeines Interesse eines jeden an der Vermeidung hoher Energiekosten hinausgehen würde. Hinzu kommt, dass die Stromerzeuger selbst weitgehend von der Begrenzung der Stromkosten ausgeschlossen sind und daher ein besonders geringes Interesse an den Entlastungsmaßnahmen haben dürften, vgl. § 4 Abs. 5 StromPBG-E. Die geplante Erlösabschöpfung ist folglich nicht mit finanzverfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar.

 

II. Abschöpfungsmechanismus hat die Austrocknung des PPA-Markts zur Folge

 

Der geplante Abschöpfungsmechanismus begründet zudem einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 lit. d) EU-NotfallVO, wonach das Funktionieren der Stromgroßhandelsmärkte nicht verzerrt werden darf. Eine Marktverzerrung liegt aber vor, da das Marktgeschehen künstlich von den langfristigen Terminmärkten (einschließlich OTC abgeschlossener PPAs) in den Spotmarkt verlagert wird. Nach dem 1. November 2022 abzuschließende Neuverträge über die Vermarktung von Strom (PPAs und Termingeschäfte) aus Bestandsanlagen werden durch die für Neuverträge gemäß § 16 Abs. 1 StromPBG-E vorgegebene Spotbenchmark-Abrechnung3 unmöglich gemacht. Denn bei steigenden Spotmarktpreisen würden den Anlagenbetreibern fiktive Erlöse oberhalb der Fixpreise ihrer PPAs abgeschöpft, die sie tatsächlich nie erwirtschaftet haben. Um dieses existenzgefährdende Risiko aufgrund schwankender Spotmarktpreise zu vermeiden, werden Anlagenbetreiber auf den Abschluss von PPAs und die Terminvermarktung verzichten und stattdessen ihre Anlage nur noch über den Spotmarkt vermarkten. Auch die Bundesregierung räumt ein, dass infolge der Erlösabschöpfung der Abschluss neuer PPAs „ökonomisch nicht mehr attraktiv“ sei.4 Die (bereits eingetretene) Konsequenz ist ein Zusammenbrechen des PPA-Marktes und eine sinkende Liquidität auf den Terminmärkten, was wiederum aufgrund der Verknappung des Angebots zu höheren Preisen führen wird.

Um Marktverzerrungen zu vermeiden, beschränkt die EU-NotfallVO den Begriff der Markterlöse bewusst auf die tatsächlich erwirtschafteten Erträge. Markterlöse bezeichnen nach Art. 2 Nr. 5 EU-NotfallVO „die realisierten Erträge, die ein Erzeuger für den Verkauf und die Lieferung von Strom in der Union erhält […].“ Danach ist es nicht zulässig, fingierte Erlöse anstelle von tatsächlichen Erlösen abzuschöpfen. Die Erwägungsgründe führen zu der Beschränkung auf die realisierten Erlöse aus:

„Unabhängig davon, in welcher vertraglichen Form der Stromhandel stattfindet, sollte die Obergrenze für Markterlöse nur für realisierte Markterlöse gelten. Dies ist notwendig, um Erzeugern nicht zu schaden, die von den derzeit hohen Strompreisen nicht tatsächlich profitieren, da sie ihre Erlöse gegen Preisschwankungen auf dem Stromgroßhandelsmarkt abgesichert haben. Soweit bestehende oder künftige vertragliche Verpflichtungen wie Verträge über den Bezug von erneuerbarem Strom oder andere Arten von Strombezugsverträgen oder Forward Hedges Markterlöse aus der Stromerzeugung bis zur Höhe der Obergrenze für Markterlöse einbringen, sollten diese Erlöse von dieser Verordnung nicht berührt werden. Die Maßnahme zur Einführung der Obergrenze für Markterlöse sollte Marktteilnehmer demnach nicht davon abhalten, solche vertraglichen Verpflichtungen einzugehen.“ (EG 30, Hervorhebung nur hier)

Die für Neuverträge zwingend vorgesehene Benchmarkabrechnung entfaltet genau diejenigen Wirkungen, die nach den Erwägungsgründen durch die Beschränkung auf „realisierte“ Erlöse verhindert  werden  sollen.  Sie  hält  sämtliche  Marktteilnehmer  mit  Ausnahme von Neuanlagenbetreibern davon ab, langfristige Verträge abzuschließen. Damit hat der Abschöpfungsmechanismus zur Folge, dass das Funktionieren der Stromgroßhandelsmärkte im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. d) EU-NotfallVO verzerrt wird.

 

III. Geplante Erlösabschöpfung ist aus mehreren Gründen diskriminierend

Die in Teil 3 des StromPBG-E vorgesehene Erlösabschöpfung definiert eine Vielzahl von Erlösobergrenzen, die unter Abweichung von einer einheitlichen Erlösobergrenze auf die unterschiedlichen Erzeugungstechnologien, den anzulegenden Werten sowie Sicherheitszuschlägen aufsetzen. Diese Differenzierung ist in mehrfacher Hinsicht diskriminierend.

Der aktuelle Mechanismus knüpft an individuelle Ausschreibungsergebnisse (den anzulegenden Wert) an und führt dadurch zu einer Vielzahl von Obergrenzen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Differenzierung anhand von Technologien, wie sie in Art. 8 Abs. 1 lit. a) EU-NotfallVO als Ausnahmeregelung vorbehaltlich der Maßgabe des Art. 8 Abs. 2 EU-NotfallVO erlaubt ist. Eine Differenzierung anhand von (zufälligen) Ausschreibungsergebnissen findet keine Grundlage in der EU-NotfallVO. Die Kosten einer Anlage sind auch im Lichte der Erwägungsgründe kein zulässiges Differenzierungskriterium, weil die EU-NotfallVO im Grundsatz den Preiswettbewerb zwischen den Technologien und damit ein einheitliches Preissignal aufrechterhalten will (Erwägungsgrund 27). Eine Erlösabschöpfung, die an die anzulegenden Werte anknüpft, führt im Ergebnis zu tausenden von anlagenspezifischen Obergrenzen. Diese entsprechen weder der Markterwartung noch sind sie mit dem Ziel der EU-NotfallVO vereinbar, wonach (nur) diejenigen Übererlöse abgeschöpft werden sollen, die krisenbedingt entstanden sind. Anhand von anzulegenden Werten definierte Obergrenzen stellen mithin eine Diskriminierung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. a) EU-NotfallVO dar.

Soweit technologiespezifische Obergrenzen wie unter § 16 StromPBG-E an die unterschiedlichen Grenzkosten der jeweiligen Erzeugungstechnologien anknüpfen, liegt auch darin kein zulässiger Differenzierungsgrund im Sinne der EU-NotfallVO. Denn es ist gerade das Ziel einer einheitlichen Erlösobergrenze, dass der „Preiswettbewerb zwischen den Stromerzeugern, die verschiedene Technologien nutzen, insbesondere im Bereich erneuerbarer Energien, gewahrt wird.“ (Erwägungsgrund 27). Eine technologiespezifische Obergrenze muss diesen Preiswettbewerb unangetastet lassen. Auch darin liegt ein Verstoß gegen die Diskriminierungsfreiheit im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. a) EU-NotfallVO.

Darüber hinaus stellt zudem die Unterscheidung bei der Höhe der zu gewährenden Sicherheitszuschläge eine Diskriminierung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. a) EU-NotfallVO dar. Während solche Anlagenbetreiber, die eine Abrechnung anhand des Spotbenchmarks wählen, von einem Sicherheitszuschlag in Höhe von 30 EUR/MWh profitieren, wird denjenigen, die für eine Abrechnung anhand von tatsächlichen Erlösen optieren, lediglich ein Sicherheitszuschlag von 10 EUR/MWh eingeräumt, §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und 18 Abs. 1 Nr. 2 StromPBG-E. Dadurch wird wiederum derjenige schlechter behandelt, der seine Strommengen an den Terminmärkten, entweder OTC oder über die Börse, veräußert. Für diese Differenzierung besteht kein sachlicher Grund. Anlagenbetreiber, die den von ihnen erzeugten Strom ohnehin bereits direktvermarkten und deren Erlöse daher dem Spotbenchmark entsprechen, werden grundlos gegenüber langfristig vermarktenden Anlagenbetreibern bevorzugt. Gerade die Terminvermarktung ist aber ein für den Strommarkt unverzichtbares Sicherungsinstrument sowohl für Erzeuger als auch für die Käufer solcher Terminprodukte (z.B. Stadtwerke). Auch diese Differenzierung führt zu einer Verschärfung der wirtschaftlichen Lage insbesondere für diejenigen Endabnehmer, die auf den Abschluss eines Neuvertrages angewiesen sind.

 

IV. Investitionssignale werden durch Abschöpfung insbesondere bei Neuanlagen gefährdet

Die anhand von Technologien bzw. anzulegenden Werten definierten Erlösobergrenzen gefährden Investitionssignale im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. b) EU-NotfallVO zulasten der erneuerbaren Energien. Dies gilt insbesondere für Neuanlagen. Während sich bereits durch die von der EU-NotfallVO vorgegebene Obergrenze von 180 EUR/MWh ein Investitionsrückgang abzeichnet, wird dieser bei einer darunterliegenden Grenze noch verstärkt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission die Erlösobergrenze von 180 EUR/MWh auf Basis von Erzeugungsdaten der Jahre 2008 bis 2018/2019 errechnet hat. Die seit dem Jahr 2021 um etwa 60 bis 65 % gestiegenen Finanzierungs-, Lohn- und Materialkosten sind hierbei nicht eingeflossen. Schon die Annahme, dass die allgemeine Obergrenze keine Investitionen gefährde, ist damit nicht mehr zutreffend. Umso weniger gilt dies für eine anhand von Technologien bzw. anzulegenden Werten definierte Obergrenze. Die unzulässige Gefährdung von Investitionssignalen wird durch eine Umfrage bestätigt, der zufolge drei Viertel der befragten Unternehmen Neuinvestitionen im Falle einer Erlösabschöpfung reduzieren oder verschieben wollen.5 Die EU-NotfallVO begründet die Erlösobergrenze von 180 EUR/MWh mit den berechtigten Erwartungen der Marktteilnehmer vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine (vgl. Erwägungsgrund 28 der VO). Vor diesem Hintergrund besteht eine Vermutung, dass eine Abschöpfung unterhalb dieser Grenze insbesondere bei Neuanlagen unter den berechtigten Markterwartungen liegt und damit eine Gefährdung der Investitionssignale im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. b) EU-NotfallVO darstellt. Die pauschale Begründung der Bundesregierung im Gesetzesentwurf, wonach technologiespezifische Obergrenzen keine Investitionssignale gefährden würden, weil sie sich an den Investitions- und Betriebskosten der einzelnen Technologien orientierten6, kann diese Vermutung nicht beseitigen. Denn hierbei wird insbesondere außer Acht gelassen, dass Teil der berechtigten Markterwartungen gerade die unterschiedlich großen Preisabstände zum Grenzpreis als Folge des Merit-Order-Systems sind.

 

V. Geplante Erlösabschöpfung ist unverhältnismäßig

Die Erlösabschöpfung anhand von Technologien bzw. anhand von anzulegenden Werten ist auch nicht verhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. a) EU-NotfallVO. Denn die Maßnahme schießt über das Ziel der EU-NotfallVO, lediglich krisenbedingte Überschusserlöse abzuschöpfen, hinaus. Die EU-NotfallVO leitet die Erlösobergrenze von 180 EUR/MWh aus dem Strompreisniveau her, das vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine bestanden haben soll (vgl. Erwägungsgrund 28 der VO). Alle Erlöse darüber hinaus gelten als Überschusserlöse (vgl. auch Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 9 der EU-NotfallVO). Indem der deutsche Gesetzgeber nun jedoch Erlöse abschöpfen will, die weit unterhalb der Grenze von 180 EUR/MWh liegen, werden Erlöse angefasst, die keine krisenbedingten Überschusserlöse im Sinne der EU-NotfallVO sind. Denn dass Erzeugungsanlagen mit geringeren Kosten einen größeren Preisabstand zum Grenzpreis haben und entsprechend höhere Erlöse erzielen, ist Ausdruck des Merit-Order-Systems und nicht Folge des krisenbedingten Preisanstiegs. Die Bundesregierung begründet die Einführung technologiespezifischer Obergrenzen damit, dass auf diese Weise auf die individuellen Kostenstrukturen eingegangen werden könne.7 Damit verkennt sie jedoch die eben dargelegte Bedeutung von krisenbedingten Überschusserlösen. Eine entsprechende Herleitung der Obergrenzen anhand der Marktpreise findet in dem Strom- PBG-E nicht statt.

 

VI. Abschöpfungsmechanismus schöpft inexistente Erlöse ab

Darüber hinaus ist eine anhand von Technologien bzw. anzulegenden Werten definierte Begrenzung der Stromerlöse auch nicht mit nationalem Verfassungsrecht vereinbar. Durch den vorgesehenen Abschöpfungsmechanismus werden inexistente Erlöse abgeschöpft, wodurch die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG verletzt wird. Maßnahmen, die an die Erlöse anstelle von Erträgen anknüpfen, sind dem deutschen Rechtssystem grundsätzlich fremd. Sie sind allenfalls als Sanktionsmaßnahme aus dem Strafrecht und dem Kartellrecht (§ 34 GWB) bekannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen staatliche Abgabenlasten keine konfiskatorische Wirkung entfalten.8 Das heißt, dass Eingriffe in das Eigentum durch Abgaben und Steuern in der Regel aus den Erträgen finanziert werden können müssen. Zudem müssen Ausgaben gegengerechnet werden (Nettoprinzip). Die in § 16 Abs. 1 Strom-PBG-E enthaltene Erlösfiktion kann aber zu einer überschießenden Abschöpfung, zu erheblichen Verlusten und je nach Marktentwicklung sogar zur Insolvenz des Anlagenbetreibers führen. Eine derartige Drosselungswirkung ist mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Besteuerung fiktiver Gewinne stellt zudem eine Verletzung des Eigentumsrechts aus Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls in Verbindung mit Art. 14 EMRK dar.9

Vor diesem Hintergrund müssten jedenfalls getätigte Reinvestitionen bei der Ermittlung der Übererlöse angerechnet sowie die tatsächlich vorhandenen Erlöse zu Grunde gelegt werden. Andernfalls würde die Abschöpfung wie dargestellt nicht existente Erlöse abgreifen und mitunter bestandsgefährdend sein.

 

VII. Erlösabschöpfung ist unvereinbar mit Beihilfeverbot

Eine anhand von Technologien bzw. anzulegenden Werten definierte Erlösabschöpfung stellt außerdem einen Verstoß gegen das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar und ist damit nicht mit dem Unionsrecht vereinbar im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. e) EU-NotfallVO. Eine derartige Erlösabschöpfung ist von den berechtigten Markterwartungen entkoppelt und verzerrt den Wettbewerb. In diesem Zusammenhang hat die Kommission bereits in der REPowerEU Mitteilung betont, dass „soweit Befreiungen von solchen Gewinnsteuern zu selektiven Vorteilen für bestimmte Unternehmen führen, […] die Vorschriften über staatliche Beihilfen Anwendung finden“.10 Nicht nur eine vollständige Befreiung, sondern auch unterschiedliche Abschöpfungsquoten würden einen solchen selektiven Vorteil für diejenigen Unternehmen begründen, die von einer höheren Erlösobergrenze profitieren. Noch im Rahmen ihrer REPowerEU Mitteilung hat die Kommission deshalb die Technologieneutralität staatlicher Maßnahmen gefordert („The measure should not distinguish different generation technologies“), und zudem klargestellt, dass unterschiedliche Maßnahmen mit dem Beihilfeverbot in Konflikt geraten könnten.

§ 50 StromPBG-E sieht einen beihilferechtlichen Genehmigungsvorbehalt vor. Die Gesetzesbegründung lässt allerdings darauf schließen, dass die Bundesregierung hierbei eine beihilferechtliche Notifizierung nur der Strompreisbremse und nicht des Abschöpfungsmechanismus vor Augen hat. Insbesondere der geplante Abschöpfungsmechanismus ist jedoch (auch) unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten problematisch.

 

*       *       *

Berlin, 28. November 2022

Anna von Bremen www.raue.com

 

 

 

 

1 Verordnung (EU) 2022/1854 vom 6. Oktober 2022 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise, ABl. L Nr. 261 I vom 7. Oktober 2022, S. 1.

2 BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 2 BvR 1139/12 – Weinabgabe, Rn. 116; BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 – 2 BvR 633/86 – Kohlepfennig, Rn. 93.

3 Für Windenergieanlagen und Solaranlagen gelten die Erlöse auf Basis des Monatsmarktwertes nach Anlage 1 Nr. 3.3 des EEG.

4 FAQ Liste des BMWK: Abschöpfung von Zufallsgewinnen, 26. November 2022, S. 6, Frage 15.

5 Umfrage des Bundesverbands Solarwirtschaft vom 8. November 2022, abrufbar unter https://www.solarwirtschaft.de/2022/11/08/solarinvestitionen-in-milliardenhoehe-gefaehrdet/ (letzter Abruf: 25. November 2022).

6 Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen, Zu Arti- kel 1, § 16, S. 112.

7 Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen, Zu Artikel 1, § 16, S. 112.

8 BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1968 – 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288, 305 – Kriegsfolgelasten, Rn. 104; Depenheuer/Froese in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl. 2018, Art. 14 GG, Rn. 388.

9 EGMR, Entscheidung vom 10. Juni 2003 – 27793/95, Rn. 54; Hoge Raad (oberstes Gericht der Niederlande), Urteil vom 24. Dezember 2021 – 21/01243, ECLI:NL:RBGEL:2021:639.

10 Annex 2 der Mitteilung vom 8. März 2022, REPowerEU: gemeinsames europäisches Vorgehen für erschwinglichere, sichere und nachhaltige Energie, COM(2022) 108 final, S. 3.

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