Die Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur (BNetzA) stieß im Dezember des Jahres 2023 den Diskurs über eine gerechtere Verteilung von Mehrkosten durch die Integration von Erneuerbaren Energien (EE) an und stellte anschließend ein Eckpunktepapier mit der Darlegung eins entsprechenden Wälzungsmechnismus zur Konsultation. Kernelement war hier der Vorschlag besonders betroffene Verteilnetzbetreiber (VNB) und deren Kunden zu entlasten, indem die „sogenannten EE-bedingte Mehrkosten“ auf alle Netzbetreiber und Kunden umgelegt werden können, mittels des bereits bestehenden Mechanismus aus § 19 Abs. 2 S. 13 - 16 StromNEV.
Bisher folgt das Netzentgeltregime auf der Verteilnetzebene dem Verursacherprinzip. Dieser Ansatz aber führte regional zu großen Unterschieden und einer signifikanten Spreizung der Verteilnetzentgelte. So werden Kunden in Regionen mit hoher EE-Leistung übermäßig stark belastet, obwohl alle Stromkunden in Deutschland von sauberen und strompreissenkenden Erneuerbaren Energien profitieren. Dieser Zustand gefährdet die Akzeptanz der EE und zusätzlich des dringend benötigten Netzausbaus.
Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt daher die Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen der Konsultation und legt seine Einschätzung zum Festlegungsentwurf im Folgenden dar.
Nachfolgend werden die wesentlichen Neuerungen des Festlegungsentwurfs im Vergleich zum vorangegangenen Eckpunktepapier aus Dezember 2023 dargestellt und bewertet.
Rückspeisungen aus nachgelagerter Netzebene
Bereits in der Stellungnahme zum Eckpunktepapier der BNetzA, in welchem der Wälzungsmechanismus das erste Mal vorgestellt wurde, sprachen wir uns intensiv für eine Berücksichtung der Rückspeisungen nachgelagerter Ebenen, also auch fremder, nachgelagerter Netze aus.1 Der BEE begrüßt, dass dieser für eine sachgerechte Ermittlung der Erneuerbare- Energien Kennzahl (EKZ) so wichtige Punkt nun Einzug in den Festlegungsentwurf gefunden hat und wertet diesen Umstand positiv.
Betriebsmittel werden nach Spannung und Stromtragfähigkeit ausgelegt und können bei der Dimensionierung auch die Leistungsaufnahme aus fremden, nachgelagerten Netzebenen berücksichtigen - i.d.R. die installierte EE-Leistung. Somit ist die Einbeziehung von Rückspeisungen in der EKZ nur folgerichtig.
Pauschaler Korrekturabschlag
Eine weitere wesentiche Neuerung des Festlegungsentwurfs ist die Einbindung eines pauschalen Korrekturabschlags über 10% der mittels der EKZ bestimmten Mehrkosten. Dadurch soll eine mögliche Überkompensationen der NB über die tatsächlichen EE-Integrationskosten hinaus verhindert und kostenerhöhende strukturelle Einflüsse, wie die Anzahl oder die räumliche Verteilung von Anschlüssen abgebildet werden. Der BEE kann den hier verfolgten pauschalen Ansatz, im Nachhinein mittels Abschlag eine Anpassung vorzunehmen, nicht gänzlich nachvollziehen. Dadurch profitieren Netzbetreiber bzw. Kunden und Kundinnen in Regionen mit wenig EE-Ausbau und Netzbetreiber bzw. Kunden und Kundinnen in Regionen mit viel EE-Ausbau werden benachteiligt – was dem eigentlichen Grundgedanken des Wälzungsmechanismus entgegen wirkt. Generell ist es fraglich, ob es überhaupt eines solchen Parameters bedarf. Zumindest aber sollte er einer periodischen Evaluierung unterliegen – bestenfalls früher als 2028.2
Installierte Leistung bei anteilig betriebener Spannungsebene
Der BEE begrüßt die neu aufgenommene Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse verschiedener Spannungsebenen. So soll bei nur anteilig betriebener Spannungsebene die installierte Leistung nicht mehr vollständig, sondern nur mit dem Anteil erfasst werden, welcher auch über die eigene vorgelagerte Netzebene versorgt wird. Dadurch wird besser auf die jeweilige technische Anschlusssituation in den Netzen abgestellt und eine mögliche Überschätzung der Belastung aus der Integration der EE-Anlagen vermieden.
Faktoren der EKZ
Der Festlegungsentwurf der BNetzA nimmt unverändert zum Eckpunktepapier einen Einspeisefaktor von 0,7 und einen Mindestlastfaktor von 0,4 an. Der BEE erkannte zwar grundsätzlich den zugrundeliegenden Vereinfachungsgedanken i.S. eines schlanken und effizienten Kostenermittlungsverfahrens an, jedoch muss zumindest die turnusmäßige Aktualisierung der beiden Faktoren angemahnt werden. Nur so kann die Dynamik innerhalb der Netze und der Erzeugung ausreichend abgebildet werden. Weiter ist es fraglich, ob die ermittelten Faktoren die Heterogenität der Erzeugerlandschaft innerhalb der Verteilnetze korrekt wiedergeben. Insbesondere für Netze mit dominierender Wasserkraft, Biogas- oder Geothermie-Erzeugung sollte eine Anpassung der Faktoren erwogen werden.
Der BEE kritisiert zudem weiterhin die starre Fixierung auf den festen Beobachtungszeitraum (2019 bis 2022) zur Ermittlung der Faktoren und bewertet diesen Ansatz als nicht zielführend – lässt er exogene Faktoren wie das Wetter nach wie vor außer Acht.3
Installierte Leistung
Eine pauschale Nichtberücksichtigung von KWK-Anlagen eigener unterlagerter Netz- und Umspannebenen ist nach Ansicht des BEE nicht sachgerecht. So können diese Anlagen einen durchaus signifikanten Anteil an steuerbarer Erzeugung innerhalb mancher Netze darstellen, über die sich die berechnungsrelevante Jahreshöchstlast senken lässt. Wir regen hier entsprechende Untersuchungen an.4
Kostenermittlung im Hinblick auf die Netzstruktur
Der BEE wies bereits in seiner Stellungnahme zum Eckpunktepapier der BNetzA auf die Schwierigkeiten des bei der Ermittlung einer EE-Mehrkostenbelastung zugrundeliegenden Top Down Ansatzes hin und appellierte an eine mögliche Anpassung, zumindest aber das in Betracht ziehen einer zukünftigen Anpassung.5 Die Heterogenität des Netzgebiets einzelner NB ist mit dem dargestellten Verfahren leider nicht vollumfänglich abzubilden und kann zur Unterschätzung des zu ermittelnden Wälzungsbetrages führen – insb. mit Blick auf einzelne Netzgebiete, welche eine überproportional hohe Durchdringung von EE-Anlagen und damit einhergehender Kostenbelastung aufweisen. Dabei ist diese Sichtweise keineswegs als Einzelmeinung anzusehen, sondern wird branchenweit geteilt.6
Die Verwendung der aggregierenden Ermittlungsmethodik ist also nur auf Basis einer möglichst raschen Umsetzbarkeit bzw. Anwendung der Mehrkostenverteilung erklärbar und vertretbar. Wir möchten jedoch weiterhin eine zukünftige Anpassung anmahnen und schlagen dahingehend die Aufnahme eines entsprechenden Absatzes in die Regelung vor.
Die beabsichtigte Verringerung der Netzentgeltspreizung zwischen den VNBs, scheint durch den im Festlegungsentwurf dargestellten Wälzungsmechanismus in der kurzen Frist erreichbar, jedoch bezweifelt der BEE eine langfristige kostenreduzierende Wirkung für den Endverbraucher. Gerade im Hinblick auf jüngst durchgeführte Prognoserechnungen über die Entwicklung des Wälzungsvolumens, sollte die langfristig eher endkostenerhöhende Wirkung der Umlage berücksichtigt werden.
Die BNetzA berechnete selbst eine EE-bedingte Wälzungsumlage von 0,605 Cent/kWh für das Jahr 2023. Adaptiert man nun die veranschlagten bundesweiten Ausbauziele von Wind (160GW) und PV (400GW) im Jahr 2040 – unter der Annahme das die maximale Einspeiseleistung im Netzgebiet durch die Anlagen erhöht und nicht abgeregelt wird - so steigt laut Prognoserechnungen der Wälzungsbetrag (ohne Korrekturabschlag) auf ca. 14,6 Mrd. € bzw. die Wälzungsumlage auf 5,55 Cent/kWh und somit die Mehrbelastung für alle Endverbraucher.7 Die ursprünglich beabsichtigte Entlastung der Verbraucher kann so nicht erreicht werden.
Die Anforderungen an gerecht verteilte Netznutzungs- oder Netzinanspruchnahmekosten müssen sehr hoch gesetzt werden, da sie aufgrund der besonders großen Empfängergruppe eine starke gesellschaftspolitische Wirkmacht besitzen. Dahingehend begrüßt der BEE die grundlegende Idee Verbraucher in Regionen mit einem hohen Anteil an EE-Erzeugungsanlagen und dementsprechend gesteigerten Netzausbaubedarf im Verteilnetz zu entlasten. Zur Erreichung der gesetzten Klimaziele ist der Ausbau der EE und deren Anschluss an die Netze zwingend. Verbraucher in Regionen, die hier vorangehen, sollten aber nicht durch erhöhte Netzentgelte schlechter gestellt werden, sondern mindestens dasselbe Nutzenniveau erreichen, wie Verbraucher in Regionen mit weniger starkem Anteil EE - wenn nicht gar bessergestellt werden. Dahingehend ist es notwendig die bisher bestehenden Fehlanreize zu beseitigen und Verbraucher eher mit verminderten Netzentgelten zu belohnen, da so die Akzeptanz der Energiewende gesteigert werden kann.
Die von der BNetzA durchgeführte Schätzung über einen potenziellen Wälzungsbetrag im Jahr 2023 von rund 1,55 Mrd. Euro, welcher letztendlich durch den Endverbraucher zu finanzieren wäre, stellt die gesellschaftliche Relevanz des Themas nochmal eindrücklich dar. Umso wichtiger ist es, bei der Ermittlung der Wälzungsbeträge volle Transparenz herzustellen und die berechneten Beträge sowie die notwendigen Eingangsparameter - Kosten und Strukturparameter – zu veröffentlichen. Auch sollte die geplante Ausweisung der Wälzung als gemeinsamer Aufschlag auf der Endkundenabrechnung nochmals überdacht werden, um hier den Verbraucher bestmöglich mitzunehmen.
Ob der eingeführte Korrekturfaktor von 0,1 wirklich strukturelle Unterschiede wie die Anzahl oder die räumliche Verteilung von Anschlüssen und den Einflüssen verschiedener weiterer Kostentreiber gerecht werden kann ist zu bezweifeln. Insbesondere ist die pauschale Erhebung ohne eine belastbare Basis oder Begründung nicht nachvollziehbar.
Die im Festlegungsentwurf dargelegten Vorschläge erscheinen insgesamt sachgerecht und können kurzfristig wohl einen Beitrag leisten die vorhandene Spreizung der Verteilnetzentgelte zu reduzieren, dennoch sollte der angestrebte Mechanismus explizit als Übergangslösung festgeschrieben und mit entsprechender zeitlicher Wirkdauer final festgelegt werden. Einen anderen und einfacheren Ansatz, die beabsichtige Netzentgeltspreizung zu reduzieren, stellen bundeseinheitliche Netzentgelte innerhalb der Spannungsebene dar, ähnlich zu den bereits einheitlichen Entgelten auf der ÜNB-Ebene. Der Vorteil läge hier klar in einer starken Vereinfachung der bisherigen Systematik – bspw., wenn keine EKZ-Betrachtung erfolgen muss oder der Netzbetreiber die Erlösobergrenze (EOG) nicht in eigene Netzentgelte überführen müsste - bei zeitgleicher Angleichung der Kostenbelastung für die Endverbraucher.
Mit Blick auf die gesetzten Ausbauziele, der voranschreitenden Elektrifizierung und der damit verbundenen steigenden Stromnachfrage, bedarf es langfristig gesehen jedoch weiteren Anpassungsbedarf, bzw. einer umfangreichen Netzentgeltreform. Hier sollte man spätestens die anstehende Neuaufstellung der Energieregulierung bis 2028 infolge des Auslaufens von StromNEV, GasNEV und ARegV als günstige Gelegenheit betrachten, eine Reform der Entgeltbestimmung anzugehen.
Langfristig wird die Funktion und Bedeutung der Entgelte steigen und unverzichtbar für die Systemstabilität. Netzentgelte müssen also mittel- bis langfristig systemdienlich und flexibilitätsanreizend sein und lokale Signale beinhalten (bspw. den aktuellen Netzzustand bzw. lokale EE-Einspeisung darstellen). Der erste Schritt zu Netzentgelten, die Verbrauchern einen Anreiz zu systemorientierten Verhalten geben, sind „wirkliche“ zeitvariablen Entgelte. Der BEE betont dabei ausdrücklich, dass nur „wirklich“ zeitvariable Entgelte eine gewünschte laststeuernde Wirkung entfalten können. Modelle mit festgesetzten Zeitfenstern – also quasivariable Netzentgelte – wie sie bspw. als Bestandteil des Preismodul 3 im § 14a EnWG-Mechanismus vorgesehen sind, erreichen nur eine Zeitverschiebung der Gleichzeitigkeiten im Netz, nicht aber die angestrebte Mengensteuerung. Dahingehend möchten wir unser Angebot, an der Entwicklung einer entsprechenden Reform konstruktiv mitzuarbeiten, erneuern und hoffen auf einen baldigen Start.
1 Vgl. BEE-Stellungnahme zum Eckpunktepapier der BNetzA zur gerechteren Verteilung von EE-bedingten Netzkosten, BEE.
2 Vgl. RN 103, Festlegungsentwurf BNetzA.
3 Der BEE hatte bereits den gewählten Beobachtungszeitraum im Hinblick auf das ertragsschwache Windjahr 2021 kritisiert, was einen verzerrenden Effekt auf den Einspeisefaktor darstellt, vgl. BEE-Stellungnahme zum Eckpunktepapier der BNetzA zur gerechteren Verteilung von EE-bedingten Netzkosten, BEE.
4 Vgl. RN 48, Festlegungsentwurf BNetzA.
5 Vgl. BEE-Stellungnahme zum Eckpunktepapier der BNetzA zur gerechteren Verteilung von EE-bedingten Netzkosten, BEE.
6 Vgl. hier die Stellungnahmen zum Eckpunktepapier der BNetzA von NetzeBW, oder BDEW.
7 Vgl. hier die durch den Lehrstuhl für Energiewirtschaft der TU Dresden durchgeführten Berechnungen.
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