Vor dem Hintergrund immer weiter steigender Netzanschlusszahlen in allen Spannungsebenen und dem Konsens über die Erreichung der vereinbarten Klimaziele, ist eine Beschleunigung des Netzanschlussverfahrens (NaV) zwingend notwendig. Hierfür müssen die Standardisierung und die Digitalisierung des Netzanschlussverfahrens zügig vorangetrieben werden. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßt daher die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Konzept für die “Standardisierung und Digitalisierung des Netzanschlussverfahrens” im Rahmen des BMWK-Branchendialogs „Beschleunigung von Netzanschlüssen“ (BraBeNa) und legt seine Einschätzung im Folgenden dar.
Abbildung 1: Zielbild des Prozesses zur Standardisierung und Digitalisierung des Netzanschlussverfahrens; Quelle BMWK
In Abb. 1 wird das vom BMWK entworfene Zielbild für die Standardisierung und Digitalisierung des NaV dargestellt. Dabei ist die klare Vision eines vollständig digitalisierten NaV bereits positiv hervorzuheben und wird durch den BEE unterstützt. Entscheidend ist es letztendlich, den Schriftverkehr zwischen Anschlussbegehrenden und Anschlussnetzbetreiber auf ein Minimum zu reduzieren und den Austausch aller notwendigen Informationen rein elektronisch ablaufen zu lassen. Ziel sollte daher sein, durch Schnittstellen so viel wie nötig, insgesamt aber so wenig wie möglich abzufragen. Um Dieses zu erreichen, bedarf es zusätzlich einer vollumfänglichen Standardisierung der Prozesse des NaV - zwingend auf der Niederspannungs- (NS) und Mittelspannungsebene (MS) - da deren individuelle Anforderungen und Ausgestaltungen bei über 800 Verteilnetzbetreibern (VNB) in Deutschland, naturgemäß stark auseinandergehen. Dem BEE ist dabei bewusst, dass insbesondere ab der MS bilaterale Abstimmungen zwischen Anschlussbegrehrendem und Netzbetreiber nötig sein können, um auch innovativen Anlagenkonzepten den Anschluss zu gewähren. Fehlende Optionen zur Automatisierung der Prozesse sollten jedoch nicht dazu führen, dass die Standardisierung dieser ausgebremst wird. Prozesse, die nicht automatisiert werden können, müssen trotzdem weitestgehend standardisiert werden.
Weiterhin muss allen beteiligten Stakeholdern klar sein, dass ein Abwandeln von schriftlichen Briefverkehr in elektronischen Mailverkehr und die reine Uploadfähigkeit von Dokumenten in ein Onlineportal keine Digitalisierung der Prozessschritte eines NaV darstellt, sondern nur eine Veränderung der bisherigen Form. Der BEE möchte daher dringend an alle Stakeholder appellieren, die Überführung der bisher analogen Prozesse in einen digitalen Prozess bestmöglich zu unterstützen. Ein Abweichen von den im Rahmen des BraBeNa neuen Regelungen sollte einzelnen Netzbetreibern nur in nachzuweisenden, begründbaren Ausnahmefällen gestattet werden, um eine wirkliche Standardisierung zu ermöglichen.
Das BMWK hatte zur Verbesserung des vorgestellten Zielbilds eine Reihe von Fragen - “Welchen Änderungsbedarf sehen Sie gegenüber dem Zielbild im Hinblick auf…” - mitgegeben, welche im Folgenden durch die EE-Branche beantwortet werden.
Der BEE spricht sich für eine bundesweite und Netzbetreiber übergreifende Standardisierung des NaV, sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung entsprechend neuen technischen Anforderungen und Entwicklungen (TABs) aus. So könnten die in Projekten häufig auftretenden sog. „Grenzfälle“ (z.B. 35 MW Anschlussleistung) - bei denen zwar eine Anfrage für die MS gestellt wird, der Anschluss aber letztendlich in der HS erfolgen muss - adressiert werden. Bisher reichen die Informationen, welche der Netzbetreiber den Projektierern vorab zur Verfügung stellt, hierfür nicht aus. I.d.R. werden neue Anfrage gestellt und das Verfahren somit insgesamt verlangsamt.
Daher befürworten wir weitgehend einheitliche Standardprozesse auch in der Mittel- und Hochspannung zu etablieren, denn die hier zu durchlaufenden Prozessschritte bis zur Zuteilung eines Netzanschlusspunktes sind nahezu identisch.
Um die Umsetzung des Reformprozesses insgesamt zu beschleunigen, ist in der MS und HS nach Ansicht des BEE eine gemeinsame Standardisierung der erforderlichen Datensets ratsam, da wie bereits dargelegt, die Parallelen in den Prozessen der ebenenspezifischen NaV dies begünstigen. Für die NS hingegen sollten eigene Anforderungen formuliert werden - hier ist ein NaV nicht kongruent einzugliedern.
Allgemein sollte bei diesem Schritt die Reduzierung der notwendigen Datensets im Vordergrund stehen. Bereits im Workshop haben die geladenen Stakeholder darauf hingewiesen, dass die bestehenden Datensets oftmals zu umfangreich und in ihrer Informationsabfrage nicht zwingend logisch sind. Zudem erfolgt in der Regel kein automatisierter Abgleich der durch die Angaben erhobenen Informationen. Dieses Bild wurde auch durch die teilnehmenden VNB bestätigt. Bisheriges doppeltes Abfragen von Informationen und das Akquirieren von für das NaV unerheblicher Daten gilt es folglich zu vermeiden, um so den Aufwand für alle Seiten zu verringern.
Dem BEE ist bewusst, dass die heterogene deutsche VNB-Landschaft eine große Hürde für die Einführung einer gemeinsamen, zentralen Onlineplattform im NaV darstellt. Dennoch kann die vorgeschlagene Vision von möglicherweise über 800 verschiedenen Onlineplattformen nicht als zielführend anerkannt werden. Wird hier jedem VNB gestattet, seine eigene App zu implementieren, kann dies nur zu erheblicher Verzögerung bei der Umsetzung des gesamten Prozesses führen. Ebenfalls erhöhen sich so die Monitoringkosten für die Aufsichtsbehörde ungemein, bzw. darf bezweifelt werden, dass die Überwachung der fristgerechten und vollständigen Umsetzung wirklich vollumfänglich geleistet werden kann. Bereits jetzt sehen wir bei anderen gesetzlichen Pflichten der VNB, dass diesen nicht vollständig oder nur unzureichend nachgekommen wird.1
Wir schlagen daher vor, dass zumindest Standards bzw. Mindestanforderungen für die Portale definiert werden, nach welchen sich die Netzbetreiber richten müssen. Andernfalls ist anzunehmen, dass erneut unterschiedliche Anforderungen je Onlineplattform existieren, was die Arbeit der Projektierer nicht erleichtert. Bestenfalls schließen sich mehrere Flächen-VNB bilateral zusammen und etablieren so wenige gemeinsame Plattformen, welche dann auch kleinere VNB, die nicht über die nötigen Mittel verfügen, in ihre IT integrieren können.
Der BEE spricht sich für die Implementierung von rollengerechten Zugängen auf den Online- Plattformen aus und sieht bisher alle relevanten Akteure im Konzeptpapier bedacht. Dennoch sollte hier die Möglichkeit eingeplant werden bei Bedarf neue Rollen zu definieren, welche womöglich erst in Zukunft relevant werden können.
Der BEE befürwortet die vollständige digitale Umsetzung des NaV, grundsätzlich in allen Netzebenen.
Neben reinen Solar- oder Windparks ist für eine nachhaltige, vorausschauende Planung und Umsetzung auch die Berücksichtigung von Hybridparks (Wind und PV) erforderlich, da der Bedarf an Flexibilisierung steigt. Eine Implementierung solcher Parks, ebenso wie die von Hybridsystemen mit Speicher in das digitale NaV über eine solche Online-Plattform ist daher wünschenswert.
Weiter sollte auch die Erweiterung bereits bestehender Netzanschlusspunkte digital abgewickelt werden können, wie es z.B. bei einem Leistungszubau zur Flexibilisierung im Biogasbereich der Fall sein kann. Eine Verlagerung des bestehenden Netzverknüpfungspunktes ist in der Regel nicht notwendig, sodass eine weitgehende Standardisierung des Vorgangs hier als sinnvoll angesehen wird.
Der BEE begrüßt die Einbindung standardisierter Schnittstellen (API) zum Abrufen aller relevanten Informationen, welche auch die Einbindung in Projektmanagement-Tools erlaubt. Der Fokus der Ausgestaltung sollte daher auf möglichst hohe Kompatibilität gerichtet sein, wobei der Aufwand einer Implementierung unbedingt geringgehalten werden muss. Dafür ist es wichtig, dass die Grundfunktionen und Standardprozesse abgebildet werden, ohne zu komplex zu werden. Ein Gleichgewicht zwischen der Abbildung aller erforderlichen Informationen einerseits und der Komplexität der Prozesse andererseits ist daher sinnvoll, sodass sich etwaige Nachforderungen begrenzen lassen.
Weiterhin befürworten wir, dass über die Schnittstelle auch die vollumfänglichen Rückmeldungen zum Begehren koordiniert werden. Insbesondere bei einer Absage ist es für Projektierer wichtig, die Gründe eindeutig nachvollziehen zu können und ggf. alternative Netzdaten zu erhalten.
Wir plädieren für eine vollautomatisierte Auswertung des Netzanschlussbegehrens mit abschließender Überprüfung durch einen Mitarbeiter. So kann das NaV insgesamt beschleunigt und der Aufwand für den VNB reduziert werden. Zusätzlich zur Schnittstelle ist es jedoch sinnvoll, jeder Netzanschlussanfrage eine feste Ansprechperson für Rückfragen zu den Vorgängen zuzuordnen, um so möglichen Nachfragen und Forderungen entsprechend begegnen zu können. Eine derart ausgestaltete API sollte also den Abruf entscheidender Information ermöglichen. Dazu zählen unserer Auffassung nach:
Grundsätzlich sind Schnittstellen zu anderen Systemen zu begrüßen, solange sie einen Mehrwert, sprich eine Beschleunigung für das NaV erbringen. Die Einbindung des ZEREZ erscheint daher folgerichtig, allerdings müssen dort auch alle Zertifikate zur Verfügung stehen. Zudem erachten wir eine schnelle Einbindung des Marktstammdatenregisters als sinnvoll, da so in einem späteren Schritt auch die Anmeldung der jeweiligen Anlagen automatisch mit abgebildet werden kann.
Eine Implementierung des zu schaffenden Verzeichnisses für eingetragene Installateure kann ebenfalls einen Mehrwert stiften. Der BEE weist jedoch darauf hin, dass die Installation der Anlagen, besonders in der MS und HS oftmals durch die Unternehmen selbst geleistet wird. Ein Abruf - und somit notwendigerweise auch die Beauftragung - eines im Verzeichnis gelisteten, möglicherweise unternehmensfremden, eingetragenen Installateurs erscheint hier nicht sinnvoll und sollte entsprechend bedacht werden.
Die möglichst rasche Umsetzung der Prozesse zur Standardisierung und Digitalisierung sind ein wichtiger Baustein für eine generelle Beschleunigung des NaV. Aufgrund des erheblichen Koordinierungsaufwand zwischen den über 800 VNB, erscheint eine gestaffelte Einführung daher angemessen. Allgemein ist die EE-Branche der Auffassung, dass der Fokus jedoch auf Standardisierung vor Automatisierung liegen sollte, da sich bereits durch eine Vereinheitlichung der bestehenden Prozesse eine hohe Zeitersparnis erzielen lässt. Ein erster Schritt muss sich folglich, vor allem auf die Standardisierung der kritischen Netzebenen der NS und MS konzentrieren, denn hierauf entfällt das meiste Anfragevolumen.
1 Der BEE weist hier auf die schon mehrfach bei der BNetzA und in anderen Runden angesprochene Problematik der Veröffentlichungspflichten nach §23c Abs.3 Nr. 1-7 EnWG hin, welchen einige VNB nicht vollständig, nur unzureichend oder auch gar nicht nachkommen – Verstöße bleiben ungeahndet. Für ein Gespräch steht der BEE hier gern bereit.
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